Tag 6: Reval ist nicht nur eine Zigarettenmarke

Tschüss, Pärnu!

Wenn einer keine Reise tut, dann kann er nichts erzählen.
Wenn einer keine Liebe hat, dann kann er niemand quälen.
Wenn einer keinen Hammer hat, dann hat er nichts zu klopfen.
Wenn einer keine Mäuler hat, dann hat er nichts zu stopfen.
Wenn einer keine Brüder hat, dann hat er nichts zu schwestern.
Wenn einer keine Ostern hat, dann hat er nichts zu western.
Wenn einer keine Götter hat, dann hat er nichts zu lästern.
(Robert Gernhardt, geb. 1937 in Tallinn, gest. 2006 in Frankfurt/Main)

Tach auch aus Tallinn!

Heute beginnt der Bericht mit einem Werk von Robert Gernhardt, den ich sehr schätze. Er ist in Tallinn geboren, hat tolle Gedichte geschrieben, Romane, Novellen, Berichte und Beiträge für bekannte Komiker und Satirezeitschriften. Er ist einer meiner Lieblingsautoren!

Aber nun zum Tag: Heute früh musste ich die schöne Villa Ammende am Ende doch verlassen. Nach einem erneut sehr leckeren Frühstück packte ich mein Zeug zusammen, checkte aus und fuhr zum Museum für moderne Kunst (Uue Kunsti Muuseum) in Pärnu. Dieses Museum sollte laut Google ab 9 Uhr geöffnet sein, es war inzwischen zehn. Vom Frühstückstisch aus hatte ich noch in Tallinn angerufen und meiner Vermieterin Katrin mitgeteilt, ich würde ihr um 14 Uhr die ungefähre Ankunftszeit angeben. Für das Museum hatte ich zwei Stunden eingeplant. Leider war dieses Museum nun geschlossen, genau für diese eine Woche. Ich nahm mir also vor, den Wagen noch einmal in Pärnu City zu parken, und die Stadt zu Fuß zu erkunden, aber nicht ohne vorher im Tourismusbüro gefragt zu haben, was man denn gesehen haben müsse.

Katharinenkirche in Pärnu

Der einzige Mitarbeiter dieses Tourismusbüros war aber dermaßen mit telefonieren beschäftigt, dass ich nach einer Viertelstunde die Lust verlor, ihn anzustarren und einfach so los lief. Es stellte sich heraus, dass Pärnu doch auch abseits meines Villenviertels ein paar schöne Ecken zu bieten hat. Schöne alte Häuser, Teile der alten Stadtbefestigung, wunderbare Cafés, schön geschmückte Straßenzüge. Also, ich kann Pärnu von vorne bis hinten nur wärmstens empfehlen! Und wenn ihr schon mal dahin fahren solltet, dann übernachtet in der Villa Ammende, denn sie ist ein Traum!

Der rote Turm. Schwer zu finden!

Abends im Reiseführer habe ich übrigens einen kleinen Artikel über die Villa entdeckt. Dort heißt es sinngemäß, dass man sie ansehen sollte, auch wenn man sie sich überhaupt nicht leisten kann. Ich persönlich finde 75 € für eine Übernachtung in einer Jugendstil-Villa inklusive Frühstück ist nun wirklich nicht die Welt! Aber wahrscheinlich reden die über Preise während der Hauptsaison.

Die Fahrt nach Tallinn verlief dann sehr, sehr ruhig, mit den gewohnten 90 Stundenkilometern und das über eine Strecke von ca. 130 km. Nur Tallinn hat mich dann etwas gestresst, da man beschlossen hat, alle Straßen gleichzeitig auf einmal aufzureißen. Mein Navigationsgerät akzeptierte nicht, dass ich nicht überall hinfahren konnte, und bat mich beispielsweise, in Einbahnstraßen zu wenden. Ich parkte sehr nah meiner neuen Unterkunft und rief verzweifelt Katrin an. Ich käme nicht durch. Sie versprach, sich ins Auto zu setzen, um mich abzuholen, um dann Kolonne zu fahren, sie kenne sich ja aus. In der Zwischenzeit habe ich dann auf das Navigationsgerät verzichtet und mir auf einem Straßenplan angeguckt, wo die Unterkunft liegt. So konnte ich dann unter Umgehung sämtlicher Großbaustellen doch noch vor das Apartment fahren. Ich informierte Katrin per WhatsApp, wir trafen uns, die Wohnung wurde übergeben. Das Apartment ist sehr schön, ich habe einen Blick auf den Fährhafen, von einem kleinen Balkon aus, der allerdings komplett hinter Glas liegt, ein Wintergärtchen sozusagen. Katrin hat auch schon Bier, Wasser, Kaffee und Bonbons bereitgestellt, was ich sehr aufmerksam finde. Eine glückliche Wahl. Denn diese Anmietung war bisher die schwerste Geburt. Ich brauchte ja einen Parkplatz und so gab es wenig freie Unterkünfte. Parken in der Altstadt kostet nämlich 20 Euro pro Tag.

Blick vom Balkon meiner Unterkunft

Nachdem ich alles einigermaßen verstaut hatte, begab ich mich sofort in die Altstadt von Tallinn. Sie liegt keine zehn Minuten von hier entfernt und ich muss, um zu ihr hin zu gelangen, durch das sogenannte Rotermannviertel. Dies ist zwar modern, aber auch sehr hübsch. Modern kann auch schön sein, dieses Viertel ist das beste Beispiel dafür.

Rotermannviertel. Und welches Sternzeichen sind Sie?

Die Altstadt von Tallinn ist größer als die von Riga. Obwohl Riga die größere Stadt ist. Ich schrieb ja über Riga, als ich in der Nacht ankam, dass es sehr voll sei. Tagsüber hat sich das dann ja relativiert, aber in Tallinn ist es tatsächlich auch tagsüber voll. Es liegen aber, glaube ich, auch Kreuzfahrtschiffe auf Reede. Das ist natürlich für jede Stadt eine Herausforderung.

Ich musste sieben Minuten mit gezückter Kamera warten, bis kein Kopf mir vor die Linse lief 🙂

Tallinn gefällt mir sehr gut. Es gibt fast keine nicht schöne Ecke. Ich sah den Rathausplatz, stieg dort den Turm hoch, von dem man aus eine wunderbare Aussicht hat (eigentlich bin ich zu alt für – am Ende – kniehohe Stufen!), wenn auch nicht viel Platz ist, um sich zu drehen und zu wenden. Dann bimmelte die Glocke über mir auch noch dreimal und ich fiel vor Schreck fast die steile Treppe runter. Oben hatte ich auch noch ein nettes Gespräch mit einem Kanadier. Als wir uns beim Vorstellen die Hände schüttelten, erschlugen wir damit fast die nächste Touristin (sie war Filipina), die sich auf die Plattform zwängen wollte. Mich erstaunt die Vielfalt der Nationen hier, ist doch das Baltikum eher klein. Aber Lars aus Halifax erzählte, dass er gerne kleine Länder bereise. Belgien, Andorra, Estland. Immerhin sei er in Deutschland ja in Frankfurt zwischengelandet.

Blick vom Rathausturm

Ich ging anschließend hoch zur Alexander-Newski-Kathedrale (an einer Hochzeitsgesellschaft vorbei, was einer japanischen Reisegruppe Entzückensschreie und Kameras entlockte, was wiederum das Brautpaar sichtlich genoss), dann zum Dom (wo jemand wunderbar Orgel spielte, was ja, leidgeprüfte Spieler UND Hörer wissen das, nicht so einfach ist!), die Befestigungsmauern entlang und sah den „Kiek in die Kök“. Ganz ehrlich, hier habe ich zuerst an ein Restaurant gedacht. „Guck mal in die Küche“. Heißt es zwar auch, aber es handelt sich trotzdem um den Kanonenturm der alten Bastei.

Eindrücke aus Tallinn:

Nach drei Stunden Fußmarsch durch die Altstadt entschied ich mich, auf dem Rathausplatz ein Bier zu trinken. 6,50 € für ein Bier! Naja , der Blick ist halt mit bezahlt. Jetzt sitze ich wieder im Wintergarten meines Apartments, und schreibe den ersten Teil meines Tagebuchs. Es ist schon weit nach 18 Uhr, aber die Baustelle, in deren Zentrum ich quasi ja wohne, ist immer noch unglaublich betriebsam. Der estnische Bauarbeiter schmeißt seinen Helm offensichtlich nicht um 15 Uhr in die Baracke. Ich gucke auf sehr große Fährschiffe, auf die Türme der Altstadt und auf ein riesiges Einkaufszentrum direkt vor der Tür. Vorhin hat es gegen halb sechs angefangen zu nieseln. Also, wenn es morgen schütten sollte, habe ich etwas direkt vor der Nase, wo ich mich mit Schuhen von Deichmann, Klamotten von H&M und Takko, …. die Welt ist einkaufstechnisch ein Dorf.

Rimi ist hier DIE Supermarktkette

…Werbepause…

Kurzer Teil 2 des Tages: Katrin erzählte mir, dass um die Ecke eine schöne kleine Brauerei leckeres estnisches Essen bereit hielte. Ich hatte noch keine Milch, ging also runter, um welche zu kaufen und plante dann, in dieser Brauerei zu essen. Sie sieht ganz wunderbar aus, aber ich wäre neben einer griesgrämig dreinschauenden Dame der einzige Gast in einer riesigen Halle gewesen. Das wollte ich dann irgendwie nicht. Also, wieder in den Supermarkt, original lettischen Käse (die No. 1!) und lettische Wurst und lettisches Schwarzbrot gekauft und wieder in mein schönes Apartment. Was soll ich sagen? Schmeckt wie Gouda, Salami und weiches Graubrot. Morgen Abend esse ich in der Altstadt!

„Haben Sie reserviert? Nicht? Dann muss ich mal schauen!“

So, Ihr Lieben. Hier ist es gleich 22 Uhr, ich muss jetzt mal gucken, wie ich den Tag morgen verbringen möchte. Das Auto bleibt jedenfalls in der Tiefgarage!

Solltet Ihr Lust haben, dann sehen wir uns morgen Abend wieder hier.

Ar laba vēlējumiem,
Euer Gerald

Das „Vorher“-Bild habe ich nicht gefunden.
Die deutsche Rechtschreibreform macht auch vor Ländergrenzen nicht Halt!

P.S.: Rolf, das ist jetzt nur für Dich! ? ? und ?

Tag 5: Die weiße Dame

Mere õhtut, Ihr Lieben!

Ich habe heute Nacht ganz wunderbar geschlafen, es war einfach ein so schöner Tag, und ich war sehr entspannt. Auf dem Weg ins Frühstückszimmer wurde ich abgefangen und begleitet. Wirklich aufmerksam. Der erste Blick auf das Buffet entlockte mir ein mentales „naja“. Schöne Sachen, aber nicht eben viel Auswahl. Dann kam die Kellnerin und brachte mir eine Speisekarte, die von oben bis unten voller leckerer Sachen war, die ich alle bestellen durfte. Habe ich natürlich nicht gemacht, wollte ja noch ins Auto passen. Aber es gab frisches Rührei, einen ganz wunderbaren Obstsalat, und einen sehr leckeren Joghurt. Dazu habe ich etwas Räucherlachs gegessen und das Frühstück war perfekt. Ich hätte sogar Sekt trinken können, aber da ich ja vorhatte, noch Auto zu fahren, ließ ich das bleiben.

Dieser Salat spiegelt das ganze Hotel wieder. Der lieblos draufgeklatschte Joghurt ist von mir.

Ich schlendriante etwas in den Tag hinein, bis ich um kurz nach 11 Uhr dachte, jetzt müsse ich aber mal loslegen. Ich plante eigentlich, nach Saaremaa zu fahren, aber beide Navigations-Apps ermittelten unabhängig voneinander eine mehr als dreistündige Fahrt dorthin, obwohl es nur 150 km entfernt ist. Aber es kommt die Fähre dazu, und scheinbar gibt es dort auch wieder Schotterpisten. 7 Stunden Fahrt für 2 Stunden Aufenthalt wollte ich mir dann doch nicht antun, und begab mich alternativ nach Haapsalu, wo es eine mächtige, in Teilen noch gut erhaltene Bischofsburg geben sollte. Auch das nicht gerade um die Ecke, aber als sehr sehenswert angepriesen. Und jetzt bin ich froh dass ich es gemacht habe.

Der ehemalige Sitz der Bischöfe von Ösel-Wiek

Auf der Fahrt gab es leider einen massiven Wolkenbruch, so dass ich stellenweise auf der letzten Teilstrecke eher Wasserski als Auto gefahren bin. Mir schwante schon Übles. Aber wirklich auf die Minute genau, als ich meinen Wagen auf dem Platz vor der Burg abstellte, hörte es auf zu regnen und fünf Minuten später brach die Sonne durch den Himmel. Ein Wunder! Ich sollte öfters mal Kerzen anzünden, wenn ich auf Reisen bin. Scheint zu helfen.

Blick vom Burgturm aus.

Sehenswert ist Haapsalu in der Tat! Die Burg ist ganz wunderbar. Sehr groß. Wenn man in den Museums- und Kathedralteil möchte, muss man 12 € bezahlen. Aber auch das lohnt sich, die Ausstellung ist ausgezeichnet gemacht, es bereitet richtig Freude, sie anzusehen. Selbst die Toilette in einem Gewölbekeller ist fast schon einen Besuch wert. Die Erklärungen und Skizzen sind auf Glas gemalt und an die Wand gehängt, damit man die Mauern dahinter noch erkennen kann. Die Ausstellungsstücke ziehen sich durch alle Lebensbereiche: Waffen (ein ganz typischer Lebensbereich für uns), Töpferei, Gebrauchsgegenstände, Bischofsinsignien und die Erklärungen schildern das Leben auf der Burg zu damaliger Zeit. Die Kathedrale ist eher schlicht, aber strahlt etwas würdevolles und ruhiges aus.

Der Ort Haapsalu selbst ist auch entzückend. Wieder viele bunte Holzhäuser, stellenweise etwas verfallen, aber das gibt dem Ganzen einen gewissen Charme, dazu kleine Kirchlein, nette Grünanlagen und ein schöner Blick auf das baltische Meer.

Nach zweieinhalb Stunden Aufenthalt trat ich die Rückfahrt an. Sowohl auf der Hin-, als auch auf der Rückfahrt war ich manchmal kilometerlang alleine, ohne ein anderes Auto zu sehen. Nun ja, das gesamte Baltikum ist etwa halb so groß wie Deutschland, es wohnen aber nur ca. 6 Millionen Menschen hier. Die haben es gut. So viel Platz. Manchmal stand ein herrenloses Tier auf der Straße. Da muss man ein bisschen aufpassen. Ansonsten ist es sehr entspannend, mit 90 km/h Höchstgeschwindigkeit über die Landstraßen zu fahren, mehr ist hier nicht gestattet.

Auf der Rückfahrt hielt ich in Pärnu City an, das aber nicht so sehenswert ist, wie das Viertel, in dem ich wohne. Ich kaufte aber noch in einem Supermarkt ein paar Dinge ein, begab mich dann zur Villa, schnappte mir dort zwei Dosen Bier aus meinem Vorrat und setzte mich an den Strand, um den Ausblick auf das Meer zu genießen. Es wehte eine ganz schön steife Brise. Nix für Toupetträger!

Ob mir so ein Schnäuzer auch stehen würde?

Am Ende des Strandes tummeln sich ganz viele von diesen Kitesurfern, ich glaube das heißt so, wenn man mit einem Lenkdrachen auf dem Surfbrett steht, ich weiß es nicht so ganz genau. Aber es ist ein wunderschönes Bild. Auf dem Weg zurück schlenderte ich noch über die Skulpurenpromenade. Ganz nett.

Diese Reise ist bisher wirklich wunderschön, ich hätte nicht gedacht, dass das Baltikum mir so gefällt. Ich nehme an, dass es Ecken in Skandinavien gibt, die so ähnlich sind, und verstehe jetzt die Begeisterung einiger Bekannter, die gar nicht mehr woanders hinfahren mögen.

Es ist alles sehr schön ruhig und friedlich, es gibt unglaublich viel Grün, es gibt das Meer, es gibt Kultur ohne Ende und die Balten sind ein sehr freundliches und liebenswürdiges Volk. Ich kann jedem nur empfehlen, sich auch mal auf den Weg zu machen.

Abends habe ich mich ganz unspektakulär mit einem belegten Brot aufs Zimmer begeben, um dies hier zu schreiben.

Morgen werde ich diesen schönen Ort verlassen, um nach Tallinn zu fahren. Aber auch darauf freue ich mich schon sehr, denn es soll eine komplett erhaltene mittelalterliche Innenstadt geben, da stehe ich ja drauf, und habe erst einmal für zwei Nächte ein Appartement am Hafen gebucht. Dann sehen wir mal weiter.

Ich freue mich, wenn ihr mich morgen wieder begleitet. Bis dahin Allen alles Gute.

Euer Gerald

P.S.: Was das mit der weißen Frau in der Überschrift bedeutet? Prima! Ihr habt aufgepasst! Hier die Erklärung:

Gänsehaut!
Ich suche nach zwei Nächten Tallinn. Booking.com so….
… ich so! (Pst… Sparpreis)

Tag 4: Von Riga nach Pärnu

Ardievu, Latvija! Tere tulemast, Eesti!

Der Tag begann wie üblich mit Aufstehen, Waschen, Frühstücken, Packen und Auschecken. Moment, Packen und Auschecken sind ja gar nicht gewöhnlich. Oh, schade, ich werde Riga heute verlassen. War schön hier. Ich habe mich mit meinem Gepäck, einem sehr schweren Koffer und zwei Taschen sowie einem Rucksack, zum Bahnhof gequält und habe mich dabei natürlich mehrmals verlaufen.

Meine Begleitung für 10 Tage, er heißt Ludwig Zisch

Mit Ach und Krach schaffte ich es pünktlich zu meinem Termin mit dem Hertz-Meet-and-Greet-Man. Er sehr proper, jung, adrett, im Anzug. Ich dagegen verschwitzt wie eine alte fette Sau. Aber egal, ich war ja der Kunde. Der junge Mann sprach nicht allzu gut Englisch und war etwas fahrig, auch wollte er mich partout nicht ohne zusätzliche Versicherung fahren lassen, ich denke man hat es ihm so beigebracht. Ich sprach erneut mit der Hertzzentrale in Riga und erklärte, dass ich schon alle erforderlichen Versicherungen daheim abgeschlossen hätte. Man ließ mich also endlich fahren. Da ich ja nur alle Jubelmonate in einem Auto sitze, hatte ich etwas Bedenken, wieder – Achtung Kalauer – in Fahrt zu kommen. Aber es klappte ganz gut. Ein anfängliches Piepen, dass mich sehr gestört hat, erwies sich als nicht richtig geschlossene Heckklappe, das war schnell behoben. Ansonsten ist das Auto sehr schön, es ist ein Toyota Auris, scheckheftgepflegt, und fährt sich sehr, sehr angenehm. Bis ich aus Riga heraus war, verging einige Zeit. Das sehenswerte Riga aka Altstadt ist recht schnell erkundet, aber die Vororte ziehen sich wie Kaugummi. Und es ist außerhalb der Altstadt ziemlich viel Verkehr. Und es gibt Straßen, die in einem Zustand sind, dass alle, obwohl zweispurig, auf der vermeintlich besseren Spur fahren.

Turaida, einstmals Wohnstatt der bedauernswerten Maija.

Mein erster Weg führte mich nach Sigulda, ein an sich nicht weiter spektakulärer Ort, aber in der Umgebung gibt es einige Sehenswürdigkeiten. So besuchte ich das Schloss Turaida, wo sich schon im 17. Jahrhundert hochdramatische Szenen abspielten; man googele (?) mal nach der Rose von Turaida. Unbedingt den Turm raufkraxeln. Ganz tolle Aussichten!

Angeschlossen ist ein Dorf, wo es Ausstellungen gibt aus früheren Zeiten. In der Schmiede arbeiteten noch zwei Männer, wahrscheinlich den ganzen Tag für die Touristen. Ich erwartete dann natürlich, dass auch für die Touristen im Badehaus ein paar Mitarbeiter den ganzen Tag baden, bis sie schrumpeln und aussehen wie Gollum. War dann aber nicht so. Soll heißen, es wurde gar nicht gebadet!

Außerdem besuchte ich das Schloss des livländischen Ritterordens (gerade verhüllt, wenn auch leider nicht von Christo) und die Schwertordenburg. Inzwischen war es schon sehr spät, dass ich mir die Seilbahn, die ich mir vorgenommen hatte, sowie den Besuch weiterer Schlösser und Ruinen gespart habe.

Die Burg von Sigulda…. der Autor hätte auch mal vorher zur Kosmetik gehen können…..!

Beide Ausflugsziele sind einen Besuch wert. Und das hat sich wohl herumgesprochen, denn ich wurde in Sigulda von zwei asiatischen Gruppen angesprochen, wie sie denn zu den Burgen kämen… Paar Kilometer sagte ich. Wo denn hier Busse fahren? Ich konnte leider nicht helfen. Konnte ja schlecht 9 Asiaten in meinen Auris packen.

Weiter ging es nach Cėsis, einer sehr hübschen Stadt mit einer sehr sehenswerten Schloss-/Burganlage mit einem wunderbaren Park. Hier blieb ich länger als geplant, denn es ist wirklich pittoresk dort. Hübsche Häuser auch.

Impressionen aus Cesis

Die Fahrt nach Pärnu war dann etwas anstrengend! Das erste Teilstück war noch asphaltiert, dann bog ich auf die Bundes(?)straße v132 oder 158, ich weiß es nicht mehr so genau, um mich dann über Dutzende von Kilometern auf Schotterpisten fortzubewegen. Navi sei Dank. Mein scheckheftgepflegtes Auto! Herrje!

Und das kilometerlang. Inzwischen habe ich eine Straßenkarte. Der zufolge hätte das nicht sein müssen. Navis gehören definitiv nicht zu den KI-Errungenschaften! ?

Irgendwann kam ich dann an die A1, die Riga mit Tallinn verbindet (wegen der Ausflüge habe ich einen mehr als kleinen Umweg genommen), aber hier war schnelles Vorankommen auch nicht möglich. Diese von vielen Lastern befahrene Strecke ist zweispurig und es gibt keine Überholspur. Also tuckert alles mit pi x Daumen 80 Stundenkilometern durch die Pampa. Um 19 Uhr kam ich in Pärnu an und suchte mein Hotel, die Villa Ammende.

Dort wurde ich sehr herzlich empfangen, bekam mein Zimmer gezeigt, dass mir ein wenig klein vorkam, und bekam sofort ein viel größeres im Gärtnerhaus. Ob es mich denn nicht störe, dass ich nicht im Haupthaus untergebracht sei?

Alles ist hier wunder-, wunderschön! Alles im Jugendstil, alles antik. Das Personal reißt sich ein Bein aus, und ist an Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft kaum zu übertreffen. Nach der langen Fahrt nahm ich natürlich erst einmal ein Bier zu mir. Imperial Gold. So fühlte ich mich auch. Das Zimmer dass ich hier habe, ist zwar ganz günstig, aber dafür haben die Getränkepreise es in sich. Aber ich sehe das einfach mal als Ausgleich: ich wohne hochherrschaftlich, zahle wenig für die Übernachtung, dafür aber mehr für die „Lebensmittel“. Ausgleichende Gerechtigkeit halt.

Nach dem Bier ging ich runter zum Strand, keine drei Minuten von der Villa entfernt. Wenn ich mich in der Villa schon in einer anderen Welt gefühlt habe, dann bin ich am Strand nachgeradezu ausgeflippt. Gott sei Dank konnte mich niemand beobachten. Ich bin ein Kind des Meeres. Es ist so wunderwunderwunderwunderwunderwunderschön hier, die Sonne, die über dem Meer untergeht, die hölzernen Bademeisterhäuschen, die Liegen, die Schirme, der feine weiße Sand und das Rauschen des Meeres. Ein Traum!

Man merkt aber deutlich, dass Nachsaison ist. Auf der Suche nach etwas zu Essen musste ich gut eine halbe Stunde durch den Ort laufen, um in einer Pizzeria einzukehren, die aber wagenradgroße Pizzen serviert. Auch hier mit einer Freundlichkeit…

Wer schenkt mir ein Häuschen am Meer?????

Auf dem Weg durch den Ort sah ich viele bunte, hübsche Holzhäuser. Auch gibt es hier schöne Cafés und Parks und dergleichen mehr. Ich beschloss spontan, noch eine Nacht länger zu bleiben und fragte Karl, den Rezeptionisten, ob das Zimmer denn noch zu dem Preis verfügbar wäre. Ist es!

Und während ich dies hier schreibe, sitze ich im Salon, trinke einen Alto-Adige-Pinot…. dann kommt Karl, ob er mich stören dürfe, er hätte ein paar Seiten ausgedruckt, was man hier so alles unternehmen könne und wegen meines Interesses an Saaremaa auch die Fährzeiten. Ehrlich: Ich war kurz vorm Heulen. So kundenorientiert und das ganz, ohne devot zu sein. Auch die Weinkellnerin ist kompetent und nett.

Jetzt noch ein Weinchen und dann vielleicht noch eins… ?

Bis morgen, wenn Ihr mögt.

Liebe Grüße von einem gerade sehr, sehr glücklichen Gerald.

P.S.: Vom Wohl und Wehe des Alleinreisenden….
Heute früh beim Frühstück in Riga.
1: „Dann fahrn wir doch um 10 Uhr dahin!“
2: „Eh, darf ich jetzt erstmal frühstücken?“
1: „Na dann halb 11.“
3: „Bisse bescheuert? Da dusche ich gerade noch!“
4: „Sollen wir nicht hierbleiben? Soll regnen!“
1: „Ihr kotzt mich an!“
3: „Heul doch!“
4: „Also, ich bleib hier.“
2: „Mit Euch frühstücken ist scheiße!“

Geht doch!
Dem ist absolut nichts hinzuzufügen! (Graffiti an einer Wand des Konventa Seta)

Tag 3: Auf dem Wasser und unter Wasser

Sveiki kopā!

Letzte Nacht war dann ganz angenehm – zumindest von der Lautstärke. Die Matratzen hatten leider etwas klösterliches, sie waren sehr, sehr hart. Ach, dieser Gerry, immer was zu mosern und zu meckern! Also ehrlich, es war eine deutliche Verbesserung.

Heute beschloss ich, meinen geschundenen Füßen etwas Gutes zu tun und Boot zu fahren. Am Basteihügel fahren regelmäßig Boote den Kanal hinunter, biegen dann auf die Daugava (dt. Düna) ab, fahren an der Altstadt vorbei, um am Hafen wieder in den Kanal einzubiegen. Diese Rundfahrt dauert ca. eine Stunde und kostet 18 €.

„…mi’m Müllemer Böötsche fahre mer su jään…“

Ich wurde von zwei Australiern (Vater und Tochter) angesprochen, ob dies nicht sehr teuer sei. Auf meine Anmerkung hin, wie oft man das im Leben denn täte, stiegen sie auch ein. Ich hielt sie zuerst für ein japanisches Paar; das mit Japan sagte ich, das mit dem Paar gottseidank nicht. Das wäre unangenehm gewesen. Die Beiden erkunden das Baltikum per Fernbus und sind sehr glücklich mit dieser Reisemethode. Die Tochter soll im Herbst auf die Uni und sollte vorher noch etwas erleben.

Die Bootsfahrt ist ganz nett. Die Boote sind klein, und mit 12 Personen dann auch schon voll. Die Erklärungen kommen auf englisch, sind gut verständlich und die Fahrt bietet noch einmal einen anderen Blick auf Riga. Wir fuhren vorbei an der Nationalbibliothek, einem sehr futuristischen Gebäude, unter diversen Brücken hindurch, sahen die Altstadt vom Fluss aus, die Insel Kipsala am anderen Ufer, die mit alten und hübschen Holzhäusern aufwarten kann, waren am Kreuzfahrt- und Industriehafen, und schipperten an vielen kleinen Parkanlagen vorbei.

Die Düna
Nationalbibliothek
Altstadt vom Fluss aus

Von der Bootsanlegestelle lief ich am Freiheitsmonument vorbei zur Geburtskathedrale, der größten orthodoxen Kirche im Baltikum. Ich wollte die Kirche eigentlich nicht betreten, weil ich kurze Hosen trug. Aber einer der Kirchenmitarbeiter winkte mich herein, und so hatte ich das Glück, einer Zeremonie beizuwohnen. Es wird viel und harmonisch gesungen, viel geküsst – also, die Ikonen – und sich sehr viel bekreuzigt. Der Priester trug sehr kostbar aussehende liturgische Gewänder.

Der Kölner Dom mal so ganz anders.

Danach ging ich durch einige Parkanlagen Richtung Zentralbahnhof. Denn ich hatte gestern abend gelesen, dass viele Beschwerden bei Google eingegangen sind, dort gäbe es keine Auto-Anmietstation von Hertz. Ich schrieb an meinen Mietwagenvermittler, der mir heute früh antwortete, das Büro befände sich auf der ersten Etage im Gebäudeblock A. Ich wollte sichergehen, dass morgen nichts schief geht und mich selbst davon überzeugen, dass ich das Büro finde. Natürlich gibt es keins, wie die vielen Beschwerdeführer schon schrieben. Ich kontaktierte also wieder den Vermittler. Ich bekam umgehend Antwort, ich möge die Hertz-Zentrale hier vor Ort anrufen, um einen Treffpunkt auszumachen. Um was man sich alles kümmern muss! Nee nee nee! Ich telefonierte also mit der hinterlegten Nummer, um die Information zu erhalten, ich möge mich pünktlich um 11 Uhr beim Informationsschalter einfinden, an dem ich ja bereits vorher gefragt hatte, wo die Hertz-Autos übergeben werden. Ich bin sehr gespannt, ob das klappt! Vorsichtshalber habe ich auf meinem Weg zurück in der Altstadt nachgeschaut, ob es mein „Heimreisehotel“ wirklich gibt. Tadaah! Es existiert.

Vor dem Bahnhof gibt es übrigens einen „Riga Walk of Fame“. Leicht zu verfehlen.

Meine Mittagspause verbrachte ich bei einem Bier an einer kleinen Kreuzung in der Altstadt. Einer dieser Glotzmomente, die ich immer so sehr genieße. Ein Ambulanzwagen ist hier mit 5 mm Abstand zu parkenden Autos und Biertrinkern durchgepest, E-Roller-Fahrer nieteten Fußgänger um, Touristen stolperten über die Kopfsteinpflaster. Hier ist wohl immer etwas los! Und man hört viele, viele Sprachen. Auch so exotische wie bayrisch.

Die Nationaloper. Gestern gab es La Traviata, ich hätte für 5 Euro eine Karte bekommen. Aber ich musste ja die Matratze testen…..

Um 15 Uhr fand ich mich dann an der Nationaloper ein, um an einem weiteren Rundgang der Riga Free Tours teilzunehmen, dem Besuch des Jugendstil-Viertels. Kaspars war zwar auch einer der Guides, aber ich wurde Liga zugeteilt, einer jungen und ebenfalls sehr gut englischsprechenden Führerin, die ihre Sache auch sonst sehr gut gemacht hat. Leider spielte das Wetter so gar nicht mit, denn schon nach fünf Minuten Fußweg kamen wir in einen Wolkenbruch. Wir deckten uns umgehend in der nächsten Drogerie mit Ponchos und Regenschirmen ein, aber trotzdem schrumpfte die Gruppe wegen des immer stärker werdenden Regens von ca. 30 Personen auf tapfere sechs. Mit Liga waren wir quasi die sieben tapferen Schneiderlein. Hmmm, äh…. ich glaube das Märchen hieß anders.

Universität Riga

Wir sahen sehr viele Jugendstilhäuser, die in der Zeit von 1899 bis 1915 in Riga gebaut wurden; es gibt mehrere hundert davon; daraus lässt sich ableiten, wie wohlhabend Riga in dieser Zeit war. Ein Fokus lag auf den Häusern von Michail Eisenstein, dem Vater des russischen Regisseurs Sergej Eisenstein. Er gestaltete ganze Straßenzüge. Auch im strömenden Regen eine sehr eindrucksvolle Tour.

Zudem sahen wir die Universität, die Kirche der heiligen Gertrud (Schutzpatronin der Reisenden), sowie ich auf meinem Rückweg zum Hotel noch das Nationaltheater. Ich habe inzwischen erzählt bekommen, dass es diese Touren auch in Tallinn und in Vilnius gibt und werde sie dort auf jeden Fall mitmachen, denn sie sind sehr informativ und werden auf eine charmante Art und Weise durchgeführt.

Der Regen hatte zwar schon gegen Ende der Tour nachgelassen, aber es nieselte und nieselte und nieselte. Daher habe ich mich dann um 17:30 Uhr auf das Hotelzimmer begeben, wo ich von meinen Biervorräten zehrte. Ein positiver Aspekt des Zimmers ist, dass der Kühlschrank wie Bolle kühlt und ich fast tiefgefrorene Getränke habe. Das finde ich persönlich ausgezeichnet.

Am Abend ging ich dann nicht aus, da ich mir überlegen muss, wie ich morgen wann wohin fahre. Das sieht im Restaurant mit Tablet und dergleichen immer ein bisschen wichtigtuerisch aus, oder? Daher gibt es jetzt Snacks aus einem Imbiss (Miniwraps und Hähnchen) und dazu einen spanischen Rosé. Olé!

Morgen sehen wir uns voraussichtlich in einem anderen Land. Und ich habe die nächsten zehn Tage noch keine Unterkunft. Ich werde meinem ersten Zimmer irgendwann tränenüberströmt hinterhertrauern!

Also, vielleicht bis morgen in Estland oder Litauen (ich gucke mal aufs Wetter).
Euer Gerald

Wir erfahren hier zweierlei: Erstens ist nach Frau Merkel in Riga eine Hauptstraße benannt, zum zweiten gibt es hier an jeder Ecke Drogen.
Zahlreiche Schaulustige versammelten sich, um mich zur Geburtskathedrale gehen zu sehen. Oder aber es war erster Schultag. Eins von beiden…. Die Letten haben übrigens drei Monate Sommerferien!!!

Tag 2: Riga rigoros

Cienījamie lasītāji!

Mein erster von vielen Spaziergängen heute führte um 3 Uhr früh zur Rezeption des Hotels. Die Musik aus der Bar gegenüber wurde immer lauter, das Publikum wurde immer fröhlicher, ich wurde immer aggressiver. Auf meine Frage hin, wann die Bar wohl erfahrungsgemäß schließe, teilte man mir mit, das könne bis fünf oder sechs Uhr gehen. Ich bat darum, mir ein anderes Zimmer zuzuweisen. Dies ginge leider nicht, so die Auskunft.

Ich hatte eine gruselige Nacht (trotz Ohrstöpseln), und sofort nach dem Frühstück heute, das übrigens zwar reichhaltig und okay, aber nicht besonders hochwertig war (viel Tetrapack und Dose), eilte ich wieder zur Rezeption, um meinem Wunsch nach einem anderen Zimmer erneut Nachdruck zu verleihen. Man versprach, mir am Nachmittag ein neues Zimmer im Klosterinnenhof zu geben, ohne Bar in der Nachbarschaft. Dann startete das Projekt Riga rigoros.

St. Peter, mitten in der Altstadt und 2 Minuten von meinem Hotel entfernt

Ich fand mich um kurz vor 10 Uhr früh an der Kirche St. Peter ein, um dort an einer kostenlosen Tour von „Riga Free Tours“ über nahezu zwei Stunden teilzunehmen, die durch die Rigaer Altstadt führen sollte. Wenn ich alles aufzählen würde, was wir gesehen haben, müsstet ihr gar nicht selbst mehr nach Riga fahren, weil ihr über alles Bescheid wüsstet. Natürlich viele der Hauptattraktionen, wie das Schwarzhäupterhaus, den Rigaer Dom, die Petrikirche und viele, viele andere Attraktionen.

Das „historische“ Schwarzhäupterhaus

Das interessante an dieser Führung war, dass unser Führer Kaspars viele Hintergrundinformationen gab, die so nicht im Reiseführer stehen, zumindest nicht immer. So ist vieles der angeblich historischen Altstadt ein Fake. Es ist schlicht rekonstruiert worden. Wie z.b. das Schwarzhäupterhaus, das nicht etwa renoviert wurde, sondern 1999 wieder komplett neu aufgebaut. Nur Teile der Fundamente sind noch alt. Man muss eben alles hinterfragen!

Das Rigaer Rathaus

So z.b. die Geschichte von dem lettischen Kaufmann, dem die Aufnahme in die deutsche Gilde verwehrt wurde, mit der Begründung, er sei nur ein Bauer. Dieser hat dann angeblich ein Haus bauen lassen, auf dessen Giebel er Katzen stellte, die mit ihren Hinterteilen auf das deutsche Gildehaus zeigten. Dies ist wohl, wie uns Kaspars erklärte, eine Fabel. Die wäre erfunden worden, da viele Touristen nicht akzeptierten, dass einfach jemand grundlos eine Katzenskulptur auf sein Haus stellt. Allein zeitlich passt die Geschichte ja auch gar nicht zur Zeit des Jugendstils, in dem das Haus definitiv errichtet wurde. Also, vieles ist echt, vieles ist falsch, vieles ist Mittelalter, vieles ist Barock, vieles ist Rokoko, vieles ist Neoklassizismus, vieles ist Jugendstil; es ist diese Mischung, die Riga den Weltkulturerbestatus beschert hat.

Die berühmteste Katze Rigas – ein Suchbild

Wir besuchten auch das Haus des ersten sowjetischen Rockclubs in Riga, sahen die Synagoge von außen, erfuhren interessante Dinge über die russische Filmindustrie (für Nazis wurden immer Balten gecastet und Sherlock Holmes wohnte auf der Jauniela-Straße), liefen an der Stadtmauer lang (Achtung: Teilfake) und dergleichen mehr. Sehr informativ und sehr gut vorgetragen. Am Parlament erzählte Kaspars, dass von den sieben vertretenen Parteien keine populistische oder nationalistische Ideen propagiere. Das junge Europa halt.

Der Dom zu Riga

Am Endpunkt unserer Führung, wo natürlich jeder reichlich Trinkgeld gab, bestieg ich den Turm von St. Peter. Naja, vielmehr fuhr ich nach ca. 20 Stufen mit dem Aufzug auf den Turm. Von dort aus hat man einen wunderbaren Ausblick auf ganz Riga. Unbedingt machen!

Blick auf Riga mit angeschlagenem Autor… es war warm 🙂

Danach lief ich auf eigene Faust herum, um weitere Sehenswürdigkeiten zu erkunden. So z.b. die Markthallen, die natürlich an einem frühen Nachmittag schon recht geräumt wirkten. Dann ging es zum Zuckerbäckerhaus der Akademie der Wissenschaften (auch Stalins Torte genannt), dass mich sehr an ähnliche Bauten in Moskau erinnert hat. Weiter ging es am Stadtkanal entlang, an der Nationaloper vorbei, am Freiheitsmonument, an der berühmten Laima-Uhr (eine lettische Schokoladenmarke) sowie am Basteihügel, wo 1991 zwei Journalisten bei den Unruhen im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit umkamen. Ich sah das Häuserensemble der „drei Brüder“ (in Vilnius gibt es die drei Schwestern, im ostfriesischen Norden die „dree Süsters“; ich vermute, die Zahl der Drillinge ist Legion), das Stadtschloss, das Kloster, das Parlament, und ich wohnte einer Taufe in einer kleinen Kirche bei, dies aber uneingeladen.

Viele Dinge erinnern an norddeutsche Hansestädte, so gibt es hier z.b. die Bremer Stadtmusikanten, einen Roland, die Bremer Stadtschlüssel. Auch die Sakralbauten sind sehr in norddeutschem Stil gehalten, mit roten Ziegelsteinen und innen unprätentiös protestantisch. Wirklich oft sieht man deutsche Inschriften, was merkwürdig anmutet. Gedenktafeln auf Deutsch, Häuserinschriften, Straßennamen. Selbst Büsten und Skulpturen von deutschen Gelehrten, Literaten und Architekten finden sich an jeder Ecke.

Etwas Besonderes war der Besuch der jüdischen Synagoge, die die Nazizeit nur überstanden hat, weil diese sich nicht trauten sie anzuzünden, weil sie sonst wahrscheinlich aufgrund der engen Bebauung die gesamte Altstadt von Riga dem Feuer geopfert hätten.

Die Jugendstilsynagoge

Am späten Nachmittag habe ich mich dann in dem gleichen Restaurant wie gestern Abend niedergelassen. Ich hatte einen wunderbaren Salat mit Entenbrust und Mango, mit einem Himbeerdressing, Kirschtomaten, und Himbeeren. Dazu das gute lettische Bier. Ich besuchte noch die Kirche St. Johannis, die bekannt wegen ihres Deckengewölbes ist, das einem riesigen Spinnennetz gleicht. Es gab schöne Orgelmusik vom Band und ich spendete eine Kerze für einen guten Urlaub. Eigentlich hätte mich ja der Blitz treffen müssen. Ist aber nicht geschehen, so hoffe ich das Beste.

Mein nächster Gang führte mich in einen Alkoholikermarkt, entschuldigung, ich meinte einen Alkoholmarkt, entschuldigung, ich meinte ein Geschäft, in dem man Wein kaufen kann. Ich sag nur: der Preis ist heiß. Die Ostseeanrainerländer fordern Abstinenz geradezu heraus. Naja, ich möchte ja nicht sagen, dass dies etwas Schlechtes sei.

Ich erstand das Nötigste für meinen Aufenthalt in Riga und begab mich wieder in mein Konvent. Man hat mir tatsächlich ein neues Zimmer gegeben, ich zog um vom „Haus am Klostertor“ zum „Haus der grauen Schwestern“ in ein Zimmer mit Blick auf den Innenhof und, so die Rezeption, garantiert ohne Kneipe in der Nähe. Es ist in der Tat viel sauberer und aufgeräumter als das alte Zimmer, und ich werde mich hier deutlich wohler fühlen. Picobello wäre hier trotzdem übertrieben. Eine Renovierung wäre auch hier angebracht.

Nach einem ungeplanten Schläfchen (wollte nur die Matratze testen), lief ich abends noch ein bisschen ziellos durch die Altstadt. Alles ist dort dicht beieinander. Man sieht alles sehr schnell wieder.

Riga bei Nacht, Teil 2

Abends aß ich Schweinekotelett lettischer Art (mit grüner Käsehaube, ganz schmackhaft) und jetzt gleich freue ich mich auf eine ruhige Nacht.

Bis morgen, wenn Ihr mögt. Euer Gerald

War dann auch sehr sauber… ?
Riga rigoros mal grafisch dargestellt

Tag 1: Die Anreise

Riga bei Nacht

Labvakar, Ihr Lieben!

Wie immer glaubte ich, viel Zeit zu haben, um zu packen, die Blumen zu gießen, den Kühlschrank aufzuräumen und die berühmten Kleinigkeiten zusammenzusuchen, die ins Handgepäck kommen, zumal der Flug erst um 18:10 Uhr ging; aber wie üblich stellte sich heraus, dass die Zeit viel zu knapp bemessen war. Immer, immer ist dann doch Hektik.
IMMER!

Ich fuhr relativ frühzeitig los, da die Busse Samstagnachmittags gerne Verspätung haben, und ich nicht wusste, was am Flughafen los ist. Diese Entscheidung war ganz klug, denn die Sicherheitskontrolle war völlig unterbesetzt und die Schlange reichte dreimal um den Block. Es hat bestimmt 30 bis 35 Minuten gedauert bis ich durch war.

Es hieß dann, wir müssten durch eine Passkontrolle, was mich sehr gewundert hat, ist Riga doch meines Wissens nach im Schengengebiet. Aber als ich an der Reihe war, ging es nicht weiter und es entstand etwas Hektik; man erklärte mir, es gäbe eine „Situation“. Scheinbar ist ein junger Mann durch die Kontrollen in den Sicherheitsbereich gerutscht, der dann geräumt werden musste. Ich ahnte ganz übles. Aber gottseidank stellte sich heraus, dass die Sicherheitsleute so schlau waren, uns zu einem anderen, benachbarten Gate zu bugsieren, da wir ja gar nicht in den gesicherten, passkontrollierten Bereich gehen mussten. Aber ich frage mich natürlich schon, wie das passieren kann. Kommt ja wohl öfter vor.

Was schlimm war, war der Besuch der Flughafentoilette. Das habe ich so noch nicht gesehen. Ich erspare die Einzelheiten.

Ich denke ja, dass alle drei geschilderten Flughafenprobleme die gleiche Ursache haben. Geiz. Personalkosten sparen. Und dann sich wundern, dass so viel nicht klappt.

Man soll die Notausgangstür nicht öffnen, wenn der Flügel brennt!

Wir flogen pünktlich ab, und landeten auch pünktlich. Der Rigaer Flughafen ist sehr überschaubar und in Windeseile ist man am Bus 22, der einen in 30 Minuten in die Stadt bringt. Nur hier verlief ich mich ein wenig in den schmalen, kopfsteinbelegten Gassen (der Rollkoffer schimpfte ein bisschen) und fand das Hotel dank irreführender Navigation durch Google Maps erst nach mehr als 20 Minuten, obwohl der Fußweg mit 7 Minuten ab Bushaltestelle angegeben war.

Das Konvent, in dem ich untergebracht bin, ist, wie der Name schon sagt, ein altes Kloster. Der Empfang war sehr freundlich, aber das Zimmer als *** Superior zu bezeichnen, spottet jeder Beschreibung. Es ist eine abgewrackte Suite. Naja, immerhin eine Suite. Mit einer Miniküche, einem Vorraum mit Schreibtisch und – naja – nennen wir das Möbelstück mal Couch und einem Schlafzimmer mit sehr spartanischen Möbeln.

Der Konventhof mit mir völlig unbekanntem Menschen.
Nichts auf dieser Welt ist schlimmer als ein leeres Hotelzimmer…. (Nena, geb. Gabriele Susanne Kerner)

Aber die Lage ist hervorragend und ich konnte sofort zu einem ersten Erkundungsgang durch Riga aufbrechen. Riga ist sehr, sehr laut. Überall gibt es Straßenmusikanten die um ihr Leben trommeln, trompeten, kreischen und in die Tasten und Löcher diverser Instrumente hacken und pusten.

Ein Elvisimitator aus einer Rock’n’Roll-Bar beschallt einen ganzen Platz. Es ist sehr, sehr voll. Eine Kneipe reiht sich an ein Restaurant reiht sich an eine Kneipe reiht sich an ein Restaurant und so weiter und so fort und alles ist gut besucht.

PAAAADYYYYY

Und Riga ist offensichtlich auch ein Hotspot für Jungesell/inn/en-Abschiede und in Aggression ausartende Kegelclubtouren. ?

Als erstes wollte ich mir fürs Hotel eine Flasche Wein besorgen und vielleicht ein Bier zum kaltstellen. Aber, zu meinem Entsetzen, wird in Lettland ab 10 Uhr abends kein Alkohol mehr verkauft. Zu dieser Thematik habe ich in meinem Südafrika-Tagebuch schon einmal etwas geschrieben, deswegen werde ich meine Schimpftirade hier nicht wiederholen. Aber ich halte zeitlich beschränkte Verkaufsverbote nach wie vor für absolut unsinnig, da ich jetzt auf einem schönen Platz unter Bäumen sitze und dort Bier trinke.

Der Autor in Partystimmung!

Das nächste Mal packe ich mir auf jeden Fall drei Flaschen Wein in den Koffer, egal wohin ich fliege, da man ja nie weiß, ob man am Reiseziel etwas bekommt.

Schwarzhäupterhaus

Aber die ersten Eindrücke von Riga sind sehr schön. Es hat sehr viel Altstadtflair und viele alte Gebäude, von einigen weiß ich zwar, dass sie restauriert und wieder aufgebaut wurden, aber so gut, dass es wie das Original aussehen soll. Es gibt aber auch viele alte Baustruktur, die sehr interessant ist. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf meine morgige Stadtführung, die ich entweder mit einem Führer machen werde oder mit einem hop-on-hop-off-Bus; das werde ich kurzfristig entscheiden.

Rigaer Dom? – „Rigas Dome“ steht da. Aber es ist „nur“ das Rathaus.

Inzwischen bin ich in meinem Zimmer, es ist 1 Uhr 30 Ortszeit in der Nacht und ich habe das Vergnügen, das „Tims Mints“ gegenüber nicht nur zu sehen, sondern es insbesondere auch zu hören. Ich bin offensichtlich in einer Partystadt gelandet. Aber es gibt ja Stöpsel.

Vielleicht seid Ihr dann ja morgen wieder dabei.

Labu nakti un saldus sapņus.

Euer Gerald

Habe ich gemacht….
… jetzt fühle ich mich etwas seltsam.

Prolog: 1 Auto, 2 Wochen, 3 Länder…

Liebe Virtuellmitreisendenpersonendieichsosehrschätze!

Samstagabend geht es ins Baltikum. Und da jemand, dem ich das vor einiger Zeit schon berichtete, daraufhin von seinen wundervollen Reisen nach Kroatien schwärmte, hier noch einmal zur Richtigstellung: Das Baltikum liegt etwa 1500-2500 Kilometer Luftlinie vom Balkan entfernt, je nachdem, welche Ausgangspunkte man wählt. Zu Fuß kann die Entfernung auch 40000 Kilometer betragen, je nachdem, welche Route man wählt :-).

Warum das Baltikum? Ich glaube, dass auch und gerade da das junge und gute Europa wohnt! Wie eigentlich auch in vielen anderen europäischen Ländern. Aber Estland, Lettland und Litauen sind zeitlich noch sehr nah an ihrer nicht immer friedlichen und fremdbestimmten Geschichte. Und sind daher vielleicht – hoffentlich – klüger als die Nationalisten, die sich wieder auf ihr Nationalstaatentum besinnen wollen.

Zudem strotzt die Region vor Geschichte, Schönheit und Vielfältigkeit, wenn man Erzählungen und meinem Reiseführer glauben darf!

Mein Start- und Zielort der vierzehntägigen Autorundreise wird das lettische Riga sein, wo ich für die ersten drei sowie die letzte Nacht der Reise auch schon ein Hotelzimmer gebucht habe. Die Tage dazwischen werde ich mich spontan entscheiden, wo ich Halt mache. Das estnische Tallinn, das litauische Vilnius. Die kuhrische Nehrung und der Berg der Kreuze – beide in Litauen. Alles angedachte Stationen. Aber auch Tartu, Pärnu, Trakai und vielleicht sogar Saaremaa. Schon jetzt weiß ich, dass jedes Land alleine mehrere Wochen Besuch verdient hätte!

Etwa so könnte die Route aussehen. Wie eine skeptisch nach Osten schauende abstrakte Figur. Sie kann aber auch aussehen wie irgendetwas beliebig anderes, da mein Programm sehr ambitioniert ist. Wenn ich ein Land oder eine Teilstrecke nicht schaffen sollte, ist das aber kein Beinbruch für mich.
(Karte von google maps)

Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich hier auf dieser Reise begleitet. Ich versuche wie üblich, jeden Tag etwas über meine Erlebnisse zu schreiben. Sollte ich mal einen Tag nichts posten, liegt das eher an einer mangelnden W-LAN-Verbindung, als daran, dass ich mich in einem der zahlreichen Nationalparks verirrt habe und dort nun als Beerensammler mein Überleben sichere.

Also, hoffentlich bis bald!

Euer