Ihr Lieben,
eines der großen Mysterien der Menschheit wird bleiben, dass ich es nicht schaffe, Spannbettlaken vernünftig aufzuziehen, so dass sie wenigstens eine Nacht halten, ich aber drei Tage brauche, um mich aus der allumfassenden, fast nahtodartigen Umklammerung einer unter die Matratze gestopften Hotelbettdecke zu befreien.
Das wichtigste vom Tage zuerst: das Rührei war warm. Heißa! Jetzt musste ich nur noch zwei Stunden bis zur Abfahrt des Busses überbrücken. Meine Plattfüße schmerzten immer noch und mir war klar, dass ich doch ein zweites Paar Schuhe hätte mitnehmen sollen. Jetzt rächte sich die Packerei im Schickerkopp. Kurzerhand kaufte ich vor Ort noch ein Paar Sneakers. Blasenpflaster habe ich immerhin dabei. Und ein letztes Mal schaute ich mir Andorra la Vella an. Die Berge waren inzwischen wieder fast schneefrei, die Temperaturen auf Plusgrade gestiegen.
20 Minuten vor Abfahrt des Busses fand ich mich an der Haltestelle ein. Wieder wartete niemand anders. Wieder war der Bus pünktlich. Wieder war er brechend voll. Ich musste diskutieren, damit ein Mann sein Gerümpel vom einzig freien Platz wegnahm. Er rächte sich dadurch, dass er ohne Unterlass in sein Handy schrie und auch sonst ein unangenehmer Sitznachbar war (er müffelte und machte sich breit). Hinter mir schnatterten pausenlos zwei Personen in einer unglaublichen Lautstärke miteinander, vor mir zog ein Teenager im Fünfsekundentakt die Nase hoch. Gegenüber am Gangsitz trank jemand Bier aus der Dose in winzigen Schlückchen und kaute (!) es dann geräuschvoll. Und das alles drei Stunden lang. PUH! Im wahrsten Sinne des Wortes eine reizende Reise. Die Kopfhörer hatte ich natürlich zu Hause vergessen, die Ohrstöpsel lagen im Koffer in den Innereien des Busses.
Kurz vor der spanischen Grenze hieß es noch, wir sollten alle unsere Pässe bereithalten, aber wir durften dann doch einfach so durchflutschen. Ich hatte auch gelesen, dass es stichprobenartige Kontrollen wegen der zollfreien Waren geben könne, aber es war ja trotz niedriger Mehrwertsteuer alles nicht billiger als im Rest Europas, wer soll da bittesehr schmuggeln? Ansonsten kam der Bus pünktlich in Barcelona an und ich erreichte auch sofort eine Anschluss-Metro zum Liceu, von wo aus ich noch drei Minuten zum Hotel laufen musste, das direkt an der Plaça Reial liegt. Es ist, so glaube ich, das erste Einsternehotel, in dem ich je übernachtet habe. Es macht auf den ersten Blick keinen schlimmen Eindruck, es liegt super zentral, es ist sauber, es ist billig, es gibt sogar eine Badewanne auf dem Zimmer. Nur schaue ich leider wieder auf die 30 cm entfernte Wand eines Schachtes, diesmal ohne in ein Nachbarzimmer glotzen zu können. Und ein paar Fliesen in Bad und auf Boden sind leicht angeschlagen. Ein Blick auf die Plaça Reial wäre natürlich der Hammer gewesen. Aber wahrscheinlich wird es nachts dort furchtbar laut.
Liebe Andorradevellaner, es tut mir furchtbar leid, aber ich bin froh, wieder in Barcelona zu sein. Ich lief sofort durch das gotische Viertel, stöberte in niedlichen Läden nach Geschenken für mich selbst, kaufte Wein und Turrón. Auf der Hotelterrasse nahm ich dann ein Bier zum Touristenpreis zu mir. Dafür hatte man dann aber auch viel Entertainment. Der „Einrufer“ (oder wie das heißt) ist aus Pakistan, der Rezeptionist des Hotels aus Marokko. Wir haben uns ein bisschen unterhalten. Zwischendurch wurde mir ein Armband von einem umherziehenden Händler geschenkt, weil ich ja so ein netter Kerl sei. So schnell konnte ich gar nicht gucken, wie er mir das fest ums Handgelenk verknotete. Und dann war es auf einmal doch kein Geschenk mehr. Sowas. Haben etwas gebraucht, um es wieder aufzuknoten.
Um 19 Uhr traf ich mich dann mit Rolf und Otto in deren Bleibe, um für unser Heiligabendessen vorzuglühen, das wir anschließend in einem ecuadorinischen Restaurant einnehmen wollten.
Wie soll ich den Abend beschreiben? Er war so skurril! Wir trafen uns in der Wohnung, tranken Sekt, knabberten Nüsse. Dann war es Zeit, loszugehen, etwa 10 Minuten Fußweg lagen vor uns. Wir kamen an in einem 4 Meter breiten und 50 Meter langen Restaurant. „Ah, Sie haben reserviert? Prima, bitte hier entlang.“. Man führte uns in einen kleinen Saal mit Bildschirmen, Ballons hingen unter der Decke, Partymusik lief, aber es wollte keine Partystimmung aufkommen. Ob wir uns auch weiter vorne hinsetzen könnten, wir hätten es lieber ein wenig weniger laut? Ja, klar doch. Dann saßen wir da. Und warteten und saßen. Und warteten.
„Hallo, gibt es auch was zu essen?!“. Ja, gäbe es, die Karte läge ja vor uns (keiner hat sie verstanden), es gäbe aber auch das Weihnachtsmenü für 45 Euro pro Person. Da sei ein Glas Wein inkludiert. Da hätten wir ja schon misstrauisch werden müssen. Wie das denn funktioniere? Nunja, es gäbe 5 Vorspeisen, dann die Hauptgerichte, 3 Nachspeisen und das Glas Wein und einen Kaffee. Wir waren überfordert und baten um das Menü.
Wir bekamen einen Teller gerösteten Mais mit geröstetem Hühnerfett (nehme ich an). Und einen Teller geröstete Zwiebeln. Dann geröstete Hühnerflügel. Gefolgt von – ah! – gebratenen Scampi! Dazu geröstetes Brot mit Tomate und Knoblauch. Wir waren quasi durch mit den 5 Tellern, da fing der Mann von vorne an und brachte wieder gebratene Scampi. Wir bräuchten mehr Wein, beschieden wir ihm. Den müssten wir aber bezahlen, beschied er uns. Jaja, mach mal. Aber hör mal auf mit wiederkehrenden Vorspeisen, bitte.
Dann passierte nix.
Und nix.
Nix.
„Hay mas platos principales?“ Jaja, das würde jetzt aber dauern. Wir waren eigentlich schon durch mit essen und hatten auch nicht weiter Lust. Zumal in der Partyzone gerade der ecuadorianische Superstar…äh… ja… ähhhm… zu singen anfing. Was es denn kosten würde, wenn wir jetzt einfach gingen? Wir erklärten freundlich, dass wir uns das alles ganz anders vorgestellt hätten. Man war seeeehr kulant und ließ uns den Wein bezahlen und berechnete uns für die vielen Vorspeisen gerade einmal 10 Euro. Man kann eigentlich gar nicht in Worten wiedergeben, wie seltsam das alles war. Rolf, Otto, sagt mal was!
Wir gingen dann noch (mit meinen neuen Schuhen!) ins queere Viertel, wo ich dann mal spontan eine Bar aussuchte, in der es mir (und den beiden anderen auch, wie ich meine) gut gefiel. Wir plauderten kurz mit einem Kölner Rugby-Spieler und einem Tunesier, der mal in Köln lebte. Schöne Kneipe, da gehe ich vielleicht nochmal hin.
Ja. Und dann muste ich 42.973.035.388 Schritte nach Hause laufen. Und all das in den neuen Schuhen. Gute Nachricht: Es wird keine Blasen geben.
Es ist jetzt sehr spät und ich habe keine Ahnung, was ich morgen unternehmen werde. Aber ich hoffe, ihr seid dabei und lasst Euch ebenso überraschen wie ich mich selbst.
Liebe Grüße, Euer
P.S.: Wenn ich so spät noch schreibe, garantiere ich nicht mehr für Logik. Aber für jeden Rechtschreibfehler den ihr entdeckt, dürft ihr gerne 10 Euro an Ärzte ohne Grenzen spenden 🙂