Nil, Tag 7: Abydos und Klöster bei Sohag

Ihr Lieben,

in der Nacht habe ich dann doch noch versucht, die Durchfahrt durch die Eisenbahnbrücke mitzuerleben, denn die Konstruktion versprach, dass es interessant sein könnte. Um Mitternacht sollte es ja soweit sein. Es kamen auch Menschen, die irgendwie Poller installierten, dann wieder abbauten, dann kam doch noch ein Zug und wieder passierte nichts, dann hektische Betriebsamkeit auf dem Schiff, dann wieder nichts. Ich fing an zu frieren und es wurde halb zwei, als die Crown Vision die Motoren stoppte; da beschloss ich, es gut sein zu lassen!

Der erste Ausflug heute ging zu ziviler Zeit (10 Uhr) zum Tempel des Sethos in Abydos. Wieder wurde der Tempel als ganz anders als die anderen gepriesen, und wieder war er auch anders, aber auch wieder gleich. Erbaut hat die ganze Chose Sethos, der Vater des großen Ramses. Unter Sethos waren erhabene Reliefs der Hit, Ramses kehrte wieder zu den Tiefenreliefs zurück. Die Mythologien über die Isis-Geburt und die Verwandtschaft zu Horus etc. wurden aber wieder gleichsam den anderen Dynastien dargestellt. Viele der Mythologien lassen sich ja im Christentum analog wiederfinden. Aber definitiv ein schöner Tempel, vieles noch original ausgemalt.

Die Bilderüberarbeitung zwischen Sohn und Vater (ich sprach es an, jeder Pharao wollte seinen Namen noch verewigter wissen als den seines Vorgängers) führte im Tempel von Abydos zu so skurrilen Gravuren, dass Verschwörungstheoretiker wieder Stoff haben. Sieht man doch in alten Reliefs Panzer, Hubschrauber und U-Boot: Ein klares Zeichen für das Wirken Außerirdischer!

Am interessantesten an diesem durch Polizeieskorte begleiteten Ausflug war die mehr als halbstündige Fahrt zum Tempelbezirk. Wir haben sichtlich die touristischen Hauptpfade verlassen. Die Straßen sind Pisten, die Ufer der Kanäle sind Müllkippen. Es ist eher überall ärmlich, man kann Menschen bei der Bestellung ihrer Felder beobachten, beim Flachsen, beim Backen, in Autowerkstätten arbeiten Kinder… Es gibt viele Obststände, das Land an sich ist nicht arm, es gibt viel Gemüse und reichlich Obst.

Achmed II erzählte auf der Fahrt nach Abydos viel über das ägyptische Schulsystem. Die Alphabetisierungsrate ist erschreckend niedrig, Bildung ist nur für wenige zugänglich. Auch über infrastrukurelle Probleme und die politische Geschichte der Neuzeit verlor er ein paar Worte. Er fand dabei durchaus kritische Töne.

Den Nachmittag über kreuzten wir wieder und konnten viele interessante Szenen am Ufer beobachten, oft untermalt von frenetischem Kindergeschrei, von dem wir hoffen, dass es Laute der Freude waren und keine Flüche à la „Ungläubige, möget Ihr verrotten!“.

Mindestens genauso lästig wie frühes Aufstehen sind die spät terminierten Ausflüge, die fast mitten in der Nacht enden (ich übertreibe gerade nur ein bisschen…), daher überlegte ich lange, ob ich den Ausflug zu weißem und rotem Kloster buchen sollte. Kurz: Es lohnt sich sehr, alleine schon, weil man mal etwas anderes als einen Tempel sieht.

Im weißen Kloster kamen wir rechtzeitig zu einem Gottesdienst an. Bei melodischen Gesängen (aus einer Zeit ohne überlieferte Notation) und einer Weihrauchdichte von 99% war das schon ein Erlebnis. Obwohl nur wenige Gläubige anwesend waren. Das weiße Kloster ist mäßig erhalten, verfügt aber über eine lange Geschichte und eine der größten Basiliken ihrer Zeit (die ist gut erhalten). Das rote Kloster besticht durch seine einzigartigen, hervorragend restaurierten Fresken aus dem 5. Jahrhundert. In beiden Klöstern erläuterten uns Mönche die wichtigsten Fakten. Ein Fresko im roten Kloster zeigt einen Stifter, das ist im Gegensatz zu den Stifterfiguren des europäischen Mittelalters nachgeradezu niedlich. Es ist der Mann mit den erhobenen Händen in der Bildergalerie. Die Fresken sind übrigens dergestalt in ca. 15 Jahren freigelegt worden, dass übermalte Schichten nicht entfernt wurden, sondern ebenfalls noch sichtbar sind. Wenn ich es richtig verstanden haben, blicken wir zugleich auf Fragmente des 5., 6. und 7. Jahrhunderts! Eine Meisterleistung italienischer Restauratoren.

Hier ein paar Eindrücke vom weißen Kloster:

Hier ein paar vom roten Kloster:

Bevor es dann zu einem sehr späten Abendbrot zurück an Bord ging, zündete ich in der Marienkapelle noch eine Kerze an.

Am Abend wurde ein Spaziergang an der Uferpromenade angeboten. Heutiges Begleitpolizeiaufgebot 20 Personen. Die Uferpromenade von Suhag ist jetzt nicht besonders einladend, es ist vor allem eine Verkehrsader, auf der das Lieblingsinstrument der Ägypter gespielt wird: die Hupe. Wir haben uns allesamt dagegen entschieden. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass ich es schätze, dass der Staat Ägypten so bemüht ist, uns zu schützen. Denn tatsächlich stehen unsere Beschützer nicht nur dekorativ in der Gegend herum, sondern sind, ich übernehme mal den Begriff, den Willy benutzt hat, sehr alert! Persönlich fühle ich mich nicht besonders gefährdet, aber koptische Kirchen und Klöster zu besuchen erfordert möglicherweise doch einen gewissen Schutz. Nicht, weil man es auf Touristen abgesehen hat, sondern auf Religionsminderheiten. Die koptische Gemeinde, ich fragte den Mönch danach, umfasst alleine in der Provinz Suhag 2,5 Millionen Mitglieder. Dennoch ist es eine Minderheit.

Den Abend ließen wir am Monddeck (Flachwitz, wer versteht ihn?) ausklingen. Einer der Kellner ließ Monika und mich, nachdem alle anderen zu Bett gegangen waren, an seinem Leben teilhaben, indem er von seiner Familie erzählte und Fotos zeigte. Ein interessanter Einblick in die Widrigkeiten des Lebens, mit denen man hier konfrontiert wird.

Morgen, Ihr Lieben, ist Flusstag! Ohne Ausflugsprogramm! ABER: Wir werden gezwungen, Baba Ganoush zuzubereiten, Hieroglyphen zu schreiben und zu lernen, im Nil mit Krokodilen zu kämpfen. Wer errät, was davon nicht stimmt, darf sich auf einen Kühlschrankmagneten freuen! Den Gewinner bestimmt das Krokodil!

Ich würde mich freuen, wenn Ihr morgen wieder zuschaltet 🙂
Liebe Grüße, Euer Gerry

Sind das Hieroglyphen oder kann das weg?

4 Gedanken zu „Nil, Tag 7: Abydos und Klöster bei Sohag“

  1. Möchte einen Magneten und auf keinen Fall auf deine Berichte verzichten! Also bitte besiegt die Krokos nachdem ihr euch an Baba Ganoush gestärkt habt 😅😘

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