Nil, Tag 2: Abu Simbel

Ihr Lieben,

um 3.45 Uhr klingelte der Wecker, genau meine Zeit! Das Frühstück und das Lunchpaket schenkte ich mir, duschte stattdessen übermäßig lang, um wachzuwerden. Merkposten für Warmduscher wie mich: funktioniert mit heißem Wasser nicht.

Heute also Abu Simbel. Die Tempel von Ramses II und seiner Lieblingsgattin Nefertari wurden im 12. Jahrhundert vor Christus von Erstgenanntem mitten in der Wüste errichtet, wahrscheinlich vorrangig als Protzdemonstration, aber auch, um zahlreiche Gottheiten zu ehren. Dort standen sie selig herum, bis das Staudammprojekt Formen annahm. Die Tempel mit den übergroßen Statuen (Ramses misst hier 22 Meter) mussten weichen oder untergehen. Die UNESCO schlug Alarm und man entschied sich, den Tempel in Häppchen zu zerteilen und an sicherer Stelle, u.a. mit Hilfe deutscher Firmen, wieder aufzubauen.

Das Blöde ist nur, dass man das nicht touristenfreundlich in Assuan machte, sondern 200 Meter vom ursprünglichen Standort, also 4 Stunden von unserem Schiff entfernt. Man fährt daher 8 Stunden Bus, um vor Ort anderthalb Stunden zu verbringen. Verkauft wird einem das vorher aber mit nur 5 Stunden Fahrt. Es lohnt sich aber so oder so. Außerdem schüchtern mich lange Busfahrten seit Kuba ja auch nicht mehr ein… Los ging es um 4 Uhr 30. Und der Bus war fast leer. Yeah! Dann kann ich mich ja auf der Rückbank lang machen! Aber schon nach ein paar hundert Metern stoppte der Bus wieder, der Fahrer stieg aus, quarzte sich eine nach der anderen… Wieso? Und dann kam der Grund: Eine Armee unausgeschlafener Zombies von einem anderen Schiff torkelte auf den Bus zu und belegte die ganzen schönen, freien Plätze. Und sie brachten ihren General, Reiseleiter Ihab, mit.

Eine Pinkelpause gab es in Toshka, wo mitten im Nirgendwo in 800 Metern Tiefe das Grundwasser angezapft wird, um den Boden urbar und landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Dort sahen wir einen sehr schönen Sonnenaufgang. Ein Stück weiter Richtung Abu Simbel findet sich das Projekt Palmengarten. Ein ummauertes Areal von enormer Größe, das mit Millionen von Palmen bepflanzt werden soll.

Nach etwas mehr als vier Stunden Fahrt erreichten wir das Gotteshaus. Der Busparkplatz war schon gut besucht. Vor dem Tempel des Ramses erläuterte Ihab anhand von Postkarten, auf was wir in beiden Tempeln achten sollten und dann wurde die Meute losgelassen. 90 Minuten Freizeit zur Erkundung. Also, die Anlage ist schon beeindruckend. Von außen imponieren die riesigen Statuen. Die Innenhallen sind eigentlich nicht klein, aber durch die Masse der Besucher schwer zu erkunden. Sehr sehenswert sind die Gravuren in den Kammern, reichhaltig und kunstvoll. Wenn man davon Bilder machen möchte, muss man aufgrund der Menge der Besucher ein wenig Geduld mitbringen. Ich wurde einmal angeblafft, ich sei ins Bild gelaufen. Tja, Lieslotte, war voll, was? Fazit: Sehr sehenswert, aber viel Anfahrt. Gelernt haben wir durch die Erläuterungen auch wieder einiges. Wie übrigens auch gestern von Achmed. Die Götternamen und ihre Tierzuordnungen, viel über die Seelenwanderung und die altägyptischen Vorstellungen von Leben und Tod. Die Mythologie ist rasend interessant und … äh… ja, mythisch. Gut zu erkennen in den Steinen der Tempel sind auch Gravuren à la „ich war hier“. Das ist übrigens keine Erfindung der rüpelhaften Jugend von heute, das hat selbst der ehrenwerte Herr Brehm vom gleichnamigen „Tierleben“ schon Mitte des 19. Jahrhunderts getan.

Was man über ägyptische Busfahrer wissen sollte: Sie fahren mit Schmackes auf Bodenschwellen zu, bremsen kurz davor abrupt ab, um dann wieder Vollgas zu geben. Der Fahrgast ist geschüttelt, nicht gerührt. Was man über Reisegruppen wissen sollte: Die Klimaanlage ist nie richtig eingestellt. Leider hat sich ein krakeelender „Zug“-Vogel durchgesetzt, so dass wir alle wie doof schwitzen mussten. Aber wenigstens haben wir morgen kein Halsweh.

Auf dem Rückweg hielten wir wieder an der „Raststätte“ in Toshka, wo wir zu viert für einen Euro die Toiletten benutzen durften, das hatte Willy ausgehandelt, und ich einen Guavensaft für einen exorbitanten Preis erwarb. Beim Blick in die Wüste sahen wir eine Fata Morgana, das ist auch mal interessant, aber viel weniger spektakulär, als ich dachte. Keinesfalls – obwohl heute ja lohnenswert – stehe ich aber auf dieser Reise noch einmal so früh auf, selbst wenn Tut-anch-amun höchstpersönlich die Reiseleitung übernehmen sollte.

Da wir ja Vollpension auf dem Schiff haben, gab es bei der Rückkehr selbstverständlich noch Mittagessen. Um 14.30 Uhr. Da beißt die Maus kein‘ Faden ab, wie Ihab zu zitieren wusste. War dann halt mein Frühstück. Lecker. Unsere „Crown Vision“ war inzwischen auf die Außenposition gewechselt, so dass jetzt wir durch vier fremde Schiffe laufen mussten. Dabei verschätzte sich ein Mitpassagier und hing plötzlich nach unfreiwilligem Spagat mit einem Bein im Nil. Er tauchte aber später im Speisesaal wieder auf und scheint sich nicht verletzt zu haben.

Um halb sechs tappte das ganze Schiff (ohne Crew natürlich) zum Segelbootanleger, denn nun stand eine Felukenfahrt an. Kreuzen vor der Kulisse von Assuan bei Sonnenuntergang. Das war sehr malerisch, bis zu dem Zeitpunkt, als ein Motorboot beilegte, besetzt mit enthusiastischen Crew-Mitgliedern, die Cocktails servierten und mit Tambourinen und Gesang zum Tanz aufforderten. War dann auch ganz nett. Wir dümpelten anschließend ruhig zurück zum Schiff und stiegen dort über den flussseitigen Einstieg wieder an Bord. Die Atmosphäre auf der Fahrt war trotz der Partymusik sehr stimmungsvoll. Ein schöner Abschluss für Assuan.

Morgen heißt es dann Leinen los, Richtung Kom Ombo und Edfu. Fahrt ihr mit? Wir würden uns freuen! Euer Gerry

Die Fata Morgana

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