Bosnien-Herzegowina 2025 – Tag 1: Direkt hoch hinaus

Ihr Lieben,

Der sonst hier übliche Programmpunkt fällt heute leider aus. Frühstück gab es nicht, ich hatte auch keins mitgebucht. Ich musste einfach viel zu früh raus! Das Hotel selbst ist aber wirklich schön, angefangen vom Servicepersonal, über die tolle Dachterrasse bis hin zum makellos sauberen Zimmer! Und ich hatte keinen Anreisestress (siehe die gestrige Katastrophe). Geschlafen habe ich allerdings fast gar nicht, aber obwohl mir die Gefahr des Verpennens hoch erschien, döste ich bei Vollbeleuchtung und laufendem Fernseher ein bisschen.

Der Flug war pünktlich und sehr angenehm. Es waren viele kleine Kinder an Bord, aber die Eltern hatten alles im Griff! Sogar der Mittelsitz neben mir war frei, ein Umstand der mir sehr viel Freude bereitete. Da ich in Reihe 2 saß, war ich auch sehr schnell an der Passkontrolle und aus dem Flughafen raus. Der Bus in die Stadt fährt leider nur alle 90 Minuten, wenn überhaupt, die Personen die ich befragte, waren unsicher, ob an einem Feiertag überhaupt ein Bus kommt. Ein Taxi hielt vor mir an, der Taxifahrer wollte 30 Mark bis ins Zentrum. Das erschien mir hoch und ich nahm das nächste Taxi mit einem älteren Herrn als Fahrer, der den Taxameter anschmiss. Und siehe da, mit großzügigen Trinkgeld war ich gerade mal bei 20 Mark. Mark? Hat der Gerry sie nicht mehr alle? Naja, die bosnische Währung heißt Bosnien-Herzegowinische Konvertible Mark. Von denen hatte ich mir ein paar an einem Automaten im Flughafengebäude gezogen. Und sie ist tatsächlich so viel wert wie die D-Mark.

Mein Zimmer in der Pension war natürlich noch nicht fertig, aber ich konnte mein Miniköfferchen an der Rezeption lassen und begab mich umgehend auf Stadterkundung. Mein erster Weg führte mich zur Seilbahn, die auf den olympischen Berg fährt. Da ich so früh da war, hatte ich eine Kabine ganz für mich alleine. Ich nehme es vorweg: als ich nachher wieder runter kam, stand eine schier endlose Schlange für Tickets an. Deswegen empfehlen wir dringend, den 6 Uhr-Flug von Köln zu nehmen!! 🤪 Oben auf dem Berg hat man eine fantastische Aussicht auf Sarajevo. Ich trank in der Cafeteria einen Kaffee, aß ein Croissant, lief in der frischen Luft ein bisschen herum (Pflichtprogramm sind ja das Olympia-Zeichen [wer war da wohl Hauptsponsor?] und die inzwischen völlig zerstörte Rodelbahn), bevor ich mich wieder auf den Weg nach unten machte. Eigentlich ist die Seilbahn nicht so schlimm, aber auf dem Rückweg hielt sie mit einem derben Ruck einmal mittendrin an, da setzt bei mir ja sofort Herzkasper ein.

Ich lief in die Altstadt Baščaršija. Ein Träumchen, insbesondere für die Liebhaber chinesischen Touristenkitschs. Aber im Ernst, es ist wirklich sehr nett da. Ich trank einen bosnischen Kaffee, der sich dadurch auszeichnet, dass in der Kaffeetasse ein Stück Lokum liegt, dass man übergießt. Das fand ich sehr gewöhnungsbedürftig, aber der Kaffee an sich ist sehr, sehr lecker, die Bosnier sind zu recht stolz auf ihren Kaffee. Dazu gab es eine bosnische Cola namens Cockta. In der Mi-tte des zentralen Platzes steht ein Brunnen, eines der Wahrzeichen von Sarajevo, an dem sich sehr viele Tauben tummeln. Körnerverkäuferinnen tragen dazu bei, dass es ein wildes Geflattere und Gewusel ist, aber die Kinder haben einen Heidenspaß. Ich selbst bin ja kein erklärter Taubenfreund! Ich lief ziemlich lange durch die Altstadt, bestimmt zwei Drittel des geführten Rundgangs, den ich gebucht hatte, hatte ich quasi schon vorher absolviert. Sarajevo ist wirklich nett, ich war – glaube ich – in einer Karawanserei, habe von außen Kirchen und Moscheen besichtigt; es gibt sehr viele schöne alte Fassaden, es gibt aber natürlich auch den sozialistischen Klotzbau. Immer wieder erhascht man, wenn man in die Gassen schaut, einen Blick auf die Sarajevo umgebenden Berge, es gibt mehrere Parks und andere Grünflächen, es ist schon sehr schön hier. Begünstigt wird dieser Eindruck natürlich durch das perfekte Wetter.

Kurz bevor meine geführte Stadtbesichtigung losging, gönnte ich mir ein Bier in der Sonne. 4 Mark der halbe Liter! Gaaaanz wunderbar!

Die Stadtführung war dann etwas ausführlicher als meine eigene Erkundungstour, vor allen Dingen untermalt mit hilfreichen Erläuterungen. Die Führung war sehr dünn besetzt, es hatten sich sehr viele Menschen angemeldet, es sind aber mehrere einfach nicht erschienen. Für den Rest der Truppe war das natürlich ein Vorteil, sie hatten mehr von Kenel, dem geschichtlich, ethnologisch, sprachlich und religionswissenschaftlich sehr bewanderten, sehr jungen Mann. Er sprach sehr schnell und fließend Englisch, aber ich kam ganz gut mit. Ich habe die kleinste, die größte, die älteste, die neueste, die wichtigste, die interessanteste Moschee, die kleinste, die größte, die älteste, die neueste, die wichtigste, die interessanteste Kirche etc pp gesehen, viele Informationen zum bosnischen Krieg und der Belagerung Sarajevos als auch zu den Umständen des Attentats, das zum ersten Weltkrieg führte, erhalten. Wir lernten, wann und wo wer was gebaut hat, besuchten das Judenviertel, schauten einem Kupferschmied bei der Arbeit zu, bekamen Anekdoten und Gespenstergeschichten erzählt, Namen von Berühmtheiten wurden uns um die Ohren gepfeffert und die Etymologie der Ortsnamen kam als Sahnehäubchen oben drauf. Ich war am Ende fix und fertig, erstens wegen der vielen, vielen Informationen und zweitens, weil ich gefühlt 30 km gelaufen war.

Sarajevo ist stark muslimisch geprägt, es gibt nicht überall Alkohol. Am Ende der Tour wurde uns eine Dachterrasse empfohlen, von der man einen schönen Blick auf die Stadt hat, dort hätte ich gerne einen Wein getrunken, aber es gab nur Kaffee und Saft. Stattdessen enterte ich einen der wenigen geöffneten Supermärkte, wenn nicht sogar den einzigen, erstand dort äußerst hochpreisigen italienischen Wein und ein paar Nüsse. Dann checkte ich in mein Zimmer ein und erfuhr, es wird Schwierigkeiten mit dem Frühstück morgen geben, denn es ist schon wieder ein Feiertag und mein Bus fährt sehr früh nach Mostar ab. Der Rezeptionist brachte Brot und Käse für den Zimmer-Kühlschrank sowie einen Wasserkocher und löslichen Kaffee. Übrigens sind alle hier in der Stadt furchtbar nett und hilfsbereit. Mit Englisch und Russisch (die paar Brocken helfen durchaus) kommt man prima zurecht.

Ich nahm erst einmal eine Dusche und suchte mir dann einen Happen zu essen. Ich ließ mich an den ersten freien Tisch fallen, der in der Nachbarschaft zu finden war, der Kellner kam und fragte „Beer and mixed grill?“, ich war dankbar für so viel psychologisches Einfühlungsvermögen und nickte nur schwach. Es war lecker (wahrscheinlich hätte ich aber auch einen Saumagen verschlungen!) und preiswert.

Ich erhaschte dann noch sozialistisches Feeling beim Anstehen in einem Supermarkt, wo ich noch Milch für den Kaffee kaufen wollte (hier nur Barzahlung!) und eierte dann zurück in die Pension.

Sarajewo? Gefällt mir. Man hat sehr viel wieder originalgetreu aufgebaut. In vielen Fassaden sieht man Schrapnelllöcher. Alle sind so nett. Die Bosniaken, die bosnischen Kroaten, die bosnischen Serben. Dennoch gibt es mehrere Kriegsmuseen, die an Belagerung, Zerstörung, Genozid erinnern. Wie konnte das passieren? Jozip Brosz, Spitzname Tito, sagte Ende der 70er „Wenn ich euch die Demokratie gebe, werdet ihr euch die Köpfe einschlagen.“. Leider hatte er wohl recht. Die Faktoren Nationalstolz, Hass auf andere und Demagogie sind aber die Gründe. Nicht die Demokratie. Das, was wir gerade bei uns wachsen und gedeihen sehen. Die gestern angesprochene Religions- und Völkervielfalt ist eine Bereicherung für „das Jerusalem des Balkan“. Aber es machte es auch zu einem Pulverfass. Hoffentlich hat „Jugoslawien“ etwas aus der Vergangenheit gelernt. Bei Vučić habe ich allerdings Zweifel.

So, morgen Tagesausflug. Seid Ihr dabei? Liebe Grüße, Euer

P.S.: Geld abheben ist mega teuer hier. Blöde D-Mark!

Ich hab die Stadt fast ganz für mich allein…

Bosnien-Herzegowina 2025: Prolog

Ihr Lieben,

dieses Jahr klappt es irgendwie nicht mit der Planung einer längeren Auszeit, daher flitze ich dieses Jahr vorerst nur ein bisschen in Mittelstreckenweite hin und her und suche mir dafür hauptsächlich Städte aus. Ich war ja letztes Jahr so positiv überrascht von Tirana, da habe ich mich jetzt auf den Balkan im weitesten Sinne kapriziert. Ja, ich weiß, Mailand und Mallorca gehören auch im weitesten Sinne nicht dazu :-). Aber Sarajevo, da geht es am Donnerstag für 3 Nächte hin, und Bukarest, da bin ich im Juni.

Ursprünglich wollte ich mit einem mir noch persönlich unbekannten Bekannten verreisen, ja, ich weiß, klingt paradox, aber der Arme ist ein Unglücksrabe und unsere verabredeten Treffen zum Kennenlernen fielen erst einer Corona-Erkrankung im Februar und sodann einem schweren Treppensturz im April zum Opfer. Der war so heftig, dass auch jetzt nicht an Reisen für ihn zu denken ist. So fahre ich mal wieder alleine. Gute Besserung weiterhin von hier aus!

Beschäftigt hatte ich mich mit Sarajevo erst kurz vor Abreise und ich war überrascht, was für vielfältige Unternehmungen möglich sind. Es ist eine geschichtlich bedeutsame Stadt, über das Attentat von 1914, die sozialistische Zeit, die olympischen Winterspiele und natürlich den schrecklichen Krieg in den 90ern hinaus. Vorher schon war Sarajevo ein strategisch wichtig gelegener Ort, gekennzeichnet durch das Zusammenleben vieler Religionen und verschiedener Bevölkerungsgruppen.

Ich werde nicht alles sehen und erfahren können, da ich auch einen gesamten Tag mit einem Ausflug nach Mostar eingeplant habe. Zudem ist zwar der Hinflug sehr früh, aber der Rückflug am Sonntag leider auch. Aber eine ausführliche Stadtführung werde ich mitmachen, womöglich Seilbahn fahren und auf Zitadellen kraxeln.

Ich schreibe dies alles übrigens in einem Hotel am Kölner Flughafen. Manche halten mich ja vielleicht für überspannt. Ach, Ihr ahnungslosen Autofahrer! Ihr unbefleckten Nichtreisenden! In Köln und Umgebung kann man keine Anreisen mehr planen; es gibt keine Pläne. Und alleine die Fahrt vom Hauptbahnhof zum Flughafenhotel hat bewiesen, dass dies inzwischen die Regel ist. Ich habe 75 Minuten gebraucht!!! In Deutz mussten alle Passagiere den Regionalexpress verlassen, ab da ging erstmal gar nichts mehr. Es fuhr NICHTS, aber auch NICHTS! Richtung Süden. Dafür gab es jede Menge kruder Durchsagen, wann welche Bahnen sich wie verspäten. Alle diese Bahnen kamen GAR NICHT! Grund: Ein (1!!!!) liegengebliebener Zug im Bahnhof und eine (1!!!!) Weichenstörung. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie es einem da mitten in der Nacht mit einem solchen Chaos ginge. Es gab aber auch tagsüber ausreichend panische Passagiere mit Koffern.

Und ich alte Schlafmütze soll um 5 Uhr früh am Gate sein! Daher habe ich das gesamte Hotelpersonal verpflichtet, mit mir im Zimmer zu verbringen und mich rechtzeitig zu wecken. Das trieb den Übernachtungspreis natürlich etwas in die Höhe und eigentlich hätten mich für das Geld auch Sänftenträger direkt nach Sarajevo gebracht… Nee, Quatsch. Aber ruft ruhig alle gegen Viertel vor 5 Uhr an und fragt, ob ich schon durch die Kontrollen bin. Dann könnte ich es immer noch schaffen, der Weg vom Hotel zur Bordkartenkontrolle beträgt 7 Minuten.

Ich hoffe, einige von Euch begleiten mich wieder virtuell, das würde mich sehr freuen! Sollte ich wider erwarten mal hier nichts posten, liegt das eher an technischen Störungen, als daran, dass ich die olympische Sprungschanze herunterraste und seitdem ununterbrochen im V-Stil über die Berge Bosnien-Herzegowinas hinwegflattere. Ach, und den Flug muss ich natürlich erwischen. 🙂

Liebe Grüße, Euer

Die Hotelterrasse ist schon ziemlich nett.

Feiertag, Frühlingsfest, Freunde, Familie

Ihr Lieben,

eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, nicht mehr als 25 gesellschaftliche Termine pro Woche wahrzunehmen, aber manchmal knubbelt es sich ein wenig. So auch letzte Woche. Ich nehme es vorweg: Wie wunderbar!

Am Ostersonntag hatte ich ein paar Freunde zum Mittagessen eingeladen, daher war ich den ganzen Samstag mit Kochen, Patissieren und Putzen beschäftigt. Als Vorspeisen gab es Dillcreme, Lachscreme und Tomatenaufstrich, dazu Brot sowie einen einfachen Salat mit Vinaigrette, als Hauptspeise Kalbsbraten (das Rezept von einer Metzgerei im Internet abgekupfert, er gelang wunderbar!) mit Kartoffelgratin und Ofengemüse und als Nachspeisen Schokomousse und Mangojoghurt. Die Gäste brachten Eierlikör, Osterlämmer und Apfeltorte vom Konditor mit, so waren wir nachher alle ziemlich vollgestopft. Das Mittagessen ging von 12 bis 23 Uhr. Ein Wermutstropfen: das Auto eines Paares wurde abgeschleppt. Ich wünschte, das Ordnungsamt wäre mal so eifrig auf unserer Raserallee!

Den Ostermontag brauchte ich zur Reha (es gingen 22 Flaschen Wein und Sekt über den Tisch) und Aufräumen. Am Mittwoch wollte sich das Kulturtrüppchen dann am späten Nachmittag zum Ehrenfelder Frühlingsfest treffen. Ja, Hustepiepen! Es zog sich zu, gewitterte, hagelte und wolkenbruchte. Wir überlegten, zu verschieben, einigten uns dann aber darauf, uns in der Stadt zu Tapas und Getränken im Lichtenberg zu treffen. Das war dann auch gut so, hatten wir doch viel Spaß.

Für den Freitag dann hatte ich mir ein Abendessen mit Mitgliedern der Namibia-Reisegruppe in den Kalender eingetragen, allein war eigentlich seitens der Anderen der Samstag geplant. Oooops. Und Samstag stand bei mir schon ein weiteres Frühlingsfest im Kalender. Wir trafen uns dann nur zu dritt am Freitag und die anderen dann doch am Samstag. Beim Italiener zerschmetterte ich ein bisschen Inventar, aber ansonsten auch das ein wunderbarer Abend, den wir in einer Bar ausklingen ließen.

Der Sonntag war dann der Familie gewidmet. Ich quälte mich mit dem ÖPNV Richtung Mönchengladbach, mein Bruder Oliver pickte mich dann aber auf einem Bahnhof unterwegs auf, weil mir drohte, einen Anschlussbus zu verpassen. Das Treffen vor Ort war etwas kurz, aber dennoch nett. Hagen hatte Far breton gemacht und Streuselkuchen zugekauft. Die Nichten mussten allerdings Punkt irgendwann wieder bei der Mutter sein, da gab es kein Pardon. Aber nicht schlimm, in zwei Wochen ist Konfirmation, da sehen wir uns alle in Duisburg wieder.

Ach, der Samstag. Tja, der fiel dann in gegenseitiger Absprache kurzfristig aus, aber ein Tag Erholung war dann auch sehr schön. Ich habe auch absolut nichts und sogar noch weniger getan. Wobei Konfusius ja mal treffend bemerkte, das Nichtstun eine spirituell mächtige Herausforderung ist.

Ich wünsche allen noch einen schönen Sonntagabend und vielleicht sehen wir uns ja ab Donnerstag in Sarajevo! Liebe Grüße, Euer

P.S.: Das Vorschaubild ist übrigens ein Wandtattoo aus dem Lichtenberg, ich mag den Spruch sehr. Genieße den Tag, gehe aus, triff Dich!

Ein Samstag in Poll

Die Rasenmähsaison im Veedel wird heute von Herrn Ingo M. eröffnet. Es schließen sich an: Peter F., Heinz R., Dietmar G., Liese P. und viele weitere Helden des gepflegten Grüns. Der Wettkampf beginnt um 8 Uhr und findet gegen 13 Uhr ein vorläufiges Ende, da das Kartoffelpüree kalt zu werden droht.

Der Wettbewerb wird ab 15 Uhr fortgesetzt, das Feld führen Helge S., Branislaw Z., Berenice L. und Gunther M. an. Es sind noch verbilligte Karten für Tribünenplätze erhältlich. Die Preisverleihung für den langweiligsten Rasen ist für 19 Uhr angesetzt.

Um 16:30 Uhr durchdringt ein ganz anderes Geräusch die Kakophonie aus Benzin-, Elektro- und Handrasenmähern. Nanu? Ist da eins der Geräte defekt? Ich schaue aus dem Fenster und sehe Tabea D. mit einer Kettensäge durch die Gärten des Hofes laufen.

Sie wird doch wohl nicht jetzt Grünschnitt machen wollen? Aber nein, sie läuft schreiend auf ihren Nachbarn Jochen K. zu, den Besitzer des AMG unter den Mähern. Aber was macht sie denn da? Ach herrjeh. Seine Schreie mischen sich mit ihren, Blut, ich schaue entsetzt weg. Der Rest ist Schweigen. Die Preisverleihung fällt aus.

Mallorca 2025: Der Epilog

Ihr Lieben,

klar gibt es noch einen Epilog. Aber nur einen ganz kurzen.

Das Hotel in Can Pastilla war gar nicht schlecht. Für einen längeren Aufenthalt würde ich es vielleicht nicht nehmen, aber es war deutlich ruhiger als im Es Bauló, moderner und das Frühstück ausgezeichnet (Omelett-Station!!!). Nur halt mit deutlich kleinerem Zimmer. Missversteht mich bitte nicht, ich mag türenschlagende und alles-im-Speiseraum-befindlich-umrennende und laut kreischende Kinder, aber eben lieber, wenn sie mir von der anderen Seite des Globus aus zuwinken. Dann geht mein Herz auf. Wirklich! Dafür stieg der Altersdurchschnitt im fast menschenleeren Speisesaal in Can Pastilla auch sprunghaft um 40 Jahre. Vielleicht, weil die Ballermänner noch verkatert auf ihren Zimmern hockten. Oder sie feierten noch, ¿quién sabe?

Wie vorausgesehen, war ich in 0,nix am Flughafen (wieder viel zu pünktlich), konnte da eine letzte Anna C. trinken (stil- und stiellos aus dem Pappbecher!) und landete pünktlich in Düsseldorf. Haben sich die zusätzlichen 22 Euro für die Beinfreiheit gelohnt? Ja, ich finde schon. Eurowings ist auf den Normalsitzen inzwischen unterste Liga, da sind selbst bloße zweieinhalb Stunden eine Tortur. Sogar der mittlere Sitzplatz war frei, so konnte ich mich noch breiter machen, als ich ohnehin schon bin. Einziges Manko: Der Kaffee hatte die Temperatur, die der Prosecco gerne hätte haben können.

Vor mir saß eine Dame mittleren Alters. Beate war ihr Name. Sie unterhielt in unglaublicher Lautstärke ihre Sitzreihe und alle in 20 Metern Umgebung. Ohne Punkt und Komma purzelten Weisheiten zu Kindererziehung, den richtigen Wanderschuhen und die Vielfältigkeit von Sauerteig aus ihr heraus. Ich stöpselte mich mit Ohrstöpseln zu; allein, die Stimme war zu durchdringend. Am Schluss flötete sie dem schweißgebadeten Paar neben ihr zu, wie nett sie die Plauderei gefunden hätte. Manche Menschen merken irgendwie nix.

Also, es war, wie schon geschrieben, eine sehr nette Reise. Ich denke aber, ich muss jetzt auch mal anderen Inseln eine Chance geben. Oder zukünftige Malle-Reisen auf Palma beschränken. Menorca soll auch sehr schön sein.

Bis bald, Ihr Lieben und viele Grüße von Eurem

Mallorca 2025 – Día 7: Mein Draht zu den Heiligen

Ihr Lieben,

es gab Unwetterwarnungen für gestern und heute. Geregnet hat es zwar, aber wohl nicht so stark, wie vermutet. Auf jeden Fall ist es draußen nass und kalt und ich beschloss gestern noch, nicht nur den Tag in Palma zu verbringen, sondern auch Sancho zu seinem Stall zu bugsieren und die letzte Nacht in einem flughafennahen Hotel zu nächtigen. Ich stand früh auf, um mehr Zeit zu haben und musste mein Frühstück daher in einem völlig überfüllten Speisesaal einnehmen, da das Hotel voll sowie die Terrasse gesperrt waren und offensichtlich auch alle anderen mehr vom Tag haben wollten. Vorm Eierstand gab es epische Kämpfe und ich sah mich schon am Kleinkindtisch sitzen, als ein anderer Platz frei wurde. Puh!

Dann wurde gepackt, gespült (die Küchenzeile gehört leider nicht zur Zimmerreinigung) und ausgecheckt. Die Fahrt zurück dauerte etwas länger als gedacht, es staute sich hier und da. Aber es regnete ja auch. Die Wagenrückgabe war dann einfacher als erwartet, vor mir gab es zwar Ärger wegen angeblich vorher nicht vorhandener Kratzer (und ich ahnte schon Schlimmes), aber bei Sancho gab es nichts auszusetzen.

Nun hätte ich mich mit dem Mietwagen-Shuttlebus zum Flughafen fahren lassen und von dort aus den Regelbus nach Can Pastilla nehmen können, aber laut Google Maps gab es auch in der Nähe eine Buslinie, die mich zu meinem Hotel bringen würde. Zu der musste ich nur ein bisschen laufen und den meist befahrenen Kreisverkehr der ganzen Insel überqueren. Das Bushaltestellenschild sah sehr alt und verwittert aus, das beunruhigte mich ein wenig, aber nach kurzer Zeit kam der Bus aus der Gegenrichtung, das beruhigte mich wieder. Bei mir tat sich leider nichts, dass beunruhigte mich ein wenig. Es gesellte sich ein anderer Passagier zu mir, das beruhigte mich erneut. Es passierte nichts, das beunruhigte mich ein wenig… ich mache es kurz (zu spät), der Bus kam und brachte mich in einer Viertelstunde in den Ort, ich musste nur noch 200 m zur Unterkunft laufen. Ich war eine Stunde zu früh, bekam aber dennoch mein Zimmer. Das Hotel ist entweder neu oder super renoviert, sehr sauber, aber das Doppelzimmer winzig klein. Ich denke, hier wurden schon Ehen ruiniert. Selbst Romeo und Julia hätten sich auf so kleinem Raum nicht mehr lieb gehabt. Ich strich mir mit angefeuchtetem Finger über die Augenbrauen und machte mich auf in die Stadt, wieder mit dem Linienbus.

Ich war gerade an meiner Haltestelle angekommen, da fing es an zu regnen. Egal, ich bin ja nicht aus Zucker. „Das wollen wir mal sehen“, antwortete der Himmel. Und es fing an zu schütten! So sehr, dass ich mich unterstellen musste. Bin nämlich doch aus Zucker! Ich beobachtete, dass der Regen in Wellen kam; ich berechnete den perfekten Moment, um loszulaufen, befand ich mich doch kurz vor der Kathedrale. Da, da war doch der Moment! Klatschnass kam ich an der Kathedrale an, ich kann nämlich gar nicht rechnen. Gottseidank kann man ja fast alles online buchen. Ich erwarb unter dem Schirm des Einlasswächters eine Eintrittskarte und war ruck-zuck im Trockenen. Ich mag die Kathedrale, aber für ein mehrstündigen Aufenthalt ist auch sie nicht geeignet. Ich spendierte dem heiligen Bernat daher eine Kerze und bat um besseres Wetter. Es funktionierte. Als ich die Kirche verließ, war es, als wäre nichts gewesen! Spooky!

Ich lief ein bisschen herum, enterte auf dem Passeig del Born ein freies Tischchen und spendierte mir ein Bier. Irgendwie hatte ich da den ersten wirklichen Urlaubsmoment. Nix mehr vor, die Sonne schien, ich saß bei einem kühlen Bier draußen. Da beschloss ich, meine restlichen Pläne für den Tag zu stornieren. Kein Shopping, keine Museen, keine Sehenswürdigkeiten. Nur sitzen und glotzen. Und ziellos durch die Altstadt laufen, um wieder zu sitzen und zu glotzen. Das ist der Vorteil, wenn man einen Ort gut kennt und nicht das Bedürfnis hat, so viel wie möglich erkunden zu müssen. Wunderbar!

Am Abend kaufte ich an der Plaza España ein paar Empanadas und fuhr von dort aus mit dem sehr vollen Bus zurück ins Hotel. Dort sitze ich jetzt auf dem Balkon, krümele alles voll und habe Ausblick. So verlockend es klingt, quasi in einer Pinie zu hocken… Häuser und Himmel zu sehen, spricht mich doch mehr an.

Beim Frühstück heute plauderte mich ein Pärchen vom Nachbartisch an (wir hatten uns ein paar Tage zuvor schon einmal unterhalten), wir quasselten so vor uns hin, und als ich erzählte, dass ich eine Nacht eher abreise und den Wagen einen Tag zu früh zurückgäbe, war das Entsetzen groß: „Aber das ist doch schon alles bezahlt!“. Tja, ich bin heilfroh, morgen früh keinen Anreise-, Wagenrückgabe- und durch die Gegendumherirrereistress zu haben, das sind mir die paar Euro wert. Abgesegen davon habe ich ja Benzin für die Strecke zurück und wieder hin gespart. Apropos Benzin: Die große Repsol-Tankstelle am Flughafen bietet noch Betankungsservice. Mein Tankwart bekam sich gar nicht mehr ein vor Freude, als ich spanisch mit ihm plauderte. Über seine Komplimente bekam ich mich dann vor Freude nicht ein. Ihr seht, Sprachenlernen verbindet.

So, das war wieder eine sehr schöne Reise, Palma war der krönende Abschluss, ich mag die Stadt sehr gerne, selbst, wenn es regnet. Ich habe mich sehr über Eure Begleitung gefreut, über die vielen Glückwünsche und die Nachrichten und Kommentare bei Signal und auch hier. Schon in Kürze werde ich wieder einen Kurztrip unternehmen und nach Sarajewo fliegen, diesmal in Begleitung. Vielleicht seid Ihr dann ja wieder mit dabei. Liebe Grüße und hasta la proxima vez, Euer

P.S.: Bosnisch spreche ich jetzt noch nicht, aber ich habe ja noch zweieinhalb Wochen Zeit.

P.P.S.: Der Autor wartet in der Pampa – mal mehr, mal weniger beunruhigt – auf den Linienbus:

Mallorca 2025 – Día 6: Gerry in der Unterwelt

Ihr Lieben,

gestern erreichten mich noch ein paar mehr Glückwünsche, es reicht jetzt sogar für anderthalb Jahre! Eine meiner Freundinnen hat sich gar nicht gemeldet, aber sie gratuliert mir auch gerne mal spontan im September oder im Februar, was ich dann immer ganz erheiternd finde. Persönlich habe ich meinen Büro- und meinen Freizeitkalender verknüpft, was dazu führen soll, dass ich keinen Geburtstag vergesse, aber natürlich verpenne ich dennoch dauernd, rechtzeitig zu gratulieren.

Das Wetter bei den meisten virtuell Mitreisenden ist bekanntlich inzwischen besser als hier, daher galt es, mich wegen der erhöhten Regenwahrscheinlicheit anzupassen. Also wieder lange schlafen (als wäre das eine Herausforderung für mich! HAH!) und lange frühstücken. Ich muss das Hotel an dieser Stelle mal loben. Sie legen wirklich bis zum Ende der Frühstückszeit immer nach. Fünf Minuten vor Schluss ist fast alles noch da. Heute gab es sogar Sekt und Churros mit heißer Schokolade, nur war Sekt wegen der Fahrerei tabu und Churros sind mir morgens dann doch ein bisschen too much. Aber wo war ich? Ach ja, Anpassung. Wenn es regnen soll, muss man sich unterstellen. Gestern halt hoch hinaus, heute einfach mal in die Unterwelt. Yes, we can-can!, würde Offenbachs Orpheus rufen.

Es gibt auf Mallorca wirklich erstaunlich viele touristisch erschlossene Höhlen (selbst in dem Kaff, wo Elke und ich 2016 wohnten, Genova, gab es welche), aber die Cuevas del Drach sind wohl die bekanntesten und größten. Im Internet waren für heute alle Zugangszeiten von 10 bis einschließlich 12 Uhr schon vergeben, daher buchte ich einen Einlasstermin aka „time slot“ für 13 Uhr. Google bemaß die benötigte Fahrtzeit mit einer dreiviertel Stunde. Ich fuhr anderthalb vorher los und war dann etwa 20 Minuten vor Start vor Ort. Es verteilten sich schon viele Besucher auf dem Gelände, ich hingegen hatte im Reiseführer gelesen, dass man, wenn man später noch in den Genuss einer Bootsfahrt kommen wolle, bei der musikalischen Vorführung am Martell-See (so heißt das Gewässer in der Höhle) ganz vorne sitzen solle, damit man nicht ewig Schlange stehen muss.

Als es dann los ging, stand dann hinter mir auch eine ellenlange Schlange. Ich konnte gar nicht abschätzen, wie viele Hundertschaften das waren. Wir folgten einer viersprachigen Dame, die aber nichts erläuterte, sondern nur voranschritt und Ver- und Gebote aufsagte. Nix anfassen, keine Blitzfotografie, keine Münzen irgendwo hinwerfen und dergleichen. Die Höhle musste dann für sich selbst sprechen. Und ja, sie ist schon eindrucksvoll. Ab und zu pausierte der Besucherlindwurm, um Fotos machen zu können. Und dann und wann passierte man weitere Mitarbeiter der Drachenhöhle, die einen auf Stufen oder rutschigen Untergrund hinwiesen. Ja, und so sieht das dann innendrin aus:

Irgendwann gelangt man zu dem mit Superlativen geschmückten Martell-See. Größter, tiefster, schönster… ob das alles stimmt? Eine riesige Tribüne stand bereit und der Lindwurm verteilte sich darauf. Und verteilte sich. Und verteilte sich. Und… ach, ich sehe, ihr habt begriffen. Jetzt kommt das unvermeidliche Gemotze. Man läuft ein paar hundert Meter, setzt sich dann hin und wartet dann 20 Minuten, bis das Schlangenende auch sein Popöchen hingepflanzt hat. Es folgt eine fünfsprachige Litanei. Es gäbe ein traditionelles Konzert mit klassischer Musik, die Musikanten seien echt, man dürfe nicht filmen und fotografieren etc. pp. Und dann kommt ein Bötchen reingepaddelt, auf der 4 Musiker:innen sich sehr viel Mühe geben, sich bei Albinoni, Puccini, Gardel und Offenbach auf der schwankenden Barke nicht zu verhauen, begleitet von zwei illuminierten anderen, aber leeren Booten. Und nein, der Offenbach war nicht aus der Unterwelt, sondern aus den Erzählungen Hoffmanns. Es gibt verhaltenen Applaus nach jedem Stück. Wenn das Konzert zuende ist, folgen die Anweisungen zum Verlassen der Höhle, wieder in fünf Sprachen. Entweder über eine Brücke am rechten Rand oder mit Boot am linken Rand. Der Gerry war dann der erste in Boot 2 und durfte ganz vorne sitzen. Ob man’s braucht? Ach jeh, ich weiß nicht, man fährt etwa 2 oder 3 Minuten. Ein paar Dutzend Stufen hoch, da warten dann die Souvenirs und das Tageslicht. Hat es sich gelohnt? Naja, das war schon nett. Die Höhle ist toll, das Drumherum ein wenig aufgeplustert.

Da ich nun schon in Porto Cristo war, schaut ich mir dort den Hafen an. Eine Fressbude nach der anderen, sah aber alles okay aus, schien nur etwas hochpreisiger als bei uns im Norden. Bekannt ist der Ort auch für seinen Perlenvertrieb Majorica sowie diverse Safari- und Pappmachéedinoparks. Für Urlaub mit Kindern bestimmt ein guter Ort. Als es anfing zu regnen, verabschiedete ich mich.

Ich googelte nach Mühlen und fand eine vor und eine in Manacor. Beide waren leicht zu finden und gut restauriert und so konnte ich diesen Programmpunkt auch auf erledigt setzen. Und da ich nun schon einmal in Manacor war, schaute ich mir das natürlich auch noch an. Ein spanisches Städtchen ohne viel Tourismus, dafür haufenweise Volk auf den Plazas, wo Familien sich zu halben Picknicken versammelten. Soll heißen, sie saßen zwar an Restaurantischen und bestellten dort Getränke, aber hatten alles sonstige in Frischhaltedosen dabei. Manacor hat eine interessante Kirche im gotischen Stil, fast schon eine Kathedrale. Leider war sie geschlossen und bis 17 Uhr 30 wollte ich dann nicht warten. Ich fuhr eine neue Strecke zurück nach Can Picafort und hatte die Straße fast für mich alleine. Es ist total schön, zwischen den Steinmauern entlangzugleiten. Alles blüht hier wild und bunt, Mohn, Butterblumen, irgendwas blaues. Sehr schön. Und dazu rosa blühende Bäume. Für Mandeln ist es ja eigentlich zu spät, oder?

In Son Bauló angekommen, gönnte ich mir den morgens verpassten Cava, da es aber tröpfelte und frisch war, hielt ich es draußen nicht allzu lange aus und zog mich in Studio zurück. Dort nahm ich eins meiner berühmten „Nur-mal-kurz-hinlegen“-Schläfchen, was gerne auch mal anderthalb Stunden dauern kann.

Inzwischen habe ich ein paar Mückenstiche, die mich ganz schön zwirbeln. Auch wieder an so ätzenden Orten wie in der Kniekehle. Dabei renne ich den ganzen Tag mit langer Hose rum.

Morgen soll das Wetter sich weiter verschlechtern und aus dem Tröpfeln soll Regen werden, daher habe ich beschlossen, nach Palma zu fahren, da man in der Stadt ja auch mal ins Museum oder in ein Café ausweichen kann. Außerdem kann man ja nicht nach Malle fliegen und Palma nicht besucht haben. Kommt Ihr mit? Prima, dann sage ich mal, bis morgen! Liebe Grüße, Euer

P.S.: Es empfiehlt sich immer, eine Markierung über den Stellplatz des Mietwagens in Eurem Handy-Navigator einzugeben. In Manacor kam ein völlig aufgelöstes Paar an mir vorbei, die ihr Auto nicht fanden und sich gegenseitig anpampten. Das ist aber auch wirklich Mist. Zumal in Manacor alle Straßen auch noch irgendwie gleich aussehen.

Mallorca 2025 – Día 5: Es geht immer nur bergauf

Ihr Lieben,

das Hotel hat kräftig Zuwachs bekommen, haben etwa die Osterferien begonnen? Es ist auf jeden Fall sehr trubelig neben und unter meinem Zimmer. Auch beim späten Frühstück ist es voller als gestern, aber immer noch die beste Wahl, wenn man Kaffeebecher und Spiegelei halbwegs ungefährdet zum Tisch balancieren möchte.

Heute stand Pollença auf der Speisekarte, das ist nicht so weit weg und ich war da auch noch nicht so oft. Bei der Suche nach einem Parkplatz hatte ich Glück, ich musste nur dreimal um den Block fahren, bis jemand mir den seinen übergab. Es tröpfelte, als ich ausstieg. Grmpft! Ich lief über die Plaza Mayor und besuchte als erstes die Kirche Santa Maria dels Àngels, die innen sehr hübsch ist, strollte dann durch die Gassen auf der Suche nach dem Museo Dionís Bennàssar, das ich zwar fand, das aber entgegen aller Informationen geschlossen war. Ich rüttelte ein wenig an der Tür, aber auch dies half wenig… Also entschied ich mich stattdessen für sportliche Betätigung: Ich lief zum Kalvarienberg. Dort führen angeblich 365 Stufen zur Wallfahrtskapelle hoch, eine für jeden Tag des Jahres. Nächste Woche, in der Semana Santa wird hier der Bär steppen, denn da gibt es eine große Prozession. Mich kostete jede Stufe wahrscheinlich einen Tag meines Lebens, so dyspnoetisch wie ich da oben ankam. Ein Kerzchen für mein Überleben habe ich dann gerne geopfert. Deutsch, wie ich bin, habe ich die Stufen auf dem Weg hinunter akribisch gezählt. Immer von markantem Absatz zu markantem Absatz und dann die ermittelte Stufenzahl in meine Notizen-App übertragen. Ja, was soll ich sagen? Mein Jahr hat 412 Tage. Deswegen bin ich immer so erschöpft!!

Ich lief zum Kloster Santo Domingo. Hier findet man das Museu de Pollença, das bei freiem Eintritt Zugang zum Kloster ermöglicht sowie zu einer absolut wilden Sammlung von Kunstwerken. Eine große Ecke ist dem Künstler Atilio Boveri gewidmet, ansonsten findet sich moderne Kunst neben barocken Kirchenfiguren, ein riesiges Mandala neben tayalotischen Sarkophagen, Vasen neben einer (sehr gelungenen!) Videoinstallation. Mir hat das sehr gut gefallen! Beim Ausgang kann man eine Spende dalassen.

In Pollença findet gerade ein großes Fest statt, hier und da sind Bühnen aufgebaut, kleine Attraktionen für groß und klein stehen bereit. Leider verpasse ich den Start der Festa de la Diversitat, es geht erst gegen 16 Uhr los. Pollença ist sehr gut besucht, aber wie in allen anderen mallorquinischen Städten konzentriert sich der Trubel auf spezielle Plätze, so dass man auch leere Gassen durchstreifen und viel vom Charme des Ortes mitbekommen kann.

Wo der Trubel sich hingegen gar nicht verteilt ist die Landzunge nordöstlich von Pollença. Ab Port de Pollença ist hier Stop-and-Go-Verkehr. Alle Welt will zum Mirador del far de Cap Formentor. Eine mentale Herausforderung sondergleichen! Natürlich wieder Radrennfahrer ohne Ende, aber diesmal haben besonders die anderen Autofahrer mir den letzten Nerv geraubt. Zugegeben, es gibt enge Stellen, aber selbst Busse kommen ja aneinander vorbei. Dennoch bremste eine Person bei JEDEM entgegenkommenden Fahrzeug komplett ab. Erst nach 15 Minuten (entsprach dann 500 Metern) konnte ich gefahrlos an ihr vorbeiziehen. Es wurde immer gestauter und viereinhalb Kilometer vor dem Leuchtturm entdeckte ich eine Parkbucht, in der ich Sancho abstellte. 30 Sekunden später parkte mich ein anderer Wagen zu und die Fahrerin fragte, wie lange ich hier bleiben wolle. „Na, ne Stunde wird es schon werden.“. Wir einigten uns darauf, dass die Familie dann spätestens auch wieder dort sei. Sie hätten versucht, am Mirador zu parken, aber dort tobte scheinbar gerade die Schlacht von Winterfell. Wie gut, dass ich hier gehalten hatte.

Ich stapfte die Felswand hoch und erlaubte mir, eine Dreiviertelstunde einfach loszuwandern, bevor ich den Rückweg antreten wollte. Das war ebenfalls eine ganz schön sportliche Übung, aber die Ausblicke belohnten die Anstrengung. Einen Leuchtturm bekam ich durch zwei Bergspitzen zu sehen, aber ob es derjenige welcher war? Es war auf jeden Fall eine nette, kleine Wanderung. Höhepunkt war dann die Begegnung mit drei kleinen wilden Bergziegen, von denen es hier gar nicht mehr so viele echte geben soll. Es gibt tausende ausgewilderte Hausziegen, die die wilden wohl verdrängen, vielleicht auch durch… äh… falsche Eheschließungen. Man erkennt die wilden wohl an ihrem braunen Fell, das mit schwarzen Streifen versehen ist, und ihren bernsteinfarbenen Augen. Die Inselregierung versucht indes, der wilden Hausziege Grenzen zu setzen, da sie die Vegetation schädige. Naja, hüstel. Wir plauderten kurz miteinander, dann setzte ich meinen Weg fort.

Die Rückfahrt von der Halbinsel brachte mich dann kurz wieder der Einweisung nahe, aber gottseidank hörte nur ich meine gottlosen Flüche. Ich erwähnte ja schon, dass ich mir bewusst bin, dass ich auch Teil des Problems bin. Aber ich sag mal so: Ich bin froh, dass ich mich entgegen aller eigenen Ressentiments 2016 das erste Mal auf die Insel getraut habe, dass ich seitdem fünfmal wieder hier war, aber es ist dann auch gut. Es wird bei jedem Besuch voller und voller und unangenehmer. Es ist eine tolle Insel, mit tollen Menschen, die aber auch die Schnauze voll haben. Gestern habe ich mich mit einem Kellner unterhalten. Das Geld, das die Touristen bringen, versickert auf dem Weg nach unten. Er geht jeden Tag 3 Stunden zu Fuß zur Arbeit (Hin- und Rückweg), weil er sich kein Auto leisten kann, und wohnt mit mehreren anderen in irgendeiner Bruchbude, weil die Mieten so hoch sind. Der Tourismus mag den Wohlstand mal nach Malle gebracht haben, aber jetzt kommt es zur gegenteiligen Entwicklung. Die zunehmende Beliebtheit Mallorcas macht es den Minderverdienern schwer, irgendetwas vor Ort zu bezahlen. Ich zitierte schon die alle Rekorde knackenden neuesten Besucherprognosen. Ein Interessenvertreter der mallorquinischen Tourismusindustrie hingegen sagte laut Mallorca-Zeitung, da gäbe es noch ganz viel Luft nach oben. Puh!

Eigentlich wollte ich mir zum Abschluss des Tages Mühlen in Sa Pobla angucken, wo es noch einige geben soll, aber ich fühlte mich wie nach einem olympischen Lauf und lechzte nach einem Bier. Ich parkte vor dem Hotel und fiel sofort in die Bar ein, wo ich der einzige Gast war, abgesehen von drei Todesmutigen, die in der Eiseskälte am Pool lagen und sich wolkten. Denn mit Sonne war ja nix. Das Bier tat außerordentlich gut, die mitgelieferten Mandeln verschwanden mit einem Happs im Mund. Erstaunlicherweise ist das Hotelbier preiswerter als jenes draußen. Verrückte Welt.

So, nun noch Wissenswertes: die Straße auf die Formentor-Halbinsel ist von Juni bis September gesperrt und man kann und darf nicht mit dem Auto dort fahren (es drohen drakonisch hohe Strafen!), dafür werden aber Busse eingesetzt. Fahrt bloß nicht außerhalb der o.g. Periode – so wie ich – am frühen Nachmittag da hin, es ist die Hölle. Ich nehme an, ganz früh morgens wäre die beste Zeit. Zum Sonnenuntergang könnte es leider auch voll sein, weil jeder Reiseführer darauf hinweist, wie schön das dann dort ist. Ganz auslassen? Ach nein, dafür ist es dann doch zu pittoresk dort.

Zum Abend versorgte ich mich mal wieder auf dem Zimmer, wo ich tatsächlich erneut die Heizung anschmeißen musste. Ich höre aus der Heimat und umliegenden Ländern, dass Ihr es gerade wärmer und sonniger habt, als ich. Falls Ihr deswegen zu stark schwitzen solltet, dann kommt doch morgen wieder zu mir auf die Insel. 🙂 Viele liebe Grüße, Euer

Mallorca 2025 – Día 4: Werd‘ ich noch jung sein, wenn ich älter bin?

Ihr Lieben,

Konstantin Wecker hat schon tolle Texte geschrieben. Hört einmal das ganze Lied. Und nein, ich hadere nicht damit, jetzt 59 Jahre alt zu sein. Ich habe das Gefühl, ich war schon mal erwachsener und gewinne im Alter sogar ein bisschen Jugend zurück. Leider ist mein Körper diesbezüglich anderer Auffassung, aber mein Kopf ignoriert das geflissentlich.

Mit Elke war ich ja an ihrem Geburtstag in Den Haag. Sie hat mir den Ausdruck „Bestimmertag“ beigebracht. Das bedeutet, wenn man Geburtstag hat, darf man alles so machen, wie man mag, mehr oder weniger jedenfalls, und alle müssen mitspielen. Nun, ich bestimmte zuerst, dass ich ausschlafe und dann sehr lange frühstücke! Der Vorteil, spät zum Frühstück zu kommen ist, dass es schon recht leer ist, man sich nicht um die Käseecken prügeln muss und dass die Hälfte der Tische auf der Terrasse frei ist. Dann bestimmte ich noch, dass ich prächtiges Wetter haben soll, das hat aber irgendwie nicht so wirklich funktioniert, denn es war doch in weiten Teilen ziemlich bewölkt. Leider soll das jetzt wohl auch so bleiben und dann ab Sonntagnachmittag auch regnen.

Beim Stöbern nach Ausflugszielen gestern stieß ich auf eine Ausgrabung aus der Eisenzeit, Überreste eines talayotischen Dorfes in Ses Paisses. Und um noch ein paar andere Aktivitäten dazuzupacken, schrieb ich mir Artà mit dem Kloster, Capdepera mit der Festung und Betlem mit einem weiteren Kloster auf die Tanzkarte. Ich begann in Artà. Was soll ich sagen, ich kannte das schon. Ja, das Alter, ich hatte das schlicht vergessen, dass ich schon einmal mit Elke mal dort war. Aber egal, denn es ist schön da oben. Nicht schön war, dass halb Artà aufgerissen war wegen irgendwelcher Bauarbeiten und ich mit Sancho durch stellenweise sehr enge Gassen manövrieren musste, weil die Verkehrsführung entsprechend geändert war. Das Kloster mit der unteren und der oberen Kirche ist ganz nett, man hat einen tollen Fernblick. Es ist auch nicht zu überlaufen.

Im Anschluss dann das frühzeitliche Dorf. Ich schrieb Eisenzeit, aber es waren auch Reste aus Bronzezeit und der sog. Balearenzeit zu sehen, wenn ich das richtig verstanden habe. Für einige mag das nur ein Haufen Steine sein, ich stelle mir hingegen vor, wie vor mehr als 3.000 Jahren da schon jemand langelaufen ist, wie die Menschen zusammensaßen, wie sie lebten. Wie sie dicke Felsbrocken transportierten und sie auf die unnachahmliche Art und Weise dieser Zeit aufeinanderschichteten. Fast pyramidonal, nur… äh… nicht ganz so perfekt halt. Ein untouristischer und besinnlicher Ort. Allerdings stimmen die 2,- Euro Eintritt aus den Google-Bewertungen nicht mehr, der Preis hat sich verdoppelt. Das nenne ich mal Inflation.

Weiter ging es nach Capdepera. Und während ich so auf die Festung zufahre, denke ich mir, mönsch, da warste doch auch schon. Und schwups war ich an der Straße am Hang, wo Elke und ich damals verkehrswidrig und absturzgefährdet geparkt hatten. Ich musste aus der Beifahrertür klettern, das war schon eine akrobatische Leistung damals. Mit Sancho konnte ich an dieser Stelle leider nicht parken, da zu breit, daher fuhr ich wieder in den Ort runter und schnappte mir da eine der seltenen Parkbuchten. Ich lief die gefühlt 3.000 Stufen zur Festung hoch, guckte mir alles von Außen an, aber sparte mir den Besuch der Burg, da ich das Gelände noch vor meinem inneren Auge hatte.

Von der Burg aus wollte ich dann zum Kloster Betlem. Da ging das Chaos dann los. Ich musste wieder durch Artà und das Navi plärrte unentwegt, es umfahre eine Sperrung, ich sei aber auf der idealen Strecke. Als ich zum dritten Mal entnervt durch die gleiche Gasse fuhr, die zudem auch nur einen cm breiter als Sancho war, brach ich das Vorhaben ab. Das alles kostete mich etwas mehr als eine Stunde! Der Vorteil ist, dass mich jetzt alle Einwohner von Artà Centro kennen und ich blind den Taxischein dort bestehen würde. Nur auf Anhieb Fahrgäste rausbringen… das könnte schief gehen.

Mit Umweg über den Lidl kehrte ich nach Son Bauló zurück. Dort wurde ich dann noch einmal wüst von Radfahrern beschimpft, weil ich es wagte, rückwärts einzuparken und sie nicht die Straße ungebremst runterschießen konnten. Ich grüßte höflich mit „Ar***lö**er“ zurück. Übrigens: Je hässlicher die Funktionskleidung, desto wahrscheinlicher, dass es deutsche Radler sind. So, genug gebasht. Ich gönnte mir auf der Terrasse ein Stück Nusskuchen und ein Glas Cava, nur die Kerze hat gefehlt.

Am Abend lief ich noch einmal zur Promenade von Can Picafort, wo ich Fleischbällchen (Albondigas), Datteln mit Speck (Datiles con bacon) und ein Ministück Tortilla aß. War insgesamt okay, aber meine Tortilla finde ich dann doch besser. 🙂

Das war insgesamt ein (halbwegs) entspannter Geburtstag, ich bekam auch ausreichend Glückwünsche, so dass es für das kommende Jahr reichen müsste. Vielen Dank dafür!

„Wie werd´ ich ausseh´n, wenn ich älter bin?
Wie einer, dem das Leben glückt,
oder gealtert und gebückt,
mach ich auf jünger und verrückt?“

Sehen wir uns morgen? Würde mich sehr freuen! Liebe Grüße von Eurem

P.S.: So war das damals vor der Burg, Elke hat sich schlapp gelacht:

Mallorca 2025 – Día 3: Der Mann in den Bergen

Ihr Lieben,

gestern schrieb ich, ich wolle ins Gebirge. Dafür hatte ich mir den höchsten Punkt der Insel ausgesucht. Recherchen ergaben, dass es sich um den Puig Major handelt und der Gipfel leider militärisches Sperrgebiet ist. Übrigens auch mal amerikanisches, bis 1964. Merke: Erst informieren, dann palavern. Hm. Ich recherchierte also nach den schönsten Dörfern und stieß auf mehrere Kandidaten: Fornalutx, Estellencs und Galilea. Ich war ja schon mehrmals auf der Insel, aber in keinem dieser drei Dörfer, die es auf einer Internetseite neben Valdemossa und Deia unter die Top 5 an der Westküste geschafft hatten. Also, nach dem sehr guten Frühstück auf der Terrasse (Glück gehabt!) die inzwischen wieder trockenen Schuhe angezogen und los! Apropos Recherchen, ich hatte die Bedienungsanleitung von Sancho gefunden (er ist übrigens ein SsangYong, Tivoli ist nur die Modellbezeichnung und ein Hybrid ist er glaube ich auch nicht!) und konnte das lästige Problem mit der Piepserei lösen.

Alle drei Ziele liegen im Weltnaturerbe der Serra Tramuntana und obwohl alles nicht weit auseinanderliegt, braucht man Stunden, um diese Tour durchzuführen. Das ist den Bergstraßen mit vielen haarnadelscharfen Serpentinen geschuldet und den Myriaden von Radfahrern, die einem das Leben auf der Straße echt schwer machen. Ich erspare Euch jetzt die Schilderung der zwei Beinah-Unfälle, zu denen es durch völlig unberechenbares Verhalten von Radlern gekommen wäre, wenn ich nicht beide Male voll in die Eisen gestiegen wäre. Stress pur!

Mein erstes Ziel war Galilea, da findet man noch problemlos einen Stellplatz für das Auto. Es hat so gar nichts touristisches an sich. Es ist beschaulich und geschmackvoll. Gerüchteweise leben hier viele Künstler und betuchte Menschen. Ich wette, der Schlagzeuger, der meinen Besuch musikalisch untermalte, ist die meistgehasste Person des Ortes. Sehr nett, aber unspektakulär. Der Ort. Das Schlagzeugmonster habe ich ja nicht kennengelernt.

Mein zweites Ziel, Estellencs, wurde dem Ruf schon eher gerecht. Schöne Gassen, nette Gebäude, prima Aussichten. Hier sucht man dann allerdings auch lange nach einem Parkplatz! Ich legte noch einen weiteren Zwischenstopp im benachbarten Banyalbufar ein, wo man ebenfalls superschöne Ausblicke auf die in Terrassen angelegten Häuser (siehe Beitragsbild) und das Meer hat.

Höhepunkt der Bergdörfertour war dann Fornalutx. Zweimal, wenn meine Informationen zutreffen, schon zum schönsten Dorf Spaniens gewählt. Diesen Titel gibt es aber vermutlich häufiger als Splitter von der Heiligen Lanze, die sich in den Leib des Gekreuzigten bohrte. Aber wenn, dann zu Recht. Der Titel, nicht die Folterung am Kreuz. Wirklich, wirklich schön. Parkplatz? Eine Katastrophe! Aber die Menschmassen konzentrierten sich auf dem Hauptplatz am Ortseingang, wo sie alle Plätze in den Cafés und Eisdielen belegten. Der Rest des Ortes ist recht ruhig, mit wunderbar schönen Gassen, die von den Bewohnern schön begrünt und beblüht werden. Zwischen den Häusern dann einmalige Aussichten auf die Gipfel der Tramuntanaberge. In Fornalutx blieb ich dann auch am längsten, lief über die obere Straße bis zum pittoresken Friedhof (leider geschlossen) und über die untere Straße wieder zurück. Ein Ausschank nahe Ortsausgang Friedhof wirbt mit prämiertem Orangensaft. Für 2 Euro kann man einen Becher erstehen. Als Orangenfan kann ich sagen, joo, aber an meine Valencia-Orangen kommt der natürlich üüüüberhaupt nicht ran!

Am späten Nachmittag trat ich die Rückfahrt an. Als erstes nach der Ankunft in Son Bauló rief ich meinen Vater an, der heute 88 Jahre alt geworden ist. Herzlichen Glückwunsch auch noch einmal auf diesem Wege, lieber Papi! Alles Liebe und Gute für das kommende Lebensjahr!

Dann lief ich zum Hafen, wo ich mir für die Strapazen des Tages ein großes Bier gönnte. Im Son-Bauló-Teil natürlich, nicht bei dem Plebs von Can Picafort! 😉 An der Strandpromenade wehte ein ganz schön kräftiger Wind, die Sonne konnte das trotz großer Anstrengung nicht ausgleichen. Ich beschloss, in eine Bar in der Nähe des Hotels zu gehen, die im Netz für ihre authentische spanische Küche gelobt wird. Was soll ich sagen? Ruhetag. An einem Donnerstag! Die Welt wird immer verrückter. Ich hatte aber ja noch massenweise Schinken, Käse, Oliven und altbackenes Brot im Studio, also machte ich wieder einen auf Terrassenmensch. Gibt es da eigentlich auch eine Fachbezeichnung für? So wie Troglodyt für Höhlenmensch?

Das war ein sehr anstrengender, aber auch schöner Tag. Die Fahrt auf der Ostseite der Tramuntana bietet grandiose Ausblicke in Schluchten und auf Gipfel, interessante Orte und dunkle Wälder wechseln sich ab; an der Westseite schlängelt sich die Straße hoch über dem Meer entlang. Es ist spektakulär und wundertoll! Manchmal wird es dann aber so eng, dass eigentlich nur zwei Bleistifte aneinander vorbeipassen, dann muss man ganz schön lavieren. An einer Stelle fiel mir etwas vor meinen Zwillingsdrachen (so die Bedeutung von SsangYong) Sancho und es gab ein Plupp-Geräusch. Ich war zu Tode erschrocken und hielt an geeigneter Stelle für eine Diagnose an. Ich glaube, es war „nur“ eine Orange, Sancho ist auf jeden Fall unverletzt.

Morgen begehe ich meinen letzten U60-Geburtstag, ich habe noch keine Ahnung, was ich mir selbst schenke. Abgesehen von der Reise natürlich. Möglicherweise werde ich Sancho mal stehenlassen und nix tun, vielleicht gucke ich mir auch die Drachenhöhlen bei Porto Christo an. Die sollen allerdings ziemlicher Touri-Nepp sein. Eigentlich hätte ich mir Valdemossa oder Soller vorstellen können, aber durch Soller musste ich heute zweimal durch und es war die Hölle auf den Straßen los (eine Bekannte schickte mir einen Artikel über Massenproteste der Bevölkerung gegen Touristen, dieses Jahr soll die 25 Mio.-Marke geknackt werden). Na, ich lasse mich einfach mal überraschen. Ich hoffe, Ihr feiert ein bisschen virtuell mit. Denn wenn nicht, müsst ihr was aufs Konto überweisen! Liebe Grüße, Euer

P.S.: In den Kiefern vor meinem Balkon paaren sich Tauben. Was für ein Gewusel. Ist das noch Leidenschaft oder schon Hektik?

Mallorca 2025 – Día 2: Markttag

Ihr Lieben,

natürlich fängt auch der erste Tag auf Malle mit dem Frühstück an. Aber kurz zuvor möchte ich noch loswerden, wie sehr ich es gestern genossen habe, auf der Veranda zu sitzen, bis es zu kalt wurde. Beim Reingehen hat mir dann auch geholfen, dass jemand eine Etage tiefer Gras geraucht hat, den Geruch ertrage ich leider so gar nicht. Aber – wie gesagt – es war ohnehin schon kalt.

Das Frühstück im Hotel ist fast perfekt, nur ist der Saal zu schmal für die Horden, die es zu sättigen gilt. Die wenigen Terrassenplätze sind auch besetzt, aber ich denke, ich werde noch genug Wetter abbekommen. Der Orangensaft ist ein Traum! Allein das gibt ja schon 80 Punkte! Und es gibt drei Kaffeestationen, das mildert das Gedränge.

Was machen wir denn heute? Meine Gattin Elke und ich haben eine gemeinsame Bekannte, die immer etwas exaltiert über Dinge urteilt. Da gibt es das BESTE Müsli. Dort hat man den FANTASTISCHSTEN Wein. Hier gibt es die FEINSTE Seidenstickerei. Jeder kennt solche Menschen. Ich selbst kann mich ja noch nicht einmal davon freimachen. Diese Bekannte ist bekennende Besucherin des Marktes von Sineu, der einmal die Woche mittwochs stattfindet. DER LECKERSTE HONIG!!! Ihr versteht… Ich war schon einmal da, und abgesehen davon, dass Sineu ein wirklich besuchenswerter Ort ist, ist der Markt es auch! Er findet im Schatten der ERSTAUNL… äh, erstaunlich großen Kirche statt und hat zumeist Tinneff von jenseits der Seidenstraße zu bieten. Aber es gibt auch ein paar wirklich nette Sachen, besonders in der Ecke mit den Lebensmitteln. Wer auf Keramik und Holzschnitzereien steht, wird auch fündig. Ist ja leider nicht so meins. Dazu gibt es Massen von Klamottenständen.

Erwartungsgemäß war es brechend voll. Um die wenigen Parkplätze auf dem Acker vor Sineu wurden erbitterte Kämpfe ausgefochten. Ich parkte am Culo del Mundo und war somit entspannter unterwegs, auch wenn man dann ein Stückchen laufen muss. Wir sind in der Vorsaison, ich möchte mir gar nicht ausmalen, was hier in den Sommerferien los ist!

Sineu selbst ist abseits des Marktes unglaublich beschaulich, fast wie ausgestorben. Es gibt einen königlichen Palast mit einem Kloster nebendran. Beides scheint seit Jahren geschlossen. Von außen ist es – abgesehen von dem Eingangstor zum Kloster – nur ein wenig interessanter, großer, grober Steinklotz.

Die Pfarrkirche war geöffnet, so zündete ich mal wieder ein Kerzchen an. Hier war es angenehm ruhig, da nur wenige Besucher ins Innere fanden. Vor der Kirche steht der geflügelte Löwe von Sineu, der an den Evangelisten Markus erinnert. Das Denkmal ist jünger, als man glaubt, es wurde erst 1945 von Joan Maimó errichtet.

Ein paar Blasen (ich war so schlau, meine Turnschuhe gestern auszuwaschen und sie waren trotz Sonne leider nicht trocken und ich daher mit Schlappen unterwegs) und drei Kühlschrankmagnete später verließ ich Sineu, allerdings ohne die üblichen Tonnen von Sobresada, Jamon oder Queso für Zuhause. Bin wohl erwachsen geworden. In Can Picafort fuhr ich dann noch den Supermarkt an, um meinen Kühlschrank wieder aufzufüllen.

Sancho Pansa hat mich gut durch den Vormittag gebracht, aber er ist leider sehr mitteilungsbedürftig. Es gibt Begrüßungsmusik, sobald man einsteigt, der Sicherheitsgurtwächter schimpft unverzüglich los, bei jedem Überholvorgang plärrt die Spurkontrolle. Für die gibt es einen Aus-Knopf, der mein diesbezügliches Ansinnen aber ignoriert. Vielleicht muss der Scheibenwischer gleichzeitig gestartet werden, wer weiß. Wenn man sich jetzt vorstellt, dass Millionen von midlifecrisisbetroffenen Männern hier Radrennen fahren, wird klar, wie oft man die Mittellinie queren muss und wie oft es daher hysterisch piept. Ich würde auch gerne mit Sancho Pansa sprechen, aber die Android-Verbindung bricht dauernd ab. Vielleicht muss man zur erfolgreichen Kopplung parallel den Tankdeckel mehrmals auf- und zuklappen, man weiß es nicht.

Ich verstaute meine Einkäufe im Apartment und fuhr mit dem Linienbus bis ans andere Ende von Can Picafort. Und jetzt muss ich beichten. Ich habe mich geirrt, ich wohne gar nicht in Can Picafort, sondern in Son Bauló, deswegen ist es da so beschaulich. Denn als ich von der letzten Haltestelle am Meer zurück Richtung Unterkunft lief, musste ich erschrocken feststellen, dass Can Picafort natürlich genauso unattraktiv ist, wie alle anderen derartigen Urlaubsorte. Solltet Ihr also gestern alle Euren Jahresurlaub hier gebucht haben, weil der doofe Diepolder das hier so nett findet… tja, Pech gehabt. Zudem gibt es hier sehr viele Baustellen, geschlossene Läden und Restaurants, in denen gewerkelt wird. Ob das bis Ostern alles fertig wird? Ich bezweifele es. Ich kehrte in eins der ansehnlicheren Restaurants ein und aß ein paar Croquetas de Jamon. Sehr lecker! Ich liebe Tapas!

Ich lief zurück zur Unterkunft, wo ich mich kurz ausruhen wollte. Ja, die gute Seeluft! Ich pennte dorch glatt zwei Stunden, aber bei offener Terrassentür, es duftet wunderbar nach Schirmkieferzapfen! Ich gönnte mir einen leckeren Cava und machte mir abends eine Paella aus dem Mercadona warm. In vielen spanischen Supermärkten gibt es eine Ecke mit „comida preparada“, vorgegartem Essen aus der Theke. Klar, das gibt es bei uns auch, aber statt zwischen Hühnerhälften und Leberkäsebrötchen wählen zu müssen, gibt es hier hunderte Gerichte, die in der Regel auch noch gut schmecken.

Danach lümmelte ich wieder auf der Terrasse herum und hörte einen spanischen Podcast (wenn ich schonmal hier bin!), dem ich mit Ach und Krach folgen kann, da man langsam und deutlich spricht und er eine schriftliche Transkription hat, er heißt „Hoy Hablamos“ und beschäftigt sich mit Alltäglichem sowie Nachrichten und ist sehr kurzweilig.

Morgens eine Unternehmung machen und nachmittags rumtrödeln ist übrigens eine perfekte Melange. Bin so richtig im Urlaubsfeeling. Für morgen überlege ich, ins Gebirge zu fahren. Allerdings machen mir die Horden von Radfahrern Angst; sie benehmen sich nicht wirklich berechenbar. Zwei Beispiele: Als ich an der Promenade aß, fuhr ein Pulk laut klingelnd und rufend mit einem Affenzahn durch Spaziergänger durch, die alle hektisch zur Seite springen mussten. Ich hätte am liebsten mit Salz- und Pfefferstreuer nach ihnen geworfen, aber da waren sie schon am Horizont verschwunden. Außerdem bin ich ja eigentlich Pazifist. Und als vorher ich vor dem Hotel wendete, um in eine Parklücke zu fahren, kam ebenfalls ein Pulk von Eddie-Merckx-look-a-likes angerast, die deswegen abbremsen mussten. Einer spuckte nach Sancho Panso, ein anderer schrie „Idiot!“. Ehrlich, geht’s noch? Wir sind ja hier nicht auf einem Velodrom.

Ich sachma bis morgen, bestimmt sehen wir uns! Liebe Grüße von der Insel, Euer

P.S.: Heute war die Steuererstattung auf dem Konto, vielleicht schmeiße ich doch eine Runde im Schnitzelschinkendings…

Der Autor bereitet sich auf sein Tagebuch vor. Die Kleidung hat er nach Haarfarbe ausgesucht. Das ist jetzt hip!