Ihr Lieben
heute gibt es ja eigentlich nicht rasend viel zu berichten… Morgens habe ich gefrühstückt, meine Plünnen zusammengesucht, die Endabrechnung beglichen und mich von Yaniris und Xenia verabschiedet. Ich durfte bis 13 Uhr, da musste ich mich zur Busstation aufmachen, noch in der Casa bleiben. Zusammenfassend war das Haus eine gute Wahl! Es hat Charme, die schöne Terrasse, es gab exzellentes Frühstück und ist zentral gelegen. Yaniris und Xenia waren bezaubernde Gastgeberinnen.
Die Zeit bis zur Abfahrt nutzte ich für einen letzten Spaziergang durch Trinidad. Davon ein paar Eindrücke: Die Eisdiele hat heute eine Sorte, die aus einem Eimer kommt, der Geldautomat scheint gefüllt zu sein, das Theater noch nicht besucht, das Fitnessstudio um so mehr und der Devisensupermarkt lässt kaum Wünsche offen. Kubanische Lebensmittelmarken helfen hier aber nicht weiter.
Bei den Viazules gibt es, wie bei uns am Flughafen, Check-in-Zeiten. Wennste zu spät bis, is der Platz wech. Also hängt man theoretisch eine gute Zeit lang in der Wartehalle rum. Theoretisch. In Kuba läuft das anders. Da es eine Reservierungspflicht gibt, weiß man vor Ort ja, ob schon alle da sind. Und wenn das so ist, fährt man auch einfach mal 40 Minuten eher los. Jippieh!
Wir hatten mehrere Stopps, Sancti Spíritus, Ciego de Ávila, Florida, dazu einen Alle-Aussteigen-und-Pizza-Essen-Halt in Jatibonico. Was die Betreiber wohl für dieses Privileg blechen? Drei Autobuses Nacionales versammelten sich da. Die Pizza sah äußerst befremdlich aus, mit fast knallrotem Teig und ein paar Sprenkeln Käse drauf. Eher wie Foccacia.
Der Bus war zwar nicht voll, aber einige Sitze hingen ziemlich in den Seilen. Ich fand mich zuerst vor einem Mann wieder, der aber ohne Unterlass Texte in sein Handy kloppte. Mit angeschaltetem Tastenton!! Kreisch!!! Wer macht denn sowas? Ich wechselte, um schräg hinter mir eine Dame zu haben, die im Fünf-Minuten-Rhythmus die Nase hochzog. Nach einer halben Stunde beschloss ich, sie zu töten. Dann fiel mir ein, dass mein Knast vielleicht keine Brauerei ist und reichte ihr ein Taschentuch. Siehe da, sie brauchte es und schien sehr dankbar. Manchmal lösen sich Probleme einfacher als gedacht.
Die Landschaft war karger, als auf der ersten Überlandfahrt, dafür kamen wir aber durch mehrere Dörfer. Einige davon schienen auch ganz nett. Florida zum Beispiel. Aber es zog sich. Auch weil öfter mal grundlos irgendwo angehalten wurde, jemand aus dem Bus sprang, um wasweißich zu erledigen. Ich fühlte mich an Paul Winkelmanns Reise nach Italien erinnert…
Wir kamen dann zur vorhergesagten Zeit in Camagüey an. Dort war klar: Ich brauche ein Taxi. Es standen auch etwa 50 Taxistas vor der Tür. Einer sprang mich an, umklammerte mich und ließ mich nicht mehr los. Ich hatte meinen Geschäftspartner gefunden. Leider konnte er mit der Adresse so gar nichts anfangen und fragte Hinz und Kunz, wie er zu fahren habe, sowohl am Busbahnhof, als auch auf dem Weg. Mir schwante nix Gutes. Aber wir hatten ja einen Festpreis, da war es fast egal, an welchem Wochentag wir ankamen. Noch schöner war dann sein Fahrzeug. Eine Art Pritschenmofa, auf dessen Ladefläche ich mich mit Mühe und Not hievte. Er wuchtete dann mein Gepäck hinterher, zeigte seine Muskeln und strahlte wie Cäsium-137. Ich wurde in seinem Touri-Karren durchgeschüttelt wie nix, dazu lief mit 120 Dezibel kubanische Frohsinnsmusik. Auf TripAdvisor würde ich ihm wegen des Abenteuereffektes glatt die volle Punktzahl geben.
Wir erreichten lebend (das finde ich nicht selbstverständlich) die Lopez Recio 109 und meine Gastgeberin Irenia wartete schon auf mich. Sie ist sehr nett, eine der wenigen Personen auf Kuba, die ich ohne ständiges Nachfragen gut verstand. Sie zeigte mir die Wohnung und erklärte mir alles. Was soll ich sagen. Sehr schlicht und originell würde es vielleicht treffen. Groß, mit Dachterrasse, Gaskochstelle, Kühlschrank, Bett, ohne Glas in den Fenstern… Yep. Ich bin gespannt, wie viele Stechviecher sich diese Tatsache zunutze machen.
Irenia hatte mir ein paar Restaurants auf der Karte markiert, aber wo ich jetzt Milch oder Kaffee herbekäme, könne sie mir auch nicht sagen. Ich lief also erst einmal los, um Fensterlädengeschäfte (Privatpersonen, die quasi aus ihrem Wohnzimmer heraus verkaufen) abzuklappern. Ich wurde bei fast allem fündig, nur Milch gab es nirgendwo.
Ich machte mich auf in das „La Peregrina“, eines der empfohlenen Restaurants und praktischerweise direkt um die Ecke gelegen. Es sei etwas teurer, meinte meine Gastgeberin. Naja, die Schinken-Käse-Platte hier kostete nur ein Viertel von der in Trinidad. Danach noch Tagliatelle mit Shrimps, die Sauce eher aus der Tüte, und die Tagliatelle hatten erschreckende Ähnlichkeit mit Spaghetti. Aber was willst du meckern für umgerechnet 2,50 Euro?
Dafür musste man einen Stehgeiger ertragen. Das war mir zuletzt 1985 in Budapest passiert, dass sich jemand neben den Tisch stellt und sein Instrument dermaßen vergewaltigt, dass sogar das Bier im Glas ausflockte. Merke: Wenn bei einem Stehgeiger Tränen fließen, hat es oft wenig mit Rührung zu tun.
Von Camagüey habe ich natürlich noch nicht viel gesehen, aber das wird sich morgen ja ändern. Camagüey, benannt nach einem indigenen Anführer, ist ebenfalls Weltkulturerbe und wird auf Kuba Stadt der Kirchen genannt.
Geht Ihr mit mir auf Stadterkundung? Würde mich sehr freuen.
Liebe Grüße, Euer Gerry