Annemie, isch kann nit mieh!
Ich stand extra früh auf, da ich mir ein strammes Programm vorgenommen hatte. Nach dem Frühstück – wo man wieder einige merkwürdige Szenen beobachten konnte, wie das Paar, das in einer halben Stunde kein einziges Wort wechselte oder den Mann, der in Boxershorts und besockten Sandalen erschien (brrrr!) – startete ich gen Beilstein. Ich wollte mir das Dornröschen mal aus der Nähe ansehen. Ich traf es, so wie es sein muss, schlafend an. Ich hatte den Ort quasi für mich. Und ja, er ist ganz nett. Wie immer, wenn es zuuuu viele Vorschusslorbeeren gibt, gibt es Punktabzug in der B-Note. Ich kraxelte zum Kloster hinauf, die Treppe ist aus deutschen Filmen mit Rühmann oder Millowitsch berühmt, und zündete ein Kerzlein an. Ich streifte durch den blumengeschmückten Ort mit vielen Fachwerkbauten. Und als es sich langsam füllte, erklomm ich die Ruine der Metternich-Burg. Jaja, DER Metternich, bekannt vom Wiener Kongress und vom gleichlautenden Sekt.
Der Aufstieg bis zum ersten Burgtor war schon recht beschwerlich, es wurde schon wieder arg warm unter der Sonne. Und dann war ich auch noch 30 Minuten vor Öffnung dort. Ich beschloss, den Berg weiter zu bezwingen und zum Haupttor zu laufen. Da musste ich dann nur noch eine Viertelstunde warten und konnte so lange den Blick ins Moseltal genießen. Der Eintritt in die Ruine kostete mich 3 Euro. Dafür gab es dann eine Menge Stein zu sehen, aber alles nett arrangiert und bepflanzt und mit einer aussichtsreichen Gastronomie ausgestattet. Bevor ich mich da niederließ, begab ich mich, offensichtlich in einer Art masochistischem Wahn, noch die 115 Stufen zum Bergfried hinauf. Von da aus hat man eine tolle Sicht.
Nach einer riesigen, zuckerfreien Afri-Cola (so eine hatte ich seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen, geschweige denn getrunken) setzte ich meinen Weg fort, die Moselschleife bei Bremm suchend. Jau. das wurde einem nicht leicht gemacht. Das Navi führte mich zu einem Parkplatz hinter dem Ortseingang. Nada, keine Treppe, keine Ausschilderung. Ich beschloss etwas höher zu fahren, gemäß Google Maps sollte sich weiter oben ein Parkplatz zum Calmont-Wandersteig befinden. Als das Navi „Sie haben Ihr Ziel erreicht“ krähte, fand ich mich in einer Haarnadelkurve wieder, von der aus ein forstwirtschaftlicher Weg abging. Dort stand schon ein Wagen. Also, was sich heutzutage alles Parkplatz nennen darf. Mit ungutem Gefühl quetschte ich mich so nah wie möglich an den Straßenrand, um meinen Weg zu Fuß fortzusetzen.
Leute, ich lief und lief und lief. Immer bergauf. Nach geraumer Zeit beschloss ich querfeldein zu laufen, weil ich die Mosel dort vermutete. Eine Senke und eine Kuppe später stand ich vor einem dichten Wald. Ich musste umkehren und lief einem älteren Paar in die Arme, die ich kurz zuvor überholt hatte. „Wie, gibbet da nix? Wir sind Ihnen extra hinterher, sah so aus, als wüssten Sie, watt Sie da tun. Wir suchen die Moselschleife.“ Also, die Beiden drehten wieder ab (denen gehörte das andere Auto, sie wurden auch vom Navi fehlgeleitet), ich wechselte nochmal die Himmelsrichtung, um 20 Minuten später an einem Aussichtspunkt anzukommen. Nur leider vieeel zu hoch, so dass man links die Mosel, rechts die Mosel, aber vorne den Bogen nicht sehen konnte. Mir wurden nun per Ausschilderungen diverse andere Attraktionen angeboten. Das römische Höhenheiligtum, der Vierseenblick, ein Topf voll Gold…. Aber ich hatte die Faxen dicke und machte mir auch Sorgen um Cora, so ganz alleine in der Kurve. Also stapfte ich zurück.
Wieder am Ausgangspunkt angekommen, knubbelten sich zwei weitere Autos auf dem Seitenstreifen. Spätestens jetzt wäre kein Rettungswagen mehr durchgekommen. Die jeweiligen Insassen suchten die Moselschleife. „Hach, Google Maps benutzt?“. Heftiges, synchrones Kopfnicken. Zeitgleich kollektives Seufzen. Ich erzählte von meiner kleinen Wanderung und gab meiner Befürchtung Ausdruck, dass man viel weiter unten suchen müsse. Die anderen wollten noch überlegen und sich beraten. Ich mache es kurz. Falls Ihr da mal hinwollt, klickt keinesfalls die vielen angeblichen Aussichtspunktmarkierungen an, die führen absolut in die Irre. Den klassischen Schleifenblick fand ich dann hinter der Bremmer Kirche, am Friedhofseingang. DAS müsst Ihr anklicken. Belohnt wird man durch eine tolle Aussicht. Diese ganze Aktion hatte mich jetzt unglaublich viel Zeit gekostet, und mein Schrittzähler glühte schon wieder.
Ich brach zur Geierlay-Hängebrücke auf. Die Sonne brannte wie blöde und als ich am Parkplatz ankam, musste ich erfahren, dass man bis zur Brücke noch 2,5 Kilometer zu wandern hätte. Ihr Lieben, man wird belogen, wenn man dabei steht. Das waren deutlich mehr Kilometer. Ich dachte schon, die Brücke sei ein Spuk, weil ich lief und lief und nix kam. Nach über 50 Minuten (die ich im Leben nicht für zweieinhalb Kilometer brauche!) kam ich endlich an. Es war proppenvoll. Als befände sich hinter der Brücke Neuschwanstein. So waren dementsprechend auch einige Dutzend Menschen auf dem Gebilde. Es kostete mich dermaßen Überwindung, draufzusteigen, das könnt Ihr kaum erahnen. Je weiter ich in die Brücke hineinlief, desto mehr schwankte sie. Ich musste mich links und rechts festhalten und ließ immer nur für Nanosekunden los, wenn jemand vorbei wollte. Ich war ja schon hitzegestresst, jetzt kam Angstschweiß dazu. Ich musste nach einem Drittel umkehren, mir war unglaublich übel. Vielleicht schaffe ich es ja mal wannanders, wenn nicht noch hunderte andere übergewichtige Menschen auf dem fragilen Seidengespinst herumturnen. Wie, wann soll ich behauptet haben, es wären nur Dutzende? Kann gar nicht sein. Eher Tausende!
Als Rückweg wählte ich nicht den ebenen Weg in der prallen Sonne, sondern den Wanderweg durch den Wald. Ihr ahnt es schon, das war nicht besonders klug. Es ging nämlich eine ganze Zeitlang bergab. Und im Umkehrschluss zu dem bekannten Song „What goes up, must come down“ musste ich dementsprechend alles auch wieder aufsteigen. Ich war fix und fertig, als ich wieder bei Cora ankam. Meine Uhr zeigte 71 bewältigte Etagen an. Und sie ist da eher pingelig. „Und, wollen wir noch wie geplant zur Burg Eltz, liebe Cora?“ – „Spinnst Du?“. Und so kamen wir überein, diesen Programmpunkt zu überspringen und nach Hause zu fahren.
Nun bin ich wieder daheim und freue mich, dass ich so viel Neues sehen durfte und auch so sportlich war. Für meine Verhältnisse war das nämlich extrem 🙂
Ich hoffe, Ihr hattet Spaß an meinen kleinen Reisenotizen und konntet vielleicht auch den ein oder anderen Tipp mitnehmen, für den Fall, dass Ihr mal in die Region wollt. Und vielleicht seid Ihr ja auf der nächsten Reise wieder mit dabei, ich würde mich sehr freuen.
Euer Gerry
Hallo Gerry. Habe deinen Blog nach deinem Kommentar zu meinem Foto gefunden und bin begeistert. Ich war in KöWi bei meiner Tochter und habe von dort Ausflüge gemacht. Hätte ich deinen Blog da schon gekannt hätte ich versucht mich mit dir zu verabreden und mir von die ein bisschen die Gegend zeigen lassen. Deine Art zu schreiben ist genau das was mir gefällt. Danke 🙂
Hallo Konni.
Das ist lieb, dass Du schreibst. Ja, Dein Foto von der Geierlay-Brücke in der FB-Gruppe „Fotografie in schwarz weiß“ (hiermit empfohlen) hat mir sehr gefallen.
Und es passte so gut, da ich ja heute gerade, wenn auch ängstlich, dort war.
Velen Dank für Dein Kompliment. Ich freue mich, wenn das Geplauder über meine Unternehmungen gut ankommt.
Liebe Grüße
Gerry