Ihr Lieben,
neuer Tag, neuer Ohrwurm. Heute wollte ich noch früher aufstehen, um noch mehr Sonne zu haben. Hustepiepen! Es war morgens total trübe und pünktlich bei Abfahrt fing es an zu nieseln und hörte erst einmal gar nicht mehr auf. Egal. Ab nach Ost-Ostfriesland, das dort aber eigentlich nur Friesland heißt. Jever, Wilhelmshaven und das Drumherum gehörten nämlich eine ganze Zeit lang zu Oldenburg und mussten namentlich abgegrenzt werden.
Ich fuhr zuerst die östlich gelegenen Sielorte ab, was ich vor ziemlich genau 5 Jahren schon so ähnlich mit Elke gemacht hatte. Ich startete meine Erkundung in Neuharlingersiel. Hier war nix beschaulich. Bei so schlechtem Wetter klappern die Touris (wie ich ja auch) die netten Orte ab, shoppen, picheln und schlemmen. Zudem war auch noch Kuttermarkt (klein aber fein), so dass der Kutterhafen aus allen Nähten platzte. Bevor ich überhaupt zum Hafen kam, musste ich lernen, dass es ein modernes Parksystem auf den Plätzen gibt. Die Nummernschilder werden erfasst und man soll am Ende zahlen. Das habe ich nicht begriffen und ging direkt zum Bezahlautomaten, der mich verabschiedete mit den Worten „Du hast 3 Minuten geparkt, das kostet nix, Tschüssikowski!“. Naja, so ähnlich halt. Ich musste daher doch glatt vom Platz fahren und mir einen anderen zum Parken suchen.
Vom Parkplatz aus lief ich erst einmal ein Stück des Deichs entlang, bis der Regen stärker wurde. Ich prügelte mich dann im kleinen Hafen (geparkt hatte ich am großen Fährhafen) so an den Ständen mit land- und fischwirtschaftlichen Produkten vorbei und war schon nach kurzer Zeit davon erschöpft. Wieso müssen größere Gruppen, gerne mit Kinderwagen und/oder Rollatoren, immer an der engsten Stelle stehenbleiben, um was auch immer zu diskutieren? Martin Perscheid, der von mir hochgeschätzte und leider viel zu früh verstorbene Cartoonist hat da mehr als eine schöne Zeichnung zu gemacht. Stichwort „Idioten, die im Wege stehen.“
Ich beschloss, dem Rat einer Nachbarin zu folgen und das Buddelschiffmuseum zu besuchen. Das ist sehr übersichtlich und war gut gefüllt. Regenwetter halt. „Haben Sie eine Nordseekarte?“ – „Ja, habe ich, die NSC!“ – „Das ist die falsche…, wir bräuchten die NSC!“- *Verdutztguck* – „Sie haben die Nordsee-Card, wir brauchen die Nordseeservice-Card.“. Ja, so kann man es auch regeln, lieber Tourismusverband. Also, vollen Eintritt bezahlt. Ich bin jetzt nicht so der Modellbau-Liebhaber, aber die Ausstellung ist nett. Und trocken!
Ich machte mich auf nach Carolinensiel, wo ich gar keinen Parkplatz im Zentrum bekam und wegen zweier sich blockierender Lastwagen auch nicht mehr wenden konnte. Ein Heidendurcheinander! Ich parkte daher jwd (janz weit draußen!) und lief im inzwischen mehr als nieseligen Regen den Harlesiel bis zum Hafen runter, um dort auf der anderen Seite wieder hochzulaufen. Am Ende des Rundganges war ich trotz Schirm mehr als nebelfeucht. Carolinensiel hat zwei Besonderheiten: Einmal den Raddampfer Concordia, der den Siel auf- und abfährt, und die einzige Deichkirche Ostfrieslands. Ansonsten ist es bei Regen dort nur so lala.
Weiter ging es nach Hooksiel, das kannte ich tatsächlich noch gar nicht; es war im Reiseführer als sehr sehenswert angepriesen. Ja, was soll ich sagen. Im Bindfadenregen fehlte mir das erheiternde und liebreizende Element. Ich wurde zusehends grantelig, ich brauchte Medizin in Form von Essen! Ich wurde in einer Bäckerei mit Wintergarten fündig. Der Kuchen hieß Amerika-Schnitte, erinnerte aber sehr an Käse-Sahne-Torte. Dazu einen Halbliterpott Milchkaffee. Hat geholfen. Es hörte auf zu regnen. Das nenne ich mal Magie! Hooksiel ist bestimmt ganz nett, aber unspektkulär. Es gibt Speicherhäuser, ein zum Künstlerhaus umgestaltetes Spritzenhaus und ein Muschelmuseum in einem kleinen Häuschen mit Zwiebeltum.
Gestern schrieb ich von der „Herrlichkeit Dornum“. Ich lernte inzwischen, dass es hier mehrere Herrlichkeiten gibt. Es ist der einem Häuptling zugeordnete Herrschaftsbereich. Ja, Häuptling. Wer jetzt an Majestix oder Winnetou denkt, liegt nur halb daneben. So hießen die friesischen Fürsten. Auch hier wenig mit m/w/d. Heißt das dann eigentlich Häuptlingin? Oder Häuptinling? Egal. Diese Häuptlinge bauten sich ganz ansehnliche Wohnsitze. Einer davon ist die Burg in der Herrlichkeit Kniphausen, die aus zwei Gründen überregional bekannt ist: Erstens steht sie noch und zweitens beherbergt sie einen sogenannten Ahnensaal, der von kultureller Bedeutung zu sein scheint. Leider war der geschlossen. Ostfriesland hat sich offensichtlich nicht wirklich gut auf meinen Besuch vorbereitet :-). Um die Burg ein netter Park, man kann also mal einen Abstecher wagen, wenn man in der Nähe ist.
Jetzt galt es, zu entscheiden, wohin die nächsten Schritte gelenkt werden sollten. Es nieselte mal wieder. Wilhelmshaven? Ich war da noch nie. Aber Städte im Regen erkunden? Puh! Doch lieber eine Wasserburg und einen kleinen Ort? Ich besuchte Schloss Gödens. Bis ich vor Ort ankam, hatte ich das auf der Karte falsch gelesen und als Gedöns gespeichert; den Namen fand ich sehr erheiternd. Der dazugehörige „schönste Ort Frieslands“, Neustadt-Gedöns heißt übrigens auch nicht wirklich so. Es war das Highlight des Tages! So ein schönes Wasserschloss! Leider nicht zugänglich, aber immerhin der Park war Besuchern geöffnet. Dort gab es wunderschöne, stolze Pfauen und schwarze Schwäne. Ein Ehepaar, mit dem ich zusammen die schwarzen Schwäne samt ihrem Nachwuchs bewunderte (dem der Wasservögel, nicht des Ehepaars!) erkannte, dass ich nicht von hier sein könnte und klärte mich auf, dass die Schwäne seit einer Woche hier im Wassergraben schwimmen, weil sie in ihrem Heimatgewässer im Schlosspark Jever von mutmaßlich Betrunkenen gequält und misshandelt worden wären. Sie seien jetzt zu ihrer Sicherheit hier. Jetzt mal ehrlich: Was stimmt mit den Menschen nicht??? Man legte mir nahe, auf meinem Rückweg in Jever Halt zu machen. Wusstet Ihr übrigens, dass Pfaue ziemlich schreien? Und schwarze Schwäne ein hupendes Geräusch von sich geben können?
Wie angedeutet, gehört zu Gödens auch der Ort Neustadt-Gödens, eine als Planstadt geplante… äh… ja… Stadt, um die örtlichen Weber aufzustocken, die dem Ort Wohlstand brachten. Es kamen Mennoniten, Juden, Protestanten, Katholiken…. Angeblich war es ein Ort, an dem alle vertretenen Religionen friedlich miteinander lebten. Wie wir alle wissen, geht das immer nur bedingt gut. Der Ort rühmt sich, wie schon erwähnt, der schönste Ort Frieslands zu sein. Ehrlich? Hier ist alles schön und geleckt. Ganz Ostfriesland ist der Ort, der „schöner werden soll!“. Naja, wahrscheinlich gibt es in den größeren Städten auch die ein oder andere Schmuddelecke, aber manche kleine Ortschaften sehen so aus, als würden die Besitzer von Rasenmährobotoren diesen nicht vertrauen und sich auf allen Vieren selbst darum bemühen, dass alle Grashalme auch wirklich gleich lang sind, indem sie die Spitzen abknabbern. Aber ich mag es!
Ich folgte dem Rat meiner Kurzbekanntschaft und stellte Cora auf dem Parkplatz der Touristeninformation in Jever ab. Dort fiel mir auf, dass das linke Vorderlicht wieder einmal defekt war und die Motorkontrollleuchte etwas tat, was sie nicht tun sollte: Sie leuchtete. Manchmal habe ich das Gefühl, Cora will gar nicht mehr durch den TÜV. Der Schlossturm ist derzeit eingerüstet, der Park ist sehr grün. Hier residierte Anfang des 18. Jahrhunderts das erbenlose Fräulein Maria, das verantwortlich war, dass die Fräuleinkeit Jever und somit Ost-Ostfriesland an die Oldenburger ging. Ansonsten ist Jever natürlich bekannt für sein Küppers Kölsch (kleiner Scherz), eine ansehnliche Altstadt sowie eine Mühle (leider habe ich den Rekordtitel dieser Mühle nicht herausfinden können). Auch hier im Park gab es Pfaue und ich konnte ein älteres Paar beobachten, das mit gezückten Kameras sehr lange einen dieser Vögel fixierte. Als es auf dem Rückweg immer noch so dort stand, meinte ich, man müsse schon Paarungsbereitschaft signalisieren, damit ein Rad geschlagen wird. Ich weiß selbst nicht, warum so ein Unsinn manchmal aus mir herauspurzelt, aber der Mann beschied mir, ich sei unverschämt.
Mit sehr vielen Eindrücken versehen machte ich mich auf den Weg zurück zu meinem Feriendomizil. Just bei Ankunft verirrten sich auf einmal Sonnenstrahlen durch die dichte Wolkendecke. Ich fühle mich leicht verhohnepipelt. Aber so saß ich, wenn auch mit Jacke, auf dem Balkon und konnte meine ersten Eindrücke des Tages herunterschreiben. Wie schon die letzten drei Abende fährt auf dem Parkplatz ein Mädchen ohne Unterlass mit Skates im Kreis (was wegen der Pflasterung geräuschtechnisch etwas zermürbend ist) und ich hoffe sehr, dass sie – sollte sie mit ihrer Familie länger in der Siedlung verweilen – hier eine Ulaubsliebe findet (damit die anderen Feriengäste Ruhe haben). Die Chancen stehen bei ihr jedenfalls höher, als bei mir, wie ich befürchte.
Nachdem ich mich daheim ein wenig sortiert hatte und draußen die Sonne schien, als sei nix gewesen, beschloss ich, auswärts zu essen. Liebe Kinder, passt gut auf, Ihr lernt jetzt was. Käthe&Karl: Haben Sie ein Plätzchen für mich frei? Oh, wie schade. Kann ich morgen kommen? Das glockenhelle Lachen hörte man bis in die Alpen. Pizzeria Santa Maria: Tischchen? Und morgen? Ridi, Pagliacci, HAHAHA! Man muss halt schon im Winter wissen, wo man im Frühjahr essen möchte. Durch die Bäume erspähte ich eine Terrasse direkt am Siel. Sollte das etwa ein Restaurant sein? Es sollte. Namens „Am Kamin“. Die Speisekarte verhieß nichts gutes. Aber es gab Barre-Pils vom Fass und viel Platz und einen schönen Blick. Das Servicepersonal war lustig und trotz der Umstände (man hatte nicht damit gerechnet, dass man die Terrasse aufmachen könne und war ein wenig im Brass) freundlich. Und große Überraschung: Der Fisch auf meinem Lotsenteller war saftig, die Bratkartoffeln zwar nur lauwarm, aber lecker und die Rémoulade möglicherweise sogar hausgemacht (oder ein sehr gutes Conveniance-Produkt). Als ich den Fisch lobte, wurde mir beschieden, in der Küche stehe eine relativ neu angeworbene Portugiesin, man sei so glücklich mit ihr! Ich stimme dem einfach mal zu.
Also, insgesamt ein eher nebelfeuchter Tag, aber ich habe wieder so einiges entdeckt und bin guter Dinge, was den morgigen Tag angeht. Ostfriesland vive, vive Ostfriesland!
Liebe Grüße, Euer
Wie, mein Blog gefällt Euch nicht!? Ich bin doch nicht Euer