Ihr Lieben,
in der Nacht fing es an zu regnen. Den ganzen Tag über hat es dann getröpfelt, mal mehr, mal weniger und mal viel mehr. Die Terrasse war zum Frühstück geschlossen, also wurde das Chaos im Speisesaal von gestern heute noch getoppt. Man hatte zudem beschlossen, den zweiten Kaffeeautomat wieder stillzulegen. Das war eine ziemlich dumme Idee, denn nun ging die Schlange an der einzig arbeitenden Maschine ungefähr bis Palma Flughafen. Die Reihe der um Einlass in den Frühstücksraum bettelnden Hotelbewohner wurde ebenfalls lang und länger, doch leider war nicht genug Platz für alle da. Ich war kurz versucht, zum Hotelmanager zu gehen, um meine Dienste als Organisator anzubieten. Dann fiel mir ein, dass ich in Urlaub bin. Aber so eine Arbeit würde mir möglicherweise Spaß machen.
Erika und ich tranken zum Abschied ein Glas Sekt zusammen, dann fielen wir uns tränenüberströmt in die Arme. Ihr Flieger ging zwar erst gegen Mittag, aber wegen des Wetters wollte sie nicht mehr großartig etwas unternehmen. Ich beschloss, den Vormittag im Miró-Museum zu verbringen, das in Cala Mayor in den Räumen seines hiesigen Ateliers eingerichtet wurde. Leider war ein Teil der Ausstellung geschlossen, da umgebaut wurde. Aber man bekam einen kleinen Eindruck von seinem Schaffen, zudem waren die Werkräume zur Besichtigung freigegeben. Sehr viele Schulklassen waren vor Ort und ich war positiv überrascht, wie begeistert die Kinder über die Erläuterungen zu Mirós Kunstwerken waren; sie stellten Fragen, drängten sich, etwas sagen zu dürfen. Ein Traum für jede Lehrerin und jeden Lehrer.
Im in der Nähe liegenden königlichen Sommerpalast, dem Palacio Marivent, gibt es im Park noch eine Skulpturenausstellung von Juan Miró, aber natürlich ist dieser ausgerechnet in in der Karwoche geschlossen. Dabei wäre ich gerne durch die königlichen Gärten gelustwandelt. Oder heißt es möglicherweise lustgewandelt? Immerhin habe ich das mit der Schließung vor Ostern zuerst nicht begriffen und kann jetzt behaupten, ich hätte bei Königs geklingelt. Leider hat noch nicht mal ein Butler oder eine Haushälterin reagiert. Lustig wäre es gewesen, wenn Felipe selbst…. Ach herrjeh, ich schweife wieder ab.
Ich musste kurz ins Hotel zurück, denn ich unterlag dem Irrtum, dass Regen direkt auch Kälte bedeutet, das war ein Fehler. Ich war viel zu dick angezogen. Dann ging es wieder rein nach Palma de Mallorca, denn ich hatte Befürchtungen, dass an Gründonnerstag und Karfreitag dort alles geschlossen sein könnte. Stichwort Religiosität. Und ich wollte noch unbedingt in die Fundació Juan March sowie ein paar kulinarische Mitbringsel in den Markthallen einkaufen. Und bevor hier jetzt jemand falsche Hoffnungen hegt… ich meinte Mitbringsel für mich selbst.
Die Familie March habe ich ja schon einmal vor ein paar Jahren „vorgestellt“. Mögliche Folge des schlechten Gewissens über ihren zweifelhaften Reichtum sind zahlreiche karitative Aktivitäten und künstlerisches Mäzenatentum. Der Eintritt in die Villa March in der Sankt-Michael-Straße ist daher frei. Es finden sich 22 Säle mit je einer Handvoll Objekte moderner spanischer Künstlerinnen und Künstler. Klar, Dalí und Miró, aber auch eher unbekanntere Artisten. Ein Paar Stücke sind wirklich sehenswert.
Die Markthallen waren natürlich so spät wieder wie ausgestorben. Ab Mittag nämlich schließt ein Lädchen nach dem anderen. Ich konnte trotzdem noch etwas mallorquinischen Käse und Wurst erstehen. Und ein bisschen konserviertes Meeresgetier. Und natürlich teile ich das doch. ¡Atención! Spanisch-Kurs: Dienstag müsst Ihr mir helfen. Denn eine ganze Sobrasada schaffe nicht einmal ich 🙂
Um halb Acht machte ich mich dann auf zur „Haltestelle des Meeres“, la Parada del Mar. Ich war sehr gespannt, ob meine Ein-Mann-Reservierung auch im System gelandet war. Aber beim „13%“ hatte es ja auch geklappt.
Also, ich war completamente überfordert. Als ich ankam, stand schon eine riesige Schlange vor der Tür, darunter sehr viele Asiaten, die sich in kurzen Abständen quasi verdoppelten und vordrängelten. Irgendwann fragte jemand aus der Menge, wie viele Familienmitglieder denn noch zu erwarten wären, schließlich hätten ja alle Reservierungen. Hm. Gottseidank kam das von Spaniern. Nun gut, irgendwann war ich mal dran und wollte den Fischvariationsteller ordern. Nee, sorry, das ginge nur zu zweit oder mehr. „Und jetzt?“ – “ Sie zeigen jetzt in der Theke auf das, was Sie essen möchten, dann wird das abgewogen, zubereitet und Ihnen gebracht. Vorher müssen sie aber noch zur Bar, um etwas zu trinken zu bestellen“. Ich fühlte mich zuerst wie in einer Systemgastronomie, etwas unwohl und zeigte einfach auf Boquerones, Chipirones und Mejillones. An der Bar fragte ich nach einer Flasche Rosé, und wählte den hellsten. Später merkte ich, es war auch der teuerste. Ich habe scheinbar einfach einen guten Geschmack!
Es war also ein bisschen wie McDonalds für Reiche. Aber als ich erstmal saß, wurde es zu einem Erlebnis! Man brachte mir die ausgewählten Fischchen und Muscheln, kredenzte mir den Wein und umsorgte mich wie König Felipe persönlich. Alles war sehr lecker, die Kellnerinnen und Kellner waren aufmerksam, die Stimmung im Laden war fantastisch. Ich fragte nach einer Nachspeise, und bekam quasi Klassiker heruntergebetet. Brownie, Banoffiepie, Karottenkuchen… ach du je, dachte ich. Lauter Fertigzeug. Und krähte bei Karottenkuchen, „Ja, den nehme ich“. Leute, ich würde für das Rezept töten! Man klärte mich später auf Nachfrage auf, alles sei casera, hausgemacht. Mir wurde noch ein Amazonas-Cortado empfohlen, danach schwebte ich glücklich nach Hause, mit dem Wissen, dass ich wieder unglaublich preiswert und gut gegessen hatte. Amazonas ist übrigens ein mallorquinischer Rum.
Ich hielt Erika, die mit Verspätung Richtung Heimat unterwegs, aber inzwischen zumindest in Köln angekommen war, über jeden einzelnen Bissen auf dem Laufenden. Nicht, um sie zu ärgern, nein. Denn wir haben sofort beschlossen, dass wir die Gartenparty-Gruppe*) dazu zwingen, mit uns wieder auf die Insel zu fliegen, nur um dort drei Tage am Stück zu essen.
Morgen ist eine der größten Büßer-Prozessionen des Landes in Palma. Ich überlege ernsthaft, mir das anzutun. Also, als Zuschauer, nicht als Büßer. Hab ja meines Wissens nix Schlimmes gemacht. Wetten werden dennoch angenommen. Seid also auch morgen wieder dabei, wenn es heißt: „Was er wohl dann wieder alles in sich reinstopft!“. Aber im Ernst. Die spanischen Inseln sind das reinste Schlemmerparadies! Ich fahre auch gerne mit den Ibizas, den SOKODOKOs, der Spanischgruppe oder den Eselleuten hierher 🙂 *)
¡Hasta manana, Queridos! Euer Gerry
*) Fragen Sie Ihren Autor oder Schriftsteller….
P.S.: Regentropfenprelude. Ich erwähnte 2019 bereits, dass Chopin dieses großartige und dennoch minimalistische Werk auf Malle komponierte. Er und George Sand verbrachten einen kalten und regnerischen Winter hier. Nicht lange danach, etwa 9 Jahre später, wie ich meine, ist Chopin gestorben. Also Achtung vor mallorquinischen Regentagen.
Habe bisher alle Deine Reisen virtuell mit großem Lesevergnügen begleitet,
und nun war ich selber für kurze Zeit ein Teilchen Deines „Blogs“.
Lieber Gerry, es war einfach nur schön! Eri und Gerry in Malleland 🙂
Hab noch einen schönen Abend (grüß den „bekloppten Österreicher“ von mir :-D),
morgen noch einen schönen Urlaubsausklang und gute Rückreise!
¡Cuídate y hasta pronto!
Liebe Erika, ich fand Deine Begleitung sehr schön. Gerne wieder. „Was ist mit Ihrer Frau?“, wurde ich gefragt. „Die ist gestern schwimmen gegangen und nicht wieder aufgetaucht…“. Diese Gesichter… 🤣