Tag 1: Hauptstadterkundung

¡Buenas tardes, queridos lectores!

Für meine Verhältnisse bin ich ziemlich zeitig zu Bett gegangen, ich hatte noch nicht einmal einen Wein getrunken. Der Vorteil war, dass ich heute recht früh aufgestanden bin, in Ruhe meinen Kaffee trinken konnte, um dann gegen 10 Uhr in die Stadt zu fahren.

Hatte ich schon in Palma in der Wohnung. Scheint in Spanien beliebt zu sein.

Der Bus kam mit ziemlicher Verspätung, so dass ich befürchte, dass ich morgen ein wenig früher losfahren muss. Ich stieg an der Station San Telmo aus, die Schule befindet sich dort ganz in der Nähe. An der Station wollte ich mir dann eine Monatskarte kaufen, mit der ich die Busse der ganzen Insel benutzen kann, und die an verschiedenen Stationen mit Geld aufgeladen werden kann. Je nachdem, wie viel Geld man auflädt, bekommt man einen ansehnlichen Nachlass auf die Ticketpreise. Reiseführer und Internet waren sich einig, dass diese „tarjeta transGC“ unglaublich schwierig zu besorgen ist. Dies ist nicht zutreffend. Man geht in das Büro des Busbahnhofs, holt sich einen Antrag, lässt den Personalausweis in einem Schreibwarenladen schräg gegenüber kopieren, rennt zum Fotoautomaten 39 1/2 Meter weiter rechts, macht ein schönes Bild von sich, geht zurück zum Office und bekommt sofort die Karte ausgehändigt. 20 Meter weiter links kann man sie dann aufladen.

War da nicht die Rede von einem schönen Foto?

Südlich des Platzes San Telmo befinden sich die Altstadtviertel Triana und Vegueta. Dort verbrachte ich den Rest des Vormittags. Auf den ersten Blick wirkt das Viertel Triana nicht besonders anziehend, eher wie ein Einkaufsviertel, wie es sie überall gibt. Greenpeace-Aktivisten demonstrierten hier gegen den Konsumterror der Black Week.

Auf den zweiten Blick aber findet man Schätze des Modernisme, dem spanischen Jugendstil. Wunderschöne Fassaden gibt es hier. Zudem kann man das Geburtshaus des spanischen Schriftstellers Benito Perez Galdós entdecken, dem nach Miguel de Cervantes meistgelesenen spanischen Autor. Sehenswert ist zudem das literarische Kabinett, ein kleiner Palast der Belle Epoque, in dem berühmte Geistesgrößen verkehrten. Schräg gegenüber steht das Hotel Madrid, in dem Franco den Putsch in Spanien vorbereitete.


Das Viertel Vegueta ist an Sehenswürdigkeiten auch nicht arm. Zu sehen gibt es die große Kathedrale Santa Ana, das Christoph-Columbus-Haus, die casas consistoriales, kleine Klöster und Kirchen und sehr schöne Straßen.

Um die Casa Colón herum war heute ein Markt, eine große kanarische Folkloregruppe spielte sehr flotte Musik und ein paar Menschen tanzten dazu. Das hatte was.

Auf meinem Weg zur Muelle Santa Catalina, dem Hafen, kam ich am Pueblo Canario vorbei, das mit dem Hotel Santa Catalina in dem sehr schönen Parque Doramas liegt. Hier stärkte ich mich mit einem Bier, bevor ich den Corte Inglés stürmte, quasi das spanische Karstadt, nur viel größer und finanziell wohl auch wesentlich stabiler.

Auf dem Weg zum Corte Inglés machte ich einen kleinen Abstecher zum Kreuzfahrthafen, dort liegen einige Pötte. Die Inselregierung plant diesen Hafen noch weiter auszubauen, damit mehr als 5 Schiffe gleichzeitig dort liegen können. Wie ich gelesen habe, sind die Ausbaupläne für den Süden der Insel, das heißt die Zubetonierung sämtlicher Küstenstreifen, auch noch nicht abgeschlossen.

Das Kaufhaus war brechend voll, ich suchte ein wenig nach bestimmten Artikeln, wurde aufgrund der Größe aber nicht fündig, und die vielen Menschen fand ich auch etwas irritierend. Also suchte ich die Haltestelle für den Bus, um wieder nach Costa Ayala zu fahren. Das mit der tarjeta hat wunderbar geklappt. Hoffe ich jedenfalls.

Ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen und so machte ich mir erstmal ein „bocadillo“ mit Serranoschinken, Ziegenkäse und diesen herrlichen süßen weißen Zwiebeln, die es in Spanien überall gibt. Dann setzte ich mich mit einem Glas Wein auf die Klippen, wartete auf den Sonnenuntergang und freute mich sehr, dass ich hier bin.

Tja, wie gefällt uns denn nun Las Palmas? Also, auf den ersten Blick ist es keine besonders attraktive Stadt. Auf den zweiten Blick findet man einige Pretiosen. Aber insgesamt ist diese kanarische Inselhauptstadt von den von mir besuchten vieren (Sta Cruz de Tenerife, Sta Cruz de La Palma, Puerto del Rosario) bisher die unattraktivste. Ich habe das Gefühl, man investiert wenig in Erhalt und ließ/lässt viel verkommen und viele Bausünden zu. Aber ich habe ja noch 27 Tage Zeit, die schönen Seiten hier zu entdecken.

Morgen geht dann der Ernst des Lebens los, Gerald geht wieder zur Schule. Ich hoffe inständig, es gibt keinen Sportunterricht. Ich habe nämlich meinen Turnbeutel vergessen. Auch auf Noten für Schönschrift kann ich gut verzichten. Wie hießen früher noch diese Filme mit Theo Lingen und Pepe Nietnagel, den richtigen Namen habe ich vergessen, die in der Schule spielten?

Allen einen schönen ersten Advent gehabt zu haben, ich würde mich freuen Euch morgen wieder hier zu sehen.

Alles Liebe, viele Grüße, Euer Gerald

Der Autor beim Studium der Grundnahrungsmittel der Einheimischen.

Tag 0: Die Anreise

¡Hola a todos!

Endlich angekommen, ihr Lieben! Wie es hier aussieht, kann ich leider nicht sagen, denn es ist schon dunkel.

Die Anreise war eigentlich ganz angenehm. Ich stand auf, packte meine restlichen Sachen, denn gestern hatte ich schon damit angefangen, gammelte noch eine Stunde herum, fuhr mit Bus und Bahn zum Flughafen, kam dort überpünktlich an, wie immer, der Flieger startete pünktlich, der Flug war bis auf wenige Turbulenzen sehr ruhig und angenehm, der Flieger landete zu früh und dann begann der Horror.

Ich erwähnte bereits, dass ich einen Mietwagen für 18 € über vier Wochen angemietet hatte; ich rechnete nicht damit ihn zu bekommen. Aber auch am Mietwagenschalter lief zuerst einmal alles ziemlich gut. Der junge Mann hinter dem Tresen flirtete heftig mit mir, plauderte über sich und sein Leben, wollte auch von mir alles mögliche wissen, checkte die Versicherungen, sagte die seien ausreichend, dann mal gute Fahrt, hier ist ihr Schlüssel, der Wagen steht hinten auf dem Hof. Ja vielen Dank, alles Gute, super prima, bis denne. Auf dem Hof angekommen fand ich den Wagen nicht, der Hof war einfach zu groß.

In dem kleinen Avis-Büro auf dem Parkplatz legte ich den Schlüssel hin und sagte, ich wolle meinen Wagen abholen. Die Frau drückte auf einen Knopf der Fernbedienung, zeigte in eine bestimmte Richtung und sagte, da hinten wo es gelb ist. Ich sah kein gelbes Auto. Sie drückte wieder auf den Schlüssel und sagte, da hinten wo es gelb leuchtet, und dann begriff ich, sie meinte die Warnblinkanlage. Ach du Schreck! Ich habe einen Kleinstwagen angemietet und ich bekam ein Schlachtschiff und das auch noch unversehrt, mit nur einer winzig kleinen Schramme an der Beifahrertür. Ich versuchte noch zu stammeln, dass ich das Fahren von Schwertransportern nicht gewohnt sei, aber da hatte sie schon den nächsten Kunden an der Angel. Ergeben stieg ich also in den Wagen und fuhr Richtung Costa Ayala.

Mein „Zweitürer oder ähnlich“

Zuvor wollte ich mich im Supermarkt noch mit den notwendigsten Dingen des Lebens versorgen, da sonntags das Einkaufen hier auf der Insel nicht so ganz einfach ist, und ich ja auch für den Abend überhaupt nichts hatte. Kurz vor Las Palmas fuhr ich in ein Einkaufszentrum. Die centros commerciales sind hier riesig. Und obwohl es schon 9 Uhr abends war: es war brechend voll. Ich gurkte ca. eine halbe Stunde durch engste Parkhäuser und fand nicht einen einzigen Stellplatz. Dafür brach mir aber der Schweiß aus, da ein Trubel herrschte, wie ich ihn auf einer Massenflucht vor einem Meteoriteneinschlag erwartet hätte, aber nicht in einem Einkaufszentrum. Ich verließ dieses Einkaufszentrum wieder, nicht ohne fast zu hyperventilieren, und fuhr durch Las Palmas hindurch Richtung Costa Ayala, um ein weiteres Einkaufszentrum anzufahren, dass auf der anderen Seite der Stadt liegt und von dem ich vorher schon wusste. Auch hier Chaos pur: der Kreisverkehr… es ging nichts mehr. Es wurde gehupt, geschrien, geflucht, gefuchtelt und gefahren wie wild gewordenes Schwein.

Ich am nächsten Kreisverkehr raus und wieder Richtung Costa Ayala, wo schon mein Vermieter Miguel mit den Füßen scharrend vor dem Haus stand und mich erwartete, denn er wollte mit seinen Freunden, die mit ihm warteten, noch zu einer Geburtstagsfeier. Er zeigte mir die Wohnung, sie ist so, wie ich sie mir vorgestellt habe, und erklärte mir den Weg zu einem Lidl, denn in den centros comerciales hätte ich heute keinen Erfolg, es sei Black Saturday. Nun ja, hier gibt es also nicht nur Black Friday sondern auch Black Saturday, dies erklärte das Chaos.

Aber ganz ehrlich, Ihr Lieben, es schienen mir mehr Menschen in diesen Zentren zu sein, als ich überhaupt auf der gesamten Insel vermutet hätte. Ich war auf jeden Fall schweißgebadet.

Ich dann noch schnell zum Lidl, ich hatte nicht mehr viel Zeit und dort war, wie Miguel es vorhergesehen hatte, überhaupt nichts los.

Das Lebensnotwendigste – die Weinflaschen geschickt unter Blätterteiggebäck versteckt…

Ich deckte mich mit allem Nötigen ein, fuhr wieder in die Wohnung, packte aus und jetzt sitze ich hier und versuche meinen Blutdruck wieder auf Normalnull zu bringen. Ob ich dieses Schlachtschiff je noch einmal bewege, das steht in den Sternen. Ich bin ja froh, dass ich keine Schramme auf dem Weg hierher reingefahren habe.

Auf jeden Fall habe ich jetzt 4 Wochen nur für mich, ohne Verpflichtungen, wenn man von der Sprachschule einmal absieht. Morgen werde ich nach Las Palmas reinfahren und schon einmal die Schule suchen, um zu gucken, wie ich dort hinkomme. Ich möchte ja nicht am ersten Tag zu spät kommen. Es soll von Anfang an feststehen, dass ich der Streber in der Klasse bin.

Also, wenn ihr möchtet, morgen mehr, alles Liebe, viele Grüße

Euer Gerald

Su casa es jetzt mi casa… ?

Prolog: Weihnachten unter Palmen

Queridos amigos.

Bald – nämlich ab kommenden Samstag – stehen mir vier Wochen Urlaub der besonderen Art bevor. Vier Wochen am Stück an sich sind ja schon besonders. Aber ich entkomme auch der Vorweihnachtszeit, die für mich, auch da sie im August ja schon losgeht, einiges an Schrecken bereithält. Und ich mache keinen Erlebnisurlaub im klassischen Sinne. Ich werde eine Wohnung an der Nordküste beziehen, dort auf der Dachterrasse sitzen, aufs Meer glotzen und das Meer zurückglotzen lassen. (Nun, jetzt bei der Überarbeitung des Prologs kurz vor der Veröffentlichung muss ich korrigierend einfügen, dass ich zwischenzeitlich in einer Sprachschule in Las Palmas einen B1-Intensivkurs für Spanisch gebucht habe. Der geht über drei Wochen, montags bis freitags von 9 Uhr bis 12:30 Uhr.)

Die Frage, die sich mir stellte, war: Wie abendfüllend ist ein Reiseblog, der nur aus Rumfaulenzen und Nichtstun (und Sprachschulenbesuch 🙂 ) besteht? Nun ja, Ihr kennt mich ja vielleicht. Ich habe die ganze Zeit einen Mietwagen, wohne nur ein paar Kilometer von der Hauptstadt entfernt und kenne die Insel noch gar nicht. Also, es würde mich nicht verwundern, wenn doch das ein oder andere passierte. Und so ein Sprachkurs ist bestimmt auch sehr komisch.

Den Flug hatte ich schon im Spätsommer gebucht, die Wohnung ebenfalls. Mein Mietwagen kostet angeblich nur 18 Euro für den ganzen Monat. Die Wohnung ist mit drei Schlafzimmern ausgestattet (zwei davon winzig), befindet sich auf einer Steilküste westlich von Las Palmas und hat den schon erwähnten Blick auf das Meer. Ich teile mir das Zweiparteienhaus mit meinem Vermieter, der u.a. den Vornamen Àngel führt. Wenn das mal nicht verheißungsvoll ist.

Also, es wird vielleicht nicht jeden Tag spannende Berichte geben, aber schaut doch ab und zu mal rein, dann erfahrt Ihr, was ich auf der Insel so alles treibe.

Ich sollte immer Internetzugang haben. Wenn ich aber mal nichts poste, dann liegt das wahrscheinlich daran, dass ich an dem Tag tatsächlich nur aufs Meer geglotzt habe und nicht etwa daran, dass ich mich im berühmt-berüchtigten Yumbo-Center oder in den nicht minder berüchtigten Dünen von Maspalomas verirrt habe und mein Dasein nun als Klischeetunte friste.

Also, wenn Ihr mögt….
Hasta pronto!

Euer

Tag 15: Und Tschüss

Ardievu, Baltija!

Time to say goodbye, aber gaaaanz ohne Eile. Sarah Brightman tritt übrigens im November hier auf.

Das Frühstück im Hotel hat meinen Eindruck nahtlos fortgesetzt, Rührei aus dem Tetrapack, steinharte Eier, Croissants aus Gummi, kein Obstsalat. Das erste „a“ aus dem „Palace“ muss gestrichen werden, es ist einfach nur ein place.

Aber ich habe lange geschlafen, ich habe mich in den Tag rein gegammelt, habe spät gefrühstückt und mich ausgiebig stadtfein gemacht. Im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten.

Da die Sonne scheint (Breaking news!), habe ich den Museumsbesuch erst einmal verschoben und bin durch die Stadt gelaufen. Ich hörte mir das Glockenspiel des Rathauses an und habe anschließend noch einige schöne Stellen in der Altstadt entdeckt. Dann bin ich über die Vansu-Brücke nach Kipsala gelaufen, wo es die schönen Holzhäuschen zu sehen gibt, und bin dort ein wenig umhergeirrt.

Nutzloses Wissen, Band 6, Seite 234, Eintrag 4: Rigips wird Rigips genannt, da die ersten europäischen Gipskartonplatten dieser Art, die allerdings eine amerikanische Erfindung sind, in Riga auf Kipsala hergestellt wurden: Rigagips quasi. Also, was man hier alles lernen kann, das ist schon unglaublich! Vom anderen Daugava-Ufer aus hat man sehr schöne Blicke auf die Altstadt.

Ich bin wieder zurückgelaufen und habe an den Jakobsbaracken vor einer urigen Bar zwei Kaffee getrunken, handgebrüht, mal wieder ein ganz anderes Geschmackserlebnis. Hier konnte man wieder heiteres Nationalitätenraten betreiben. Die Deutschen habe ich ja an der Sprache erkannt, sie waren in der Regel sehr, sehr laut. Vor allen Dingen, wenn sie in reinen Männergruppen unterwegs waren. Man hätte sich vielleicht etwas schämen können. Aber die Briten oder Iren die ihnen folgten, mit nacktem Oberkörper laut grölend durch die Straßen torkelnd, haben die Scham schnell vertrieben. Irgendetwas skandinavisches torkelte hinter den Briten oder Iren hinterher. Auch hier von Benehmen keine Spur.

Um die Ecke der Bar lag das lettische Kriegsmuseum. Der Eintritt war frei, ich musste dringend, so kam eins zum anderen. Denn Achtung, Geheimtipp: Die Toiletten in Museen sind in der Regel immer besonders sauber. Die Ausstellung ist sehr gut gemacht, war aber deprimierend. Ist ja auch ein deprimierendes Thema.

Plakatwerbung für deutsche Kriegsanleihen

Am Nationalmuseum kam ich dann auch noch vorbei, aber es hatte nur bis 17 Uhr geöffnet und es war schon 15 Uhr 30. Also habe ich es mir nur von außen angesehen. Mir fiel auf, dass ich in der Nähe des Jugendstilviertels war und machte mich dorthin auf, denn beim ersten Besuch hatte ich es nur durch Regenschleier wahrgenommen.

Dann noch schnell die deutsche Botschaft fotografiert, zurück zum Hotel, Koffer abholen und auf zum Flughafen. Der Bus fährt samstags nicht so wahnsinnig regelmäßig, daher hat man mal einen kleinen dicken Gerald rennen sehen, als der Bus an ihm auf dem Weg zur Haltestelle vorbei fuhr. Aber hat geklappt! Der kann nämlich für sein Alter noch ganz schön flink sein. 🙂

Natürlich bin ich wie üblich viel zu früh am Flughafen, aber hier gibt es ein schönes Restaurant, ich hatte außer den angebissenen Sachen vom Frühstück ja noch nichts gegessen. Nicht, dass ich noch vom Fleisch falle…

So, das war dann mein Besuch im Baltikum. Es war, wie Ihr hoffentlich herauslesen konntet, ein tolles Erlebnis. Die Länder sind schön, die Leute sind nett, und selbst ein paar sehr gelungene Unterkünfte waren ja dabei. Und ich hatte mit dem Wetter wirklich Glück, es hätte ja 14 Tage lang so sein können wie gestern. Zwei Wochen sind eigentlich nicht genug, um alles in Ruhe zu erforschen. Die braucht man fast schon für jedes einzelne der drei Länder.

Im Laufe der nächsten Woche werde ich noch einen Link zu einem Fotoalbum hier einstellen, aber es wird dauern, die vielen Fotos, die ich gemacht habe, zu sichten. Ich hoffe, es hat Euch ein bisschen gefallen, mich zu begleiten. Und immer daran denken: freiwilliges Lesen des Reisetagebuchs befreit von der ansonsten verplichtenden Teilnahme am Dia-Abend mit 54.290 Bildern.

Bis zum nächsten Mal, Euer Gerald

Das Google-Street-View-Auto ist wieder unterwegs
Manchmal ergeben 2+2+1 eben 7

Tag 14: Der größte Wasserfall des Baltikums

Laipni lūdzam atpakaļ Rīgā!

Was für einen Unsinn habe ich da gestern geschrieben! Wettertechnisch schlechtester Tag! Ein Witz!!! Und was für Unsinn in den Reiseführern steht! Der größte Wasserfall des Baltikums, der ist nicht wahlweise 8 Meter hoch (Estland) oder 153 Meter breit (Litauen). Durch den größten Wasserfall des Baltikums bin ich heute stundenlang gefahren!

Während ich nach dem Aufstehen und beim Frühstück noch kurz überlegte, welche Schönheiten des Landes ich heute besuchen soll (das Schloss in Palanga oder das Schloss Rundale, den schönen Fischerort Ventspils oder den nordwestlichsten Zipfel der Rigaer Bucht bei Kolka), seufzte der Kellner etwas, das sich wie ein litauisches „ach du jeh“ anhörte, starrte aus dem Fenster, wir anderen dann auch und sahen…. den Wolkenbruch unseres Lebens. Naja, wird schon wieder vorbei gehen, wie immer an diesen Tagen. Hustepiepen! Es hatte sich eingeschüttet und hörte nicht auf. Ich hatte keine Lust auf Schlossparkbesuche, bei denen ich drohte, ins Meer gespült zu werden, und dachte, ich bringe besser den Wagen jetzt einfach zurück nach Riga, checke in meinem 4-Sterne-High-Level-Upper-Class-Palast ein, den ich mir extra für die letzte Nacht gegönnt habe. Und vielleicht ist es bis dahin schöner und ich kann einfach noch einmal gemütlich durch Riga gehen.

Die Fahrt war nicht wirklich entspannend. Schon in Klaipeda auf den Ausfallstraßen in vierspurigen Kreisverkehren, in denen man die Fahrbahnmarkierungen nicht mehr erkennen konnte, litt mein sensibles limbisches System unter den Belastungen sehr. Dazu die bereits angedeutete forsche Fahrweise der ansässigen Katholiken. Puh!

Und es hat 350 Kilometer und genauso viele Minuten lang mehr oder weniger wie aus Eimern gekübelt!

Wenigstens hat die Wagenrückgabe sehr gut geklappt. Schon heute morgen rief ich Hertz an, dass ich um 18 Uhr kein „meet and greet“ in einer obskuren Tiefgarage haben wolle, sondern den Wagen beim offiziellen Büro am Flughafen abgeben, damit ich zeitlich flexibler sei. Dies wurde sogar ausdrücklich begrüßt. Und als ich in Riga in strömendem Regen am Flughafen ankam, der Rent-a-Car-Parkplatz natürlich jwd, stand dort erfreulicherweise schon ein Mitarbeiter, der sofort den Wagen abnahm und mich dann mit seinem Auto auch noch zur Bushaltestelle brachte, von wo aus ich nach 30 Minuten in der Stadt war. Er bedankte sich vieltausendmal, dass er nicht wegen meines Autos extra in die Stadt musste.
Ich bin übrigens 2315 Kilometer gefahren. Ich werde dafür viele Ave Gretas beten müssen. Aber man kommt so schlecht mit der Yacht von Tallinn nach Vilnius.

Das Hotel? Doppeltes Hustepiepen! Mein High-Class-Zimmer, das ich für immerhin 100 € im Voraus gebucht hatte, entpuppte sich als absolut winzige Abstellkammer. Ich habe in meinen Buchungsunterlagen nachgesehen und dort steht „kleines Doppelzimmer“. Nun ja, es ist ein kleines Doppelzimmer; wenn man sich sehr, sehr, sehr lieb hat, dann bringt man sich dort auch nicht gegenseitig um. Auch der Zustand ist keine drei Sterne wert. Die Rixwell-Hotels werde ich in Zukunft sowas von weiträumig umfahren – wie das Kamener Kreuz bei Stau noch niemand so weiträumig umfahren hat. Eine so besch… Hotelkette – ich kann es nicht anders sagen…. Halt leider beide schon früh von Deutschland aus gebucht, ohne Stornomöglichkeit. Die positiven Bewertungen müssen gekauft worden sein. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Jetzt stellte sich die Frage, ob ich auf meinen drei Quadratmetern den ganzen restlichen Tag hier sitze und greine oder was ich sonst mit dem Tag anzustellen gedenke. Ich plünderte erst einmal die Minibar, um dann nach einer halben Stunde zum Schirm zu greifen, um durch die Stadt zu schwimmen. Ihr merkt, die Plünderung hielt sich in Grenzen.

Es war witzig, durch eine Stadt zu laufen und oft zu denken: „Hey, das kenne ich!“ Ich setzte mich sogar in die Kreisch-Bar, wo aber statt des Elvisimitators diesmal eine talentierte Frau gecoverte Soft-Pop- und R&B-Songs vortrug. Dann enterte ich diverse Souvenirgeschäfte. Es ist absolut unheimlich. Mir gefällt hier nichts, aber auch gar nichts. Ich werde morgen mal auf die Suche nach der berüchtigten Laima-Schokolade gehen. Vielleicht passt die gut zum Tallinn-Schnaps, den ich in Estland erwarb.

Und dann kam endlich die Sonne durch. Leider ein bisschen spät, Monsieur Soleil! Aber immerhin hatte ich meine 15 Minuten blauen Himmel.

Essen war ich dann in einem Self-Service-Pelmeni-Laden. Man schaufelt sich russische Suppen auf den einen Teller und auf einen anderen Salate und auf einen dritten Pelmeni, das sind die gefüllten Teigtaschen, die es in allen möglichen Variationen gibt. Und schwupps ist man für 4,32 Euro satt. Und es war auch noch ganz lecker. So eine Kette würde bei uns bestimmt auch gut laufen.

Pelmeni-Variationen, Salat und Apfelschorle.
Mehr Fotos? Wie, Ihr habt noch nie einen Wolkenbruch gesehen??

Dann schnell auf die Uhr geguckt. Wir erinnern uns. Kein Wein darf sein nach acht im Mondenschein. Glück gehabt. 19 Uhr 30. Schnell in den nächsten Shop und einen Rosé de Hagueboutte gekauft.

Morgen soll das Wetter auch nicht so wirklich… daher werde ich ausgiebig schlafen, spät frühstücken und die lange Zeit bis zum Abflug im Lettischen Nationalmuseum verbringen. Das wird sehr gelobt. Ich bin gespannt.

So, ich suche jetzt mal bei Google nach „Wie werde ich Schwimmhäute los in nur 10 Tagen“ und hagebutte dabei ein bisschen.

Bis morgen, wenn Ihr mögt.

? ? und ? , Euer Gerald

In Bäckereien gibt’s schöne Souvenirs. Das Brot ist hier wirklich lecker. Und auch die Erste-Hilfe-Kekse sind außergewöhnlich gut. Erste-Hilfe-Kekse? Elke fragen!

Wer findet den Fehler? (Leider verfälschen die Aufnahmen den Eindruck, denn nur ein Zimmer hat ganz aufs Foto gepasst)

Tag 13: Memelland

Sveiki visi!

Heute war wettertechnisch der bisher schlechteste Tag meiner Rundreise, und ausgerechnet heute wollte ich ja auf die Kurische Nehrung. Die ist bei Regen natürlich nicht ansatzweise so schön wie bei Sonnenschein. Also frühstückte ich erst einmal in aller Ruhe und ganz gut, denn laut Wettervorhersage sollte es besser werden, und das schon bald. Es war zudem zu überlegen, ob ich mit dem Auto fahre, oder mit der Fußgängerfähre übersetze und auf der Nehrung die Buslinien nehmen sollte. Bei der Sichtung der Fahrpläne wurde mir allerdings schnell klar, dass ich mit dem Bus nicht glücklich werden würde. Also mit dem Auto hinüber; das tat ich dann gegen 10 Uhr. Ich stellte mich auf sehr hohe Kosten ein, da die Fähre 12,30 € kosten sollte und zusätzlich eine Maut von 20 € für die Insel fällig sein sollte. Erstaunlicherweise waren die 12,30 € aber für Hin- und Rückfahrt, und die Maut betrug nur 5 €. Man kann sich auf keine Internet-Informationen mehr verlassen, das hat schon der alte Goethe gewusst.

Wann kann man beim Autofahren schon mal gefahrlos ein Selfie schießen? Auf der Fähre natürlich!

Ich wollte erst einmal ganz durchfahren bis fast an die russische Grenze zum Oblast Kaliningrad. Einen kleinen Stopp machte ich in Juodkranté, als ich an Sandskulpturen vorbeifuhr. Nett. Dann nach Nidden, das ist ein sehr pittoresker Ort, selbst im grauen Gewand. Viele hergerichtete Holzhäuser, einige stehen sogar unter Denkmalschutz, alles ein bisschen aufgehübscht, alles ein bisschen trostlos. Trostlos heute, weil sich nur ganz wenige Menschen hierher verirrt haben. Hier ist richtiggehend Nachsaisonsdepression. Und dann bei diesem Wetter: ein Fest! Aber ich kann mir vorstellen, dass man im Sommer hier ganz wunderbar Zeit verbringen kann. Der Blick aufs Haff ist sehr schön, es gibt dort ein ganz besonderes Licht, dass schon viele Künstler hierher gelockt hat. Unter anderem Berühmtheiten wie Lovis Corinth.

Auch die anderen Orte auf der Kurischen Nehrung sind recht ansehnlich. Die Dinge die ich mir ansehen wollte, natürlich die Häuser, dann aber auch die für diese Gegend einzigartigen Grabtafeln, die es hier auf den Friedhöfen gibt. Der von mir besuchte Friedhof war fast schon ausschließlich deutsch. In der dazu gehörigen evangelisch-lutherische Kirche hält man auch deutsche Gottesdienste ab, es liegen sehr viele deutschstämmige Menschen auf dem Friedhof, es gibt sehr viele Inschriften auf deutsch. Wen wundert’s, war hier doch alles mal sehr deutsch. Hierzu empfehle ich den Interessierten einmal die Geschichte über Memel zu lesen, so hieß Klaipeda bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.

Dann habe ich natürlich die große Düne erklommen, da hat es mich fast weggeweht! Ich weiß nicht genau, wann ein Orkan anfängt, aber es fühlte sich an, als wäre es nicht mehr weit weg davon. Am Ostseeufer war ich selbstverständlich dann auch noch. Die See war heute natürlich rauh wie sonst was, aber auch hier ein toller Ausblick über kilometerlange weiße Sandstrände, hohe Dünen, Nadelwälder, die bis zum Strand stehen.

Es gibt hier außerdem einige Märchen- und Hexenwälder, aber leider ist das für mich nicht von Interesse, handelt es sich dabei doch vorrangig um eine Ansammlung dieser gruseligen „skandinavischen“ Holzfiguren, die mir ein wenig zu altbacken sind.

Es gibt diverse Skulpturenparks sowohl in Klaipeda, als auch auf der Nehrung. Aber auch hier ist meine Begeisterung nicht besonders groß, alles sieht ein bisschen aus wie ein billiger Henry Moore. Und selbst den finde ich nicht besonders erwähnenswert. Man staple drei große runde Steine aufeinander, haue eine Eisenstange mittdurch und nenne das Ganze die drei Grazien (wahlweise die Musen, Nornen oder die Drei von der Tankstelle), schon ist die Kunst fertig? Nein, liebe Leute, so einfach ist das nicht. 🙂

In Nidden gehört sich natürlich auch ein Besuch des Thomas-Mann-Hauses. Der Nobelpreisträger (ich liebte die Buddenbrooks!) verbrachte hier drei Sommer hintereinander und schrieb „Joseph und seine Brüder“. Das heutige Museum ist ein bisschen schlicht. Paar Tafeln an der Wand, ein paar Installationen. Ich meine, es ist spannend, sich vorzustellen, wie der Übervater der Mann-Familie sinnierend auf der Terrasse stand und auf das Kurische Haff heruntersah. Aber man hätte hier mehr draus machen können. Was bleibt ist der Wunsch, sich noch einmal mit dieser sehr interessanten Familie auseinanderzusetzen.

Als sehenswert waren noch diverse Naturparkteile angegeben, so z.b. der Wald der Kormorane und Graureiher. Auf der Aussichtsplattform für das von diesen Vögeln bewohnte Gebiet standen 20 Touristen und schnatterten „Wo sind denn die Vögel, ja, wo sind denn die Vögel?“. Die Vögel waren natürlich nicht da, aber ich würde mich auch unter meinem Bett verkriechen, wenn lauter Touristen vor meiner Tür stehen und nach mir riefen. Aber man sah doch viele Nester und man sah doch viele weiße, tote Bäume, denn der Vogelkot bedeckt und erstickt alles. Zudem gibt es noch einen Elchbruch. Aber da ich ja vor kurzem erst Elch… habe ich mich da nicht hingetraut.

Es gibt über Kormorane übrigens einen netten Vers von Robert Gernhardt, unserem Dichter aus Tallinn. Aus seinem Tieralphabet. Ist aber nicht pc. 🙂

Nach fünf Stunden Aufenthalt hatte ich genug von wechselhaftem Wetter, Kälte, Wind und Regen, so dass ich wieder Richtung Fähre fuhr. Was soll ich sagen? Kurz bevor ich dort ankam, brach der Himmel auf und die Sonne schien durch und es wurde warm. Aber deswegen jetzt wieder zurückfahren, um den ganzen Kram noch einmal zu machen: nein danke.

Ich beschloss dann – statt wie ursprünglich geplant, ein kleines Nickerchen zu machen – mir doch noch einmal Klaipeda anzugucken. Und es gibt hier doch schöne Ecken; es gibt Fachwerkhäuser, es gibt es einen schönen Theaterplatz, es gibt den völlig überbewerteten und trotzdem netten Ännchen-von-Tharau-Brunnen, und die Altstadt ist an sich auch ganz okay. Zu diesem Brunnen, an dem ich in einem Restaurant mein Bier zu mir nahm, wurde eine Reisegruppe nach der anderen angekarrt. Alle staunten ehrfürchtig die kleine Bronzefigur an, durften sich dann um die Ecke ein Eis holen, konnten an den völlig überteuerten Ständen Souvenirs erstehen und wurden wieder in den Bus verfrachtet. Und das vier oder fünf Mal in der einen Stunde.

Heute hatte ich – glaube ich – das erste Mal ein veritables Rundreisenerschöpfungssyndrom. Ich vermute, man merkt das auch meiner mäkeligen Art der heutigen Schilderungen. Es prasselt ja doch so einiges auf einen ein. Ich wusste heute Abend nicht mehr, ob nun Richard Wagner hier am Theater eine Saison lang dirigierte (tat er) oder ob er nackt im Brunnen gebadet hat (tat er [wahrscheinlich] nicht). Ein Informationsfluss sondergleichen, dazu die langen Fahrten und die Vorbereitungen eines jeden Tages. Gleichzeitig überkommt mich aber doch Wehmut, dass ich mich morgen von Ludwig Zisch trennen muss und dann in Riga meine letzte Nacht im Baltikum verbringe.

Naja. Erstmal wieder morgen zum Ausgangspunkt der Reise, und noch ein paar kleine Dinge erleben. Ihr seid doch wieder dabei?

Pasimatysime rytoj! Euer Gerald

Scheibe. Geblitzt. Nee. Nur Spaß! 😉
Udo, das bist ja Du in 20 Jahren! Und jetzt schon ein Denkmal? Wow!

Tag 12: Kreuzberg? Nicht nur in Berlin!

Labas vakaras iš Klaipėdos!

Heute habe ich nicht so wahnsinnig viel erlebt, da ich die meiste Zeit im Auto verbracht habe. Und Autofahren ist hier ja eher ein unspektakuläres Ereignis. Wobei ich meine, zwischen den baltischen Fahrern kleine Unterschiede ausgemacht zu haben. Hier in Litauen fährt man eher etwas forscher. Naja, die Selbstmordrate ist ja hier scheinbar auch höher als anderswo.

Damit aber das Tagebuch heute nicht nur aus zwei kurzen Anekdoten besteht, hier ein kleiner baltischer Sprachkurs. Ich frage das dann zuhause ab:

Bei einigen Wörtern müsst Ihr Euch noch wilde diakritische Zeichen dazu denken 🙂

Gegen 10 Uhr brach ich in Vilnius auf in das ca. 30 Minuten entfernte Trakai. Der ganze Ort hat einiges zu bieten, aber aufgrund meines zweiten Ziels und der insgesamt langen Strecke konzentrierte sich mein Besuch ganz auf die Wasserburg. Also, man möchte sich nicht vorstellen, was da in der Hauptsaison los sein mag. Denn schon Hunderte von Metern vor der Festung winkten Babuschkas die Autos auf ihre Hinterhöfe. Was aber beim heutigen Besucherandrang zwecklos war, denn die zwar kostenpflichtigen, aber bezahlbaren Parkbuchten waren noch lange nicht alle belegt.

Großfürst Vytautas

Die Burg liegt malerisch mitten in einem See. Sie könnte aus einem Disneyfilm stammen. Ganz klar ist mir auch nicht, wie alt oder neu bestimmte Teile der Burg sind. Einiges sieht aus wie frisch dahingemauert.

Es gibt viele kleine Ausstellungen, man kann sich einen Marathon über Treppen, Stiegen, Wege und Zimmer erlaufen, und erlebt eine wirklich enorm instandgesetzte mittelalterliche Anlage. Sehr sehenswert und hübsch das alles. Wenn man mag, kann man auch mit einem Boot auf dem See rumschippern, entweder mit einem Kapitän auf einem größeren Exemplar oder unter Einsatz seiner Beinmuskulatur auf einem kleineren Exemplar.

Kaunas ließ ich links liegen und begab mich – einen ziemlichen Umweg hinnehmend – zum Berg der Kreuze. Dieser Wallfahrtsort liegt mitten in der litauischen Pampa. Ich wurde mal wieder teilweise über Schotterpisten dahingeführt. Mein armer Ludwig. Ging wahrscheinlich auch anders, aber ich habe den Menüeintrag „Schotterpisten NEIN“ im Navi noch nicht gefunden. Zwischendurch hatte ich ein bisschen Benzinpanik, da partout auf der ganzen Strecke keine Tanke sichtbar war. Ich habe das aber durch einen kleinen Abstecher in eine größere Ortschaft gelöst. Die Dame an der Kasse war zum Plaudern aufgelegt, sprach aber nur Litauisch. Und „Ja, nein, danke, Prost“ hätte mir da nur wenig geholfen.

Was soll ich sagen? Ich erwartete einen mystischen und spirituellen Ort. Aber es war vor allen Dingen eins: gespenstisch. Die Geschichte dieses Kreuzberges ist interessant, eine Art Symbol des Widerstandes der Litauer gegen vor allem die sowjetischen Besatzer und der Katholiken gegen die Kommunisten. Bewundernswert. Aber leider ist für mich diese Ansammlung religiöser Kultobjekte, die im starken Wind auch noch akustisch nach Aufmerksamkeit heischen, ein bisschen zu viel. Die Touristen, die dann laut schnatternd durch die Kreuze stapften, taten ihren Teil dazu. Angegruselt habe ich mich wieder entfernt.

Bis nach Klaipeda, meinem Bestimmungsort für die kommenden beiden Nächte, musste ich dann noch zweieinhalb Stunden fahren. Ich kam gegen 18 Uhr dort an und landete auf einem Hinterhof, wo mir das Navi erklärte, ich habe mein Ziel erreicht. Leider versäumte ich es, ein Foto zu machen. So ein anheimelnder Hinterhof! Da hätte ich gerne gepennert. Nachdem Google Maps sich weigerte, einzusehen, dass es falsch lag, ließ ich den Wagen dort auf dem Hof stehen und fragte mich bei den spärlich hier herumlaufenden Menschen nach dem Hotel durch. Einen Block weiter fand ich es dann, holte den Wagen und checkte ein. Ganz nett, aber Entzückensschreie kann ich zurückhalten.

Ein erster Erkundungsgang ergab, dass es auch in der Sonne inzwischen frisch ist, also bereute ich, meine Jacke im Auto gelassen zu haben. Zum zweiten stellte sich heraus, dass offensichtlich auch anderen zu frisch war, sich draußen herumzutreiben. Es ist wie ausgestorben hier. Sehr nachsaisonal. Und leider auch nicht allzu sehenswert. Ich war am Kastell, an dessen Ufern sich hunderte von Yachten schmiegen, am zentralen Platz und in der Haupteinkaufsstraße. Naja. Nett. Nett und leer und frisch.

Im Hotel wird gerade eine Hochzeit gefeiert, aber eher im kleinen Stil. Ich hätte mich sonst daruntergemischt. Daher ist das Hotel auch gut ausgebucht.

Ja, Ihr Lieben. Morgen wandele ich dann auf den Spuren von Thomas Mann, der oft an der kurischen Nehrung seine Sommerfrische verbrachte. Und versuche, das Ännchen zu finden.

Bis denne! Euer Gerald

Scheint, das Guest Craft Bier der Saison ist Kölsch. Aber warum spuckt der Mann es wieder aus?
Und was bedeutet Vier Winde Kölsch Stil-Bier? Bier übrigens: alus, olu, alus…
Und wenn wir schon bei Bier sind: Pils bzw. pilis heißt im Lettischen/Litauischen Burg oder Schloss

Tag 11: Nun doch ein viertes Land – ganz offiziell

Mieli skaitytojai!

Der Nachteil eines Apartments auf so einer Rundreise ist ja der, dass man sich dem morgendlichen Müßiggang hingibt. Denn kein Frühstück wartet auf einen, dass bis 10 Uhr oder wann auch immer eingenommen werden muss. Und man kann sich dann so prima noch einmal rumdrehen. Und dann noch einen Kaffee und noch einen Kaffee…. So kam ich erst sehr spät aus den Plumeaus in die Plünnen und in die Puschen.

Mein erster Besuch galt der Kirche St. Peter und Paul, ein eindrucksvolles Beispiel für den Hochbarock in Europa. Mehrere tausend Figuren sind aus dem Stuck herausgearbeitet, sie sind sehr kunstvoll und vielfältig. Man könnte Stunden verbringen, sich alle diese kleinen Kunstwerke der Bildhauerei anzusehen.

Aber ich wollte um 13 Uhr eine kleine Bootstour über die Neris unternehmen und die Kirche liegt etwas außerhalb der Innenstadt. Die Bootsfahrt sollte 45 Minuten dauern und an der Mindaugas-Brücke starten. Als ich mich dort kurz vorher einfand, stellte sich heraus, dass ich der einzige Kunde war; die drei Mitglieder der Besatzung fläzten sich herum und schienen nicht besonders motiviert, daher beschloss ich gar nicht erst, nach der Tour zu fragen. Ich hätte mich auch unwohl gefühlt, so ganz alleine auf dem Boot. Zudem hatte ich ja schon einiges von der Flussseite aus gesehen. Und es nieselte auch. Igitt. Mindaugas war übrigens der einzige König Litauens.

So begab ich mich dann zum Präsidentenpalast und knipste mich mit dem. Dann erwarb ich Tickets für den Besuch der Universität, wo in der Universitätskirche jemand für mich Orgel spielte, das fand ich sehr aufmerksam! Die Universität ist in verschiedenen Stilen gebaut und durchaus sehenswert. Sehr, sehr viele junge Studentinnen und Studenten wuseln sich auf den vielen Innenhöfen. Hier macht studieren bestimmt viel Spaß.

Auch für den zur Uni gehörigen Glockenturm erwarb ich ein Ticket. Man fährt nach ein paar Stufen mit einem Glasaufzug hoch, das ist ja mal wieder so richtig was für mich! Ich musste die Augen schließen! Gibt es eigentlich wissenschaftliche Untersuchungen, warum Höhenangst immer schlimmer wird? Auf der 4. Etage des Turms waren die spektakulären Ausblicke dann durch Gitterfenster verdeckt, also habe ich mich eine schmale Stiege hinaufbemüht, um an die Brüstung des Glockenturms zu gelangen. Schon beim Aufstieg habe ich mich gefragt, wie ich jemals lebend da wieder herunter kommen soll. Aber die Ausblicke sind wirklich spektakulär! Und das Wetter hatte sich inzwischen gebessert. Im untersten Stock des Turmes gibt es noch eine kleine Ausstellung, auf der ersten Ebene (wo der Aufzug startet), gibt es ein foucaultsches Pendel. Sehr interessant.

Weiter ging es in das ehemalige jüdische Viertel. Auf dem Weg dorthin kam ich an einer Kirche vorbei, in der gerade ein Gottesdienst stattfand, ich glaube auf russisch. Es ist schon interessant: jedes Mal wenn ich ein religiöses Gebäude besuche, findet dort irgendetwas statt oder jemand spielt Orgel oder jemand wird getauft. Religiöses Leben spielt hier eine größere Rolle als bei uns. Wobei: dieser Gottesdienst war nur von 20 Frauen und zwei Männern besucht. Aber immerhin vier Messen täglich, wenn ich das richtig gedeutet habe!

Das jüdische Viertel war nicht einfach zu finden. Es hieß früher Klein-Jerusalem und war ein weltweit geachtetes Zentrum des Judentums. In Vilnius gab es fast 100 Synagogen, das Jiddisch wurde hier kultiviert, es gab über 150 jüdische Vereine. Warum fand ich es nicht? Nun, es wurde fast alles ausgerottet, was an jüdischem Leben hier war. In Litauen wurde sowohl von deutscher als auch russisch/litauischer Seite mit unglaublicher Brutalität vorgegangen. Ein entsetzliches Kapitel in der Geschichte Litauens!

Ich lief weiter zur alten Bastion. Die ist nicht weiter sehenswert, aber auf meinem Weg nach Osten gab es sehr schöne Aussichtspunkte, von denen man aus über die gesamte Stadt blicken konnte. Außerdem kam ich noch an der leicht verfallenen und seit langem geschlossen Himmelsfahrt-Kirche vorbei, ein bemerkenswertes Mahnmal an die Vergänglichkeit.

Auf meinem Weg zurück kreuzte ich erneut die Republik Uzupis. Hier nahm ich dann auf der Terrasse des quasi Regierungsgebäudes, dem Café Uzupio, mein Bier mit Blick auf die Vilnia ein. Das hatte ich zwar gestern schon vor, aber da war die Terrasse von Briten okkupiert, die sich gegenseitig mit Lebensmitteln bewarfen und grölten. Kurz vorm Brexit noch mal die Sau rauslassen. Und dann holte ich mir doch einen Stempel für meinen Pass. Ich war nun offiziell und nachweisbar dort.

Apropos Ländervertretungen: Ich bin an so ziemlich allen Botschaften in Vilnius vorbeigekommen. Wenn man nun davon ausgeht, dass alle fast 200 Länder dieser Welt eine diplomatische Vertretung in Vilnius unterhalten und dann annimmt, dass Vilnius in ebenso vielen Ländern ein Gegenstück hat, dann ist die prozentuale Quote an Diplomaten im Beruferanking Litauens sehr hoch. Wie mag das in noch kleineren Ländern sein?

Auf dem Weg ins Apartment kaufte ich noch Käse bei einem Lidl ein – wiewardasmitderWeltunddem Dorf? – da ich wieder nach mehreren Stunden Fußmarsch zu erschöpft war, ein Restaurant zu suchen. Zudem hatte ich noch Fisch und musste die Route für morgen überlegen. Kaunas soll doch nicht wirklich sooo besuchenswert sein. Auch ein Wein musste noch in die Einkaufstüte. In Litauen gibt es übrigens strikte Gesetze, was Alkohol angeht. Sie werden begründet mit einem Weltspitzenplatz an Alkoholikern und daraus resultierenden Suiziden. Puh.

Also, für heute nur noch viele Grüße an alle und ? ? .

Euer Gerry

Und ich Dummerchen dachte immer, die heißt Norma Jean Baker.
Den wollte ich Euch nicht vorenthalten. Ist der nicht putzig?

Tag 10: Sie will ja, sie will ja… nach Wilna

Sveiki atvykę į Lietuvą!

Nun also Litauen. 🙂

Zum Hotel heute früh gibt es noch zwei Dinge zu berichten; erstens war das Frühstück so lala, auch hier fühlte ich mich an Moskauer Zeiten erinnert, und zweitens rufe ich hiermit alle Hoteliers auf, künftig alle Turn- und Sportvereine, die nachts ihre Übungen abhalten, ins Erdgeschoss zu verbannen. Insbesondere in Gebäuden mit Holzdecken! Gleiches gilt übrigens auch für kinderreiche Familien, deren Zöglinge gerne Möbel rücken!

Natürlich habe ich von den mir gesteckten Zielen die Hälfte nicht geschafft. Das Gelände der Zarenfestung ist sehr weitläufig, das hat schon mal viel Zeit gekostet. Es gibt dort auch, oha!, ein Mark-Rothko-Zentrum. Die Fahrt nach Dinaburga war auch zeitraubend, wobei von der Burg wirklich nur noch ein paar Felsen herumliegen. Aber die Aussicht auf den Nationalpark Daugava Loki über den Fluss Düna ist wunderschön. Nur sein Mückenspray sollte man nicht vergessen. Ein winzig kleines Modell der Burg lässt erahnen, wie es früher dort einmal ausgesehen haben mag.

Ich machte mich dann auf den langen, langen Weg nach Vilnius. Ich war sehr schnell in Litauen, denn Daugavpils liegt sehr nah an der Grenze. Bisher sind die Fahrten durchs Baltikum immer sehr schön gewesen, alles ist grün, man fährt quasi durch Seen hindurch, an Flüssen vorbei, manchmal poppt ein Astrid-Lindgren-Haus auf. Und dann poppt auch mein Herz auf. Meistens aus Holz und schön bunt. Also, das Haus, nicht mein Herz. Es ist Bilderbuch, durch das Baltikum zu fahren.

Die Straßen in Litauen, zumindest die von mir benutzten auf der Strecke von Daugavpils nach Vilnius, waren aber in einem teilweise erschreckenden Zustand. So kam ich nicht besonders schnell voran. Trotzdem schaffte ich es, mit nur einer halben Stunde Verspätung um 14 Uhr in Vilnius bei meiner Gastgeberin Simona zu sein. Das Apartment ist sehr schön, mein Wagen steht in einem Innenhof, das Tor übrigens nur ein paar Millimeter breiter als der Wagen. Dann Besichtigung und Erläuterung. Und während wir so sitzen und die Wohnung besprechen, taste ich nach meinem Geldbeutel, weil ich die Übernachtung auch hier in bar bezahlen sollte, und… Er war weg.

Ich hatte 200 km zuvor an einer Tankstelle getankt und musste dort meine Kreditkarte in einen Schacht an der Zapfsäule stecken, während ein etwas unheimlicher Mensch hinter mir die ganze Zeit auf mich eingebrabbelt hat. Sollte das eine Ablenkung gewesen sein? Aber ich war mir sicher, ich habe das Portemonnaie wieder in meine Hosentasche gesteckt. Schnell zum Auto gelaufen, alles gründlich durchsucht, kein Portemonnaie. Wieder ins Apartment, Rucksack ausgekippt, kein Portemonnaie!! Panik!!! Simona bat dann darum, zusammen zum Auto gehen, wir würden das Ding schon finden. Und dann lag es im Fußraum. In meiner Aufregung habe ich es beim ersten Durchsuchen schlichtweg übersehen. Schweißperlenalarm hoch 10! Ich bin zu alt für sowas.

Ich glaube, das Apartment, das ich gebucht habe, ist ein anderes, als ich nun bekommen habe. Aber ich fühle mich bisher wohl, insofern ist das für die zwei Tage egal. Es liegt sehr zentral, ich brauchte nur ein paar Minuten bis zur Touristeninformation. Vorher habe ich noch die Skyline der Neustadt am gegenüberliegenden Ufer der Neris, dem Hauptfluss der Stadt, fotografiert, die ein bisschen an Frankfurt in Kinderschuhen erinnert.

In der Tourist-Information erkundigte ich mich nach einem Aussichtspunkt, man schickte mich auf den Gediminas-Turm. Das sei quasi Pflichtprogramm. Ich fuhr mit der Standseilbahn hoch, erkraxelte den Turm, der auch ein Museum ist und lief wieder herunter. Schöne Aussicht von da oben!

Ich begab mich dann zur St. Anne und Bernhardine-Kirche, eins der seltenen Gotikgebäude in Litauen. Dann ging es weiter zur „unabhängigen“ Republik Uzupis. Dies ist eine sehr interessante Konstruktion, ich empfehle den entsprechenden Wikipedia-Artikel dazu zu lesen. Vor allen Dingen ist die Verfassung äußerst witzig. Auf die Ausstellung eines Visums in meinem Pass habe ich verzichtet, das wäre tatsächlich möglich gewesen. Ich schlenderte dann ein wenig durch die Altstadt.

Eine Achse von drei Straßen von der Kathedrale bis zum Ausros-Vartai-Tor ist dabei die Route der meisten Haupattraktionen. Also, Vilnius ist sehr, sehr schön dort. Ein Hingucker löst den anderen ab. Viel Barock, Renaissance, Klassizismus, alles da. Und alles sehr urban und trotzdem luftig. Ich bin versucht zu sagen, dass mir diese Hauptstadt am besten von den dreien gefällt. Aber da würde ich Äpfel mit Birnen vergleichen. Es ist eben ein weiteres Highlight dieser an Highlights nicht armen Reise.

Kirchen, Palais‘, Tore… und palaisartige Kirchen im Tore. Ich konnte einen Gottesdienst im Ausros-Vartai-Tor mit ansehen. Es gibt dort eine wundertätige Ikone. Die Muttergottes im Tor der Morgenröte.

Nach etwa viereinhalb Stunden Fußmarsch besorgte ich mir dann in einem Laden etwas Fisch, in einer wunderbaren Bäckerei etwas Brot und sitze jetzt bei einem Rosé am Esstisch und schreibe dies auf.

Ich werde heute mal darauf verzichten, mir Gedanken über morgen zu machen. Denn wie heißt es schon in Brechts „Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“?

Ja mach nur einen Plan
sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch´nen zweiten Plan
gehn tun sie beide nicht.

Also, morgen dann wieder hier in diesem Salon?

Liebe Grüße von Eurem Gerald

Schöne Reise? Ja, Schwein gehabt!
So sieht es aus, wenn ich Tagebuch schreibe. Links mittig der unabkömmliche Hagebuttentee.