Ihr Lieben,
… als den letzten Tag des Jahres in Sevilla zu verbringen. Zuerst war ich ja ein bisschen verärgert wegen der Ferienwohnung, aber das Hotel hat ein so dermaßen gutes Frühstück, das hat mich versöhnt. Ist fast schon ein Brunch. Ein deutsches Ehepaar hat beim Abfragen der Zimmernummer bei mir für Fremdscham gesorgt, die Servicekraft konnte leider kein Deutsch und die Gäste nichts anderes. „Viahunnatfuffzn, Mönsch!“. Oder auch nicht wirklich… Ich habe übersetzt und den Oberlehrer raushängen lassen: „Sie könnten für solche Fälle die Nummer auch aufschreiben, statt sich wie die Wehrmacht aufzuführen!“. Wir werden wohl keine Freunde.
Die Vermieter der Ferienwohnung haben sich übrigens nicht entblödet, mir zu schreiben, heute könne ich einziehen, wenn ich wolle. Bei denen hakt es wohl irgendwo; wahrscheinlich haben sie die Schadenersatzforderungen von booking bekommen.
Gestern Abend habe ich noch bei GuruWalk, dem Internetanbieter für kostenlose Stadtführungen, einen zweieinhalbstündigen Rundgang durch die Stadt gebucht. Es wurden drei Stunden und es war wirklich gut. Wir starteten am Brunnen von Hispalis und erliefen uns fast alles, was das Zentrum an Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Goldener Turm, Stierkampfarena, Rathaus, Kathedrale, Hotel Alfonso, Zigarettenfabrik und als Highlight die Plaza España. Wirklich kostenlos ist es natürlich nicht, man erwartet ein großzügiges Trinkgeld. Das hat unser Führer Julio dann auch, wie ich mitbekam, erhalten. Ob ich das vielleicht in Köln machen sollte? Bewegung, nur Eintags-Nörgler, halb steuerfrei… Wie? Was? Nee, habe nix gesagt.
Miguel Cervantes hat übrigens in Sevilla mal wegen Steuerhinterziehung sieben Monate eingesessen, aber er stellte sich als unschuldig heraus. Auf dem großartigen Gelände der Plaza España wurden viele bekannte Filme gedreht. Unter anderem stellte der Platz einmal den Planeten Naboo aus der Star-Wars-Serie dar. „Lawrence of Arabia“ wurde auch hier gedreht. Und wenn wir schon bei Filmen sind: Das Rataus von Sevilla schmücken unter anderem Reliefs der Gesichter von Grace Kelly und Ava Gardner. Letzer Film-Fact: Robert de Niro scheiterte mit seinem Versuch, in Sevilla ein Luxushotel zu betreiben.
Die Tourgastschar war international aufgestellt. Von Singapur bis Valetta, von Ljubljana bis Köln-Poll war alles vertreten, was in Atlanten Rang und Namen hat. Mit einem Wiener habe ich mich länger unterhalten, er reiste auch alleine und war ebenso blauäugig an die Reise herangegangen. Auch er bekam keine Eintrittskarten für nichts mehr, auch er wird heute Abend allein auf dem Hotelzimmer gegessen haben. Ja, Ihr lest richtig. Es gibt nur noch Tages- und keine Reservierungskarten für die Sehenswürdigkeiten (erst ab dem 5. Januar wieder, da bin ich weg) und die Schlangen sind eher wie die Würmer aus „Dune – der Wüstenplanet“. Ellenlang! (Je, heute habe ich es aber mit Cineastik.) Ich werde mir das nicht antun. Und ja, es gibt keine freien Tische. Man zahlt sich entweder dusselig (bis zu 500 Euro für ein Menü) oder geht dumm zum Schnellimbiss – von denen nicht gesichert ist, dass sie geöffnet haben. Und der Wiener war zwar nett, aber ich wollte mich jetzt auch nicht mit jemandem verbrüdern, den ich so gar nicht kannte. Alleinreisende haben ja auch oft einen Dachschaden. *räusper*
Nach der Tour gönnte ich mir eine Jarra in der Sonne. Die Terrasse des El29 war brechend voll (hatten wir lange nicht mehr!) und ich musste einen Table-Dance aufführen, um auf mich aufmerksam zu machen. So viel zum Thema „peinliche Deutsche“. Mit meinem Bier erhielt ich grüne, eingelegte Oliven. Ich schwöre, die gehörten zu den besten, die ich jemals gegessen habe. Am Nachbartisch belauschte ich ein Pärchen. Sie sagte irgendwann, sie müsse noch einkaufen, gleich schlössen ja alle Läden und morgen hätte ja auch kein Supermarkt auf. Alarm! Ich googelte ein bisschen und tatsächlich, das könnte sein. Ich zahlte und kaufte für zwei Tage Wein und Snacks. Lebensmittel sind in Spanien immer noch viel preiswerter als in Deutschland. Jedenfalls bei meinen Einkäufen. Zudem gibt es hier, ich erzählte davon schon mal bei meinem langen Kanarenaufenthalt 2019, eine Couponschwemme und massenweise drei für zwei-Aktionen. Braucht übrigens jemand Turrón? Ich soll ja nicht so viel davon…
Ich verstaute meine Einkäufe (gibt einen kleinen Kühlschrank auf dem Zimmer) und legte mich kurz hin. Kurz ist ja ein dehnbarer Begriff. Jetzt sitze ich hier, es dämmert schon, schreibe mein Tagebuch und schiebe mir Baguette und Tapitas in die Futterluke. Der erste Sekt ist auch schon geöffnet :-). Ich bin fast geneigt, nicht mehr rauszugehen, ich habe mir eine Blase erlatscht und zu essen habe ich jetzt auf dem Zimmer. Mal sehen, wie ich ins neue Jahr komme. Letztes Jahr lag ich ja – wenn ich mich recht erinnere – mit der merkwürdigen Grippe flach und litt, wie es nur richtige Männer können.
So, Ihr Lieben, allen eine rauschende Ballnacht und einen guten Rutsch in ein hoffentlich gesundes, glückliches, zufriedenes und fantastisches neues Jahr!
Euer