Tag 12 – Camagüey: (K)ein finsterer Tag

Ihr Lieben,

die gute Nachricht zuerst, ich musste nicht verhungern (ich habe zur Not ja auch noch ausreichend Reserven). Als ich Gummibärchen auspackte und aß, ging es plötzlich ganz schnell. Das Essen war dann allerdings eher mau. Als hätte es (hat es?) ewig am Pass gestanden: die Panade des Fisches matschig, das Hauptgericht kalt. Der Laden war bimsvoll, die Nachbarrestaurants hingegen fast verwaist. Ich bin fast versucht, eins von denen auszuprobieren.

Heute blieb ich mal etwas länger im Bett. Ich habe ja schließlich Urlaub. Ich hatte auch Kopfschmerzen, was ich zuerst auf das gestrige Bier schob. Außerdem habe ich quasi alles gesehen, was es in Camagüey zu sehen gibt. Muss ich nachher etwa doch in den Zoo? Na, mal sehen. Erst einmal wieder in einen Minimarkt, denn das Plastikbier war – wie oben angedeutet – nicht trinkbar. Es hat nicht geschäumt, hatte keine Kohlensäure und war eher süßlich. Puh. Die Einkaufsstraße war weniger deprimierend als gestern, da echt gut besucht. Aber die meisten Läden waren immer noch leer, die Schlangen immer noch lang. Ein Supermarkt stach heraus und quoll über vor Kunden. Der hatte wundersamerweise auch bis unter die Decke gefüllte Regale.

Heute war die Kirche La nuestra Señora de la Merced für Touristen geöffnet. Sie ist bekannt für den wundertätigen Jesus de Praga. Den habe ich nicht gefunden, aber der Besuch war wegen einiger kostbarer Schnitzereien dennoch interessant.

Ich wollte in einem Innenhofcafé frühstücken, das ich gestern in der Nähe gefunden hatte. Ich bestellte einen Kaffee und die Kellnerin eilte davon. Moment! Sandwich, Fruchtsaft, Wasser? Alles nicht da, nur Kaffee… Und der war bitter wie nix. Aber der Innenhof war schön…

Ich besuchte das Atelier der bekannten Künstlerin Martha Jiménez an der Plaza del Carmen. Bevor eine Reisegruppe von Berge und Meer (ihr wisst schon, das sind die, die meine Südamerikareise so kurzfristig stornierten und die sich mit der Rückzahlung der Anzahlung seeeehr viel Zeit ließen) das Atelier stürmte, wurde mir einiges über ihr Leben und Werk erklärt. Sie ist als Bildhauerin und Malerin unterwegs und ist in einigen Städten im Ausland mit ihren Werken in Museen vertreten. Mir gefällt ihre Kunst sehr. Allerdings ist sie (gut für mich) sehr schwer zu transportieren… Sie zeichnet auch verantwortlich für die sehr gelungene Gestaltung des Platzes (siehe gestern).
Ich nahm gegenüber einen Cappuccino und einen Mangosaft (stilecht aus dem Tetrapack) ein und beobachtete die Bustouristen. Die Frauen verzückt ahs und ohs ausstoßend, die Männer gelangweilt in der Sonne schwitzend und verstohlen nach der Bar schielend. Ich komme zwar keineswegs billiger weg als mit so einer Reisegruppe, aber ich bin schlussendlich doch froh, mich für eine Individualerkundung entschieden zu haben.

Ich lief noch einmal zur Plaza San Juan, da gibt es auch noch so einige Galerien. Viel Talent auf kleinem Raum. Das Hostal San Rafael hatte ich ja in guter Erinnerung, da trank ich dann einen Sommerwein, einen Tinto de Verrano,bevor ich zu einer sehr späten Siesta in die Casa zurückkehrte.

Inzwischen hatten sich die Kopfschmerzen ausgebreitet und ich fing an rumzuschnupfen. Der Hals kratzte und insgesamt fühlte ich mich sehr schlapp. Leichte Temperatur hatte ich auch. Na super. Ich fühlte mich an Asien erinnert! Ich nahm Pillen und beschloss, das Bett bis zur morgigen Abreise nicht zu verlassen. Das war ein unsinniges Unterfangen, hatte ich heute gerade mal drei Kekse gegessen. Aber nach fast vier Stunden Schlaf ging es auch etwas besser, die Pillen schlugen an und der Hals war GOTTSEIDANK!!! nicht mehr akut. Habe halt einen handfesten Schnupfen, den ich wohl überleben werde, obwohl Männer ja nachweislich wesentlich schlimmer erkranken als Frauen… 😉

Ich sprang in meine Plünnen und lief zur Plaza de Colón. Columbus ist hier allgegenwärtig, hat er doch Kuba entd… äh… warte mal, lebten zu der Zeit nicht schon Leute da? An diesem Platz lag ein weiteres Restaurant, das Irenia empfohlen hatte, das Eleazar. Das hatte im Innenhof einen Kinderspielplatz und einen Pool. Und war sehr laut. Aber die Hühnerbrust war okay und der Salat lecker. Bier ging auch schon wieder.

Und was soll jetzt diese kryptische Überschrift? Finsterer Tag? Wegen eines Schnupfens? Übertreib doch nicht so! Nein, Kuba sollte heute eine partielle Sonnenfinsternis erleben, die mich in Abständen die Dachterrasse erklimmen ließen. Da war aber nix. Später fand ich heraus, dass ich einfach zu weit östlich war. Lügenpresse! Da schreibt man dann doch „in Kuba, aber nicht bei Dir, Du Torf!“.

Morgen kommt hoffentlich um 7 Uhr 45 ein vorbestelltes Bici-Taxi, um mich zum Busbahnhof zu bringen. Um 9 Uhr 15 geht es (spätestens, wie wir inzwischen wissen) nach Holguín. Der Gastgeber dort freut sich schon. Es klappt bisher wirklich ausgezeichnet mit den Airbnb-Buchungen. Die Busfahrt ist etwas kürzer als die bisherigen, das ist ja auch mal schön.

¿Nos vemos en Holguín, compañeros?

Liebe Grüße, Euer Gerry

Bienen suchen ein Zuhause

Tag 11 – Camagüey: Es gibt mehr Bier auf Hawai’i…

Ihr Lieben,

… als Milch in Camagüey. Mein Frühstück in der Casa bestand aus Limonade aus der Dose und Keksen. Ich machte mich also zuerst einmal auf, um irgendwo Milch zu erstehen. Mein Travel Tip Nr. 1 für Kuba: Solltet ihr irgendwo welche finden, packt direkt genug für den Rest der Reise in den Koffer. Ich fand nämlich keine. Dafür wieder Schlangen von Menschen vor Banken und Brotläden.

Der erste Eindruck von der Stadt ist ganz gut. Natürlich wesentlich untouristischer als Trinidad. Interessante Kirchen, nette Plätze, schöne Straßen. Aber die Läden leer, der Putz blättert, alles etwas heruntergekommen. Aber relativ sauber. Hier ist die Stadtreinigung aktiv. Insgesamt wirkt es so, als wolle man sich von der besten Seite zeigen, damit die Stadt interessanter für Besucher wird. Ich finde, das ist gelungen. Man sollte, wenn es auf dem Weg liegt, definitiv einen Stopp einplanen.

Als ich an der Kathedrale von Camagüey ankam, fand gerade ein Gottesdienst statt. Gut besucht. Ich erklomm für 1 Dollar den Turm. Das Wetter war dafür wie geschaffen, mit strahlend blauem Himmel hatte man einen schönen Blick über die Stadt. Die Treppe allerdings hatte es mal wieder in sich.

An der Plaza de San Juan de Dios fand ich ein nettes Frühstücksrestaurant, im Hostal San Rafael. Letzteres sieht sehr einladend aus und wäre auf jeden Fall für einen Wiederholungsbesuch eine Option für eine Übernachtung. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit ja eher gering, da es noch so viele andere Ecken zu entdecken gibt. Ich setzte mich zuerst ans Fenster mit Blick auf den Platz. Das war keine gute Idee, denn ein Bettler nach dem anderen wurde vorstellig. Oft Seniorinnen. Und irgendwann waren die kleinen Scheine alle. Ich zog mich weiter ins Ladeninnere zurück, so leid mir das tat.

Gestärkt von Kaffee und Käsetoast erwanderte ich mir eine Sehenswürdigkeit nach der anderen. Kirchen, Plätze, Geburtshäuser von Menschen, von denen ich noch nie gehört hatte und nach denen mich Günther Jauch selbst bei einer Million Euro nie fragen würde. Besonders schön ist die Plaza del Carmen mit vielen Bronzestatuen und einer sehr sehenswerten Galerie (ojeh). Die Kerze auf dem Bild des Liebespaares soll man anfassen, dann bringt sie Licht in Dein Leben. Und um die Ecke herum versteckt sich ein österreichisches Café.

Aber auch San Juan, Plaza Maceo, die Calle Principal usw. sind sehenswert. Ein Flüsschen trennt das Zentrum von der Südstadt. Direkt dahinter befinden sich Parkanlagen, Monumente zur Erinnerung an kubanische Helden sowie ein zoologischer Garten. An einem Sonntag ist da natürlich gut was los. Den Zoobesuch ersparte ich mir.

Ich fand einen Laden, der immerhin Kondensmilch und Milchpulver hatte. Ich fragte direkt auch nach Bier, das kam dann in der anderthalb Liter fassenden Plastikflasche. Naja, bin gespannt. Zuhause machte ich dann statt Siesta mal ein Kaffeekränzchen mit mir selbst. Die Cafetera der Casa hatte mehr Stalagmiten als die Atta-Höhle, daher kochte ich mir Kaffee in einem Topf und trank das mit der stark gezuckerten und zähflüssigen Milch. Hat was. Weiß nur nicht genau, was.

Auf meiner Terrasse steht ein stabiler Schaukelstuhl. Und es gibt einen Karambole-Baum. Die Früchte sind leider noch nicht reif, aber ein bisschen sauer macht ja lustig. Ein Stündchen rumschaukeln und dabei Zeitung lesen entspannte mich ausreichend, um über die República mal in den Norden der Stadt zu laufen.

In meinem völlig nutzlosen Reiseführer wird unter anderem ein Geschäft auf dieser Straße angepriesen, das tolles kubanisches Kunsthandwerk anböte. Hustepiepen, da ist jetzt ein trauriger Gemischtwarenladen drin. Am Ende der República gibt es ein riesiges Eisenbahnmuseum. Ob das noch betrieben wird, erschloss sich mir nicht. Draußen stehen aber ein paar interessante Lokomotiven aus längst vergangenen Zeiten.
Ansonsten ist es, vielleicht auch, da Sonntagsnachmittags alles geschlossen hat, sehr trist auf der Haupteinkaufsstraße. Die Devisenläden voll, die privaten Läden dürftig, die staatlichen Läden fast gar nicht bestückt. Viel Leerstand. Überhaupt fällt auf, wie viele Häuser auch zum Verkauf stehen.

Mir war nach einem Drink. Im Gegensatz zu Havanna und Trinidad gibt es hier eher wenige Bars. Keine davon irgendwie besucht. Heute morgen lief ich einer deutschen Reisegruppe über den Weg. Fast war ich versucht zu fragen, ob es die gewesen wäre, die ich beinahe gebucht hätte. Ich konnte mich aber beherrschen. Jetzt scheine ich der einzige Tourist in der 320. 000-Seelen-Stadt zu sein. Ich ließ mich in der Bar Bodegón nieder und war deren einziger Kunde. Der Kellner erzählte, dass seine Schwester seit vielen Jahren in  der Schweiz lebt und er gerne nach Deutschland auswandern würde. Dabei guckte er mich fast flehentlich an. Ob seine Schwester denn zu Besuch käme? Nein, er habe sie ewig nicht gesehen. Ich habe mich nicht getraut zu fragen, ob sie die Familie in der Heimat unterstützt. Aber ich las, dass Exilkubaner um die 2,2 Milliarden Euro Devisen nach Kuba bringen.

Zum Abendessen lud ich mich ins 1800 an der Plaza San Juan de Dios ein. Auch eine Empfehlung von Irenia. Wunderschön wäre es draußen gewesen, aber es hatte sich bedrohlich zugezogen. Ich hatte die Vorstellung, dass alle von der Terrasse bei Regen nach innen stürmen würden und sicherte mir daher schon von vorneherein einen Platz dort. Natürlich gab es das, was ich mir ausgesucht hatte, nicht. Ich bestellte etwas anderes, würde also nicht verhungern. Dachte ich. Denn es vergingen 20 Minuten. 45 Minuten. Anderthalb Stunden. Und hatte immer noch nichts zu essen. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon leicht angetütert. Von chinesischem Bier, kubanisches gab es nicht. Herrjeh.

Bringt also Kekse mit, wenn Ihr das Restaurant besucht.

Ich berichte dann morgen, ob ich verhungert bin. Ach jeh, das ginge dann ja gar nicht. Also, wenn Ihr nichts mehr von mir hören solltet…

Bis morgen oder eben auch nicht, Euer Gerry

Kubanischer Durchlauferhitzer. Der Autor hatte schon Bedenken, dort zu duschen.

Tag 10: Von Trinidad nach Camagüey

Ihr Lieben

heute gibt es ja eigentlich nicht rasend viel zu berichten… Morgens habe ich gefrühstückt, meine Plünnen zusammengesucht, die Endabrechnung beglichen und mich von Yaniris und Xenia verabschiedet. Ich durfte bis 13 Uhr, da musste ich mich zur Busstation aufmachen, noch in der Casa bleiben. Zusammenfassend war das Haus eine gute Wahl! Es hat Charme, die schöne Terrasse, es gab exzellentes Frühstück und ist zentral gelegen. Yaniris und Xenia waren bezaubernde Gastgeberinnen.

Die Zeit bis zur Abfahrt nutzte ich für einen letzten Spaziergang durch Trinidad. Davon ein paar Eindrücke: Die Eisdiele hat heute eine Sorte, die aus einem Eimer kommt, der Geldautomat scheint gefüllt zu sein, das Theater noch nicht besucht, das Fitnessstudio um so mehr und der Devisensupermarkt lässt kaum Wünsche offen. Kubanische Lebensmittelmarken helfen hier aber nicht weiter.

Bei den Viazules gibt es, wie bei uns am Flughafen, Check-in-Zeiten. Wennste zu spät bis, is der Platz wech. Also hängt man theoretisch eine gute Zeit lang in der Wartehalle rum. Theoretisch. In Kuba läuft das anders. Da es eine Reservierungspflicht gibt, weiß man vor Ort ja, ob schon alle da sind. Und wenn das so ist, fährt man auch einfach mal 40 Minuten eher los. Jippieh!

Wir hatten mehrere Stopps, Sancti Spíritus, Ciego de Ávila, Florida, dazu einen Alle-Aussteigen-und-Pizza-Essen-Halt in Jatibonico. Was die Betreiber wohl für dieses Privileg blechen? Drei Autobuses Nacionales versammelten sich da. Die Pizza sah äußerst befremdlich aus, mit fast knallrotem Teig und ein paar Sprenkeln Käse drauf. Eher wie Foccacia.

Der Bus war zwar nicht voll, aber einige Sitze hingen ziemlich in den Seilen. Ich fand mich zuerst vor einem Mann wieder, der aber ohne Unterlass Texte in sein Handy kloppte. Mit angeschaltetem Tastenton!! Kreisch!!! Wer macht denn sowas? Ich wechselte, um schräg hinter mir eine Dame zu haben, die im Fünf-Minuten-Rhythmus die Nase hochzog. Nach einer halben Stunde beschloss ich, sie zu töten. Dann fiel mir ein, dass mein Knast vielleicht keine Brauerei ist und reichte ihr ein Taschentuch. Siehe da, sie brauchte es und schien sehr dankbar. Manchmal lösen sich Probleme einfacher als gedacht.

Die Landschaft war karger, als auf der ersten Überlandfahrt, dafür kamen wir aber durch mehrere Dörfer. Einige davon schienen auch ganz nett. Florida zum Beispiel. Aber es zog sich. Auch weil öfter mal grundlos irgendwo angehalten wurde, jemand aus dem Bus sprang, um wasweißich zu erledigen. Ich fühlte mich an Paul Winkelmanns Reise nach Italien erinnert…

Wir kamen dann zur vorhergesagten Zeit in Camagüey an. Dort war klar: Ich brauche ein Taxi. Es standen auch etwa 50 Taxistas vor der Tür. Einer sprang mich an, umklammerte mich und ließ mich nicht mehr los. Ich hatte meinen Geschäftspartner gefunden. Leider konnte er mit der Adresse so gar nichts anfangen und fragte Hinz und Kunz, wie er zu fahren habe, sowohl am Busbahnhof, als auch auf dem Weg. Mir schwante nix Gutes. Aber wir hatten ja einen Festpreis, da war es fast egal, an welchem Wochentag wir ankamen. Noch schöner war dann sein Fahrzeug. Eine Art Pritschenmofa, auf dessen Ladefläche ich mich mit Mühe und Not hievte. Er wuchtete dann mein Gepäck hinterher, zeigte seine Muskeln und strahlte wie Cäsium-137. Ich wurde in seinem Touri-Karren durchgeschüttelt wie nix, dazu lief mit 120 Dezibel kubanische Frohsinnsmusik. Auf TripAdvisor würde ich ihm wegen des Abenteuereffektes glatt die volle Punktzahl geben.

Wir erreichten lebend (das finde ich nicht selbstverständlich) die Lopez Recio 109 und meine Gastgeberin Irenia wartete schon auf mich. Sie ist sehr nett, eine der wenigen Personen auf Kuba, die ich ohne ständiges Nachfragen gut verstand. Sie zeigte mir die Wohnung und erklärte mir alles. Was soll ich sagen. Sehr schlicht und originell würde es vielleicht treffen. Groß, mit Dachterrasse, Gaskochstelle, Kühlschrank, Bett, ohne Glas in den Fenstern… Yep. Ich bin gespannt, wie viele Stechviecher sich diese Tatsache zunutze machen.

Irenia hatte mir ein paar Restaurants auf der Karte markiert, aber wo ich jetzt Milch oder Kaffee herbekäme, könne sie mir auch nicht sagen. Ich lief also erst einmal los, um Fensterlädengeschäfte (Privatpersonen, die quasi aus ihrem Wohnzimmer heraus verkaufen) abzuklappern. Ich wurde bei fast allem fündig, nur Milch gab es nirgendwo.

Ich machte mich auf in das „La Peregrina“, eines der empfohlenen Restaurants und praktischerweise direkt um die Ecke gelegen. Es sei etwas teurer, meinte meine Gastgeberin. Naja, die Schinken-Käse-Platte hier kostete nur ein Viertel von der in Trinidad. Danach noch Tagliatelle mit Shrimps, die Sauce eher aus der Tüte, und die Tagliatelle hatten erschreckende Ähnlichkeit mit Spaghetti. Aber was willst du meckern für umgerechnet 2,50 Euro?

Dafür musste man einen Stehgeiger ertragen. Das war mir zuletzt 1985 in Budapest passiert, dass sich jemand neben den Tisch stellt und sein Instrument dermaßen vergewaltigt, dass sogar das Bier im Glas ausflockte. Merke: Wenn bei einem Stehgeiger Tränen fließen, hat es oft wenig mit Rührung zu tun.

Von Camagüey habe ich natürlich noch nicht viel gesehen, aber das wird sich morgen ja ändern. Camagüey, benannt nach einem indigenen Anführer, ist ebenfalls Weltkulturerbe und wird auf Kuba Stadt der Kirchen genannt.

Geht Ihr mit mir auf Stadterkundung? Würde mich sehr freuen.

Liebe Grüße, Euer Gerry

Tag 9 – Trinidad: Extreme-lazying in the Rain

Ihr Lieben,

ein Strandtag, schoss es mir gestern durch den Kopf, das wäre doch was Feines, so am Wasser… Das Wasser ersparte mir den Weg und kam zu mir. Es regnete. Und zwar nicht nur 5 Minuten. Hm. Frühstück also erstmal in der Essecke statt auf der Dachterrasse. Wird bestimmt bald aufhören. Bestimmt!

Nach einer Stunde gab ich die Hoffnung auf einen spontanen Komplettwetterwechsel auf und bereitete mich auf einen nassen Tag in Trinidad vor. Nix mit Wandern, nix mit Strand. Meine Casa hat eine Wohnecke, die überdachte Dachterrasse und in der Essecke ein Domino-Spiel. Hm. Mit mir selbst Domino zu spielen schien mir doch mehr als verzweifelt. Also galt es, ein bisschen was aus dem Tag zu machen.

Waren die Schauer Rache der zuvor verschmähten Museen? Das Museo Romántico hatte mir doch so gut gefallen! Wieso sollten andere nicht auch ganz toll sein? Um die Plaza Mayor herum liegen sich das Museo de la Arquitectura sowie das Museo de la Arqueológia gegenüber. Während Nr. 1 einen US€ von mir nahm, konnte ich Nr. 2 für 80 Pesos besuchen. Ich hatte schon darüber gelesen, dass Museumsangestellte für Touristen gerne die Preise erhöhen. „Chef, heute war absolut niemand im Museum! Niemand! Schwör!“. Im Architekturmuseum fiel ich vor Langeweile fast in Ohnmacht. Das dies nicht passierte, lag an einer quirligen Oma, die in einem unverständlichen Kauderwelsch auf mich einredete, das offensichtliche betonend.“blablablaPUERTASblablabla!“ oder „blablablaTECHOSblablabla.“. Insgesamt würde ich den Besuch nicht empfehlen, es sei denn, es regnet stark und es ist für Cocktails noch zu früh. Wie in meinem Fall halt. Eine Puppenausstellung gegen Ende (wohl ein Schulprojekt) war noch ganz nett.

Das zweite Museum war sehenswerter, wenn auch etwas lieblos kuratiert. Aber einige der Ausstellungsstücke weckten mein Interesse, wie z.B. Skelette, die man bei Ausgrabungen gefunden hatte, oder Schmuck, der aus Fischknochen bestand. Einige ausgestopfte Tiere komplettierten die Sammlung.

Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, eine bestimmte Galerie wiederzufinden. Ihr erinnert Euch? Zwei, die tatsächlich etwas Besonderes anbieten hatte ich entdeckt. Eine davon bei mir in der Nachbarschaft, mit sehr steilen Preisen. Da ich aber mit meinem Bargeld bis zum Ende der Reise auskommen muss, kann ich die aufgerufenen Beträge nicht auszahlen. Die andere Galerie? Der Altstadtkern von Trinidad ist wirklich nicht groß, aber ich fand bestimmte Dinge nicht wieder, auch wenn ich fast jede Straße ablief, was ich heute tat. Auch ein Restaurant, das ich mir merken wollte… Einfach weg. Merkposten für die nächste Stadt: Markierungen auf den Karten-Apps des Handys setzen.

Ich entdeckte bei meinem Rundgang aber schöne Autos, leere Läden und Apotheken, sonstige Fotomotive.

Siesta, Cocktail (diesmal wieder Piña Colada), Einkäufe (in der Casa gibt es Importbier, aber das kubanische „Cristal“ ist mein Favorit), Langeweile, Galerie, Cocktail, Galerie, Bilderkauf. Mist, bin mal wieder auf mich selbst reingefallen. Dann bisschen Gepäck umsortieren (heute wurde mal gewaschen und gebügelt), Devisen zählen und Abendessen.

Das Abendessen nahm ich im berühmt-berüchtigten Restaurant San José ein. Viele sagten mir, es sei das Beste der Stadt. Es ist ziemlich groß und liegt nur 50 Meter von meiner Casa entfernt. Die Dachterrasse ein Träumchen, die Band spielte Jazz, mal eine Abwechslung zu Rumba, Salsa und Son. Natürlich saß ich wieder quasi direkt vor denen. Aber war eine gute Combo.

Das Essen war speziell, was aber wohl allein meiner Auswahl zu schulden ist. Fritiertes, knuspriges Rindfleisch mit Zwiebeln, musste wohl so sein. Der Nachtisch machte mich zur Attraktion der näheren Umgebung. Er hieß „Overload Tres Leches“. Und es war overloaded. Puh! Ich glaube nicht, dass das schon jemand mal komplett essen konnte.

Ausklingen ließ ich den Tag dann auf meiner Dachterrasse, da sieht man zwar nicht besonders viel, aber bekommt sehr viel Besuch von Katzen. Yeah!

Morgen dann wieder stundenlange Busfahrt und ein neuer Ort, den es zu erkunden gilt. Bin gespannt auf Camagüey, Ihr auch?

Liebe Grüße, Euer Gerry

Tag 8 – Trinidad: das geniale Tal

Ihr Lieben,

heute früh dachte ich, man demonstriert vor meinem Haus. Trillerpfeifen, Trommeln, Gejohle. Das musste ich mir ansehen. Es waren dann hauptsächlich Kinder, die in einer Art Tambour-Kostüm tanzten und herumtrommelten, begleitet von einer Schar Schaulustiger. Yaniris klärte mich später auf: heute sei Día del estudiantes, Tag der Schüler. Am 4. April wurde auch die kommunistische Jugend Kubas gegründet, die zur Zeit einen großen Kongress hier ausrichtet. Das ist ja ausreichend Grund zum Trommeln.

In der Nähe von Trinidad gibt es ein weiteres Erbe der Weltkultur zu bestaunen, das Valle de los Ingenios. Ingenio heißt erfindungsreich, Genie. Hier sind aber die Zuckermühlen gemeint. Kuba wurde reich durch Tabak, Kaffee, Südfrüchte und Zuckerrohrprodukte, Rum ist immer noch ein lukratives Exportgut. Ich mag den ja auch sehr… insbesondere in Cocktails.

Yaniris hatte mir einen Fahrer organisiert, Rafael, der mich für 30US$ zu den interessantesten Punkten des Tales fuhr. In Trinidad selbst fuhren wir durch das Zentrum, wo wieder viele Schulkinder aufmarschierten, an der Plaza Santa Ana mit seiner finsteren Kirchenruine vorbei, gegenüber das alte Gefängnis, das jetzt eine Brauerei beherbergt. Schwerter zu Pflugscharen neu interpretiert!

Vor den Toren der Stadt hielten wir am Mirador de la Loma del Puerto. Früher ein Aussichtspunkt, um herannahende Piraten zu orten. Man blickt kilometerweit bis auf das Meer auf der einen und weit in die Berge auf der andern Seite. Die Palmeras meerseits sind leider durch Brände schwer in Mitleidenschaft gezogen worden.

Unser nächster Halt war die Hazienda Iznaga, eine ehemalige Zuckerrohrplantage, deren Wahrzeichen ein 50 Meter hoher Turm ist. Dieser diente der Überwachung der vielen Sklaven. Zum Turm hin läuft man scheinbar durch eine Wäscherei. Ein Meer weißer Tischdecken, Anziehsachen und sonstiger Stoffartikel erwecken diesen Eindruck. Man versucht, diese sowie Früchte, Säfte, Holzspielzeug und Puppen an die Frau bzw. den Mann zu bringen. Ich frage mich, wer so etwas kauft… äh… ja.

Der Turm selbst ist wieder eine Herausforderung. Die Treppen machen einen morschen Eindruck und ich bin ja bekanntlich keine Elfe. Dazu meine Höhenangst. Musste durch, stell Dich nich so an! Oben dann spektakuläre Ausblicke! Und ich war trotz hohen Touristenaufkommens vor Ort alleine oben. Lag es an der Struktur des Turmes oder an den 70 Pesos Eintritt? Runterzukommen war dann nochmal herausfordernder als umgekehrt, da man ja diesmal deutlicher sehen konnte, wohin man stürzt.

Ich besuchte dann noch kurz das Herrenhaus, jetzt ein Restaurant und lief ein bisschen herum. In den Tälern Kubas ist Reiten eine beliebte Touristenattraktion. Hier nicht anders, am Eingang zur Hazienda wurden zwei Busladungen Touristen auf Pferde verfrachtet. Ich stehe so etwas ja eher skeptisch gegenüber, aber immerhin sahen die Pferde nicht völlig kachektisch oder sonstwie krank aus. Wobei Menschen meiner Statur sich das ja wirklich verkneifen könnten. Manche Reiterinnen und Reiter schienen das gleiche Gewicht auf die Waage zu bringen, wie der Gaul. In Havanna hatte ich mal einem Touristenkutscher gesagt, sein Pferd tue mir leid. Er fragte, was denn mit ihm sei. Hm. Was soll man da antworten?

Unser letzter Halt war dann die ehemalige Hacienda, jetzt Hotel und Restaurant Buena Vista. Fast fühlte ich mich an die Weingüter Südafrikas erinnert. So ein schönes Haus in so schöner Landschaft. Ich wollte Rafael zu einem Kaffee einladen, doch die Maschine war kaputt. Die Dame hinter dem Tresen ächzte noch, dass ausgerechnet heute zwei Busse voller Niederländer zum Essen erwartet würden. Wir bekamen dann Mangosaft, war auch okay. Und die Touristen ein ganzes Spanferkel, das schon vor sich hin brutzelte.

Das war ein schöner Vormittagsausflug. Rafael hat auch langsam und mit einfachen Vokabeln gesprochen, so dass ich alles verstand. Er hat 45 Jahre lang für eine Behörde gearbeitet und erhält nun etwa 1.500 Pesos Rente pro Monat dafür. Der monatliche Mindestlohn liegt bei 2.100 CUP. Ohne sein Ladataxi, sagt er, müsse er verhungern. Ein Huhn koste ja schon 500 Pesos. In dem Zusammenhang auch unglaublich: kubanische Ärzte gelten als gut ausgebildet. Sie bleiben aber nicht auf Kuba, sondern praktizieren mit ausdrücklichem Einverständnis (bzw. auf Druck?) der Regierung im Ausland. Diese erhält dafür Milliarden (!!!) Dollar Entsendegelder. Die verschickten Ärzte haben da nicht rasend viel von.

Es folgte die obligatorische Siesta. Danach machte ich mich auf ins Zentrum und landete dann doch in einem Museum. In einem riesigen Haus an der Plaza Mayor befindet sich das Museo Romántico. Ich dachte zuerst an Pyramos und Thisbe, Romeo und Julia, Ernie und Bert, Gerald und Cora. Aber es geht gar nicht um eine Romanze, sondern um die Epoche. Es ist das älteste Museum in Trinidad und das Haus gehörte einstmals dem Conde de Brunet und seiner Gattin Angela Josefa Borrell y Lemus mit ihren 12 Kindern. PUH! Es ist besonders wegen der originalen Möbel und Einrichtungsgegenstände aus aller Welt so sehenswert. Porzellan, Silber, Intarsienmobiliar, Muranoglas und und und. Die Familie muss vor Geld gestunken haben! Der Verkauf der Sachen aus allein einem der Dutzend Zimmer würde mir wahrscheinlich ein Auskommen für den Rest meines Lebens sichern. Und zwar kein schlechtes…

Ich entdeckte einen schönen Innenhof und ließ mich dort für einen Cóctel nieder. Nachdem ich ohne auf die Karte zu schauen einen bestellte, brachte der Kellner dann noch einen Aufsteller für den Tisch, der mich tief Luft holen ließ. Tequila und Rum ab mindestens zweistelligem €-Bereich. Aber es war gottseidank nur eine Spezialitätenkarte, der Cocktail war normalpreisig. War wahrscheinlich Rum, den der Conde de Brunet noch selbst handgezapft hat.

Um die Ecke spielten meine alten Bekannten von vorgestern, verstärkt durch einen weiteren talentierten Sänger. Aber ich war jetzt hungrig. Ich suchte mir die schöne Terrasse im Restaurant Las Conspiradores aus. Am Ende das bisher teuerste, was ich auf Kuba je hatte, aber definitiv auch das beste! Ceviche a la casa, arroz pesquero und Flan cubano de la nonna. Und die Hausband war auch nicht schlecht.

Eigentlich wollte ich dann noch das Tanzbein schwingen, aber ich war dann trotz der Siesta ziemlich erschöpft von meinen Urlaubsaktivitäten. Stattdessen lief ich noch ein paar Schritte durch die Gasse und probierte den Nachtaufnahmemodus meiner Handykamera aus.

Morgen ist mein letzter Tag in Trinidad, ich glaube, ich verlasse wieder kurz die Stadt. Darauf verlassen könnt Ihr Euch aber nicht. Liebe Grüße, Euer Gerry

P.S.: Ach so…

Tag 7 – Trinidad: Noch mehr Sich-Treiben-Lasserei

Ihr Lieben,

der Stromausfall gestern zog sich, wie Ihr vielleicht daran gemerkt habt, dass mein Tagesbericht so spät dran war. Denn auch das Internet funktionierte dementsprechend nicht. Gegen 4 Uhr früh wurde ich dann wach, weil plötzlich Klimaanlage, Ventilatoren und Lichter gleichzeitig angingen. Habe mich kurz ziemlich erschrocken.

Um 8 Uhr 30 kamen dann Yaniris und ihre Hilfe, machten ein super Frühstück und klärten mich über das W-LAN, die örtlichen Sehenswürdigkeiten, mögliche Ausflüge usw. auf. Ich habe dann direkt für morgen einen Ausflug gebucht.

Wegen des WiFi muss ich in den Laden der staatlichen Telefongesellschaft Etecsa, man muss für Internet auch über W-LAN quasi Rubbelkarten erwerben, die einem je nach Kosten mehr oder weniger Zeit zum Surfen erlauben. Aber das ist alles spottbillig im Vergleich zu meiner eSIM. Ich finde auch das Konstrukt „Zeit statt Gigabyte“ interessant, zumal man die gekauften Stunden unterbrechen kann. Vor dem Laden gab es eine kleine Schlange. Eine Wachperson ließ völlig willkürlich Menschen ein, immer dann, wenn andere das Büro verließen, die Position in der Schlange spielte dabei keine Rolle. Ich sagte erstmal nix und dachte, wenn ich jetzt rumstänkere, wird das nie was. Irgendwann fiel mir dann aber auf, dass gerade aggressive Männer irgendwie Vortritt hatten, während eine stille ältere Dame und ich schon länger warteten als alle anderen. Beim nächsten Öffnen der Türe pampte ich dann laut rum. „So, jetzt ist erst einmal diese Señora dran und dann ich. Was ist denn das hier für ein bescheuertes System? Wo sind wir denn?“. Ein Wunder geschah, wir durften rein. Muss ich das verstehen? Ich zahlte übrigens für 8 Stunden Internetnutzung etwa umgerechnet 2 Euro.

Ich lief durch ein paar Galerien, kaufte ein paar Getränkedosen für die Casa ein (Limettenlimo und Guavennektar), guckte Schulkindern in Uniformen bei irgendeiner Probe zu und kam dabei ziemlich ins Schwitzen. Es waren 33 Grad, die Luftfeuchtigkeit lag bei 76%. Gegen Mittag ging dann ein kurzer, aber starker Schauer nieder. Der brachte wenig Abkühlung, denn jetzt dampfte es in den Straßen. Ich zog mich kurz in die Casa zurück, auch natürlich, um meine neuen Internetkarten auszuprobieren. Klappte perfekt.

Das Internet in Trinidad ist aber insgesamt furchtbar langsam, sowohl mit eSIM als auch mit Etesca-Karte. Ich weiß, man ist früher auch ohne ausgekommen. Aber ich stelle mir gerade vor, ich erreiste mir Kuba mit einem halben Dutzend Falkpläne. Irrsinn! Da stehen ja noch nicht einmal Restaurantempfehlungen drin…

Kurz überlegte ich, mich zum Strand von Trinidad fahren zu lassen, aber es war immer noch ziemlich bewölkt und der nächste Schauer konnte jederzeit kommen. Nun ist es so, dass man in Havanna immer irgendetwas unternehmen kann. In Trinidad sind die Angebote deutlich eingeschränkter. Pferdekutschfahrten liegen mir nicht. Das Museum der Märtyrer und das Museum des Kampfes auch irgendwie nicht. Letzteres war wahrscheinlich das von gestern. Die Galerien sind Legion, bieten aber irgendwie nur verkitschten Einheitsbrei an. Bis auf zwei. Jaja, ich höre schon wieder die eine oder den anderen stöhnen und rufen: „Lass es sein, Du hast keinen Platz mehr!“. Saufen und fressen könnte man den ganzen Tag, und zwar bestimmt sehr gut, aber das macht ja auch nicht schlank.

Ich lief mal aus dem Weltkulturerbe raus, den Hügel hoch. Das Leben dort findet bei sperrangelweit geöffneten Haustüren statt, die Männer laufen gerne halbnackt herum. Man sitzt auf den Stufen des Friseurladens und plauscht. Verkäufer tragen Teller mit Fischen oder Beutel mit Broten rum und preisen ihre Ware vor jeder Haustüre an. Ich erregte eigentlich nur wenig Aufmerksamkeit. Einzig ein sehr ungepflegter, offensichtlich unter Drogen stehender Rasta-Man (das schwarze Schaf des Barrios?) lief mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. Panik! Geistesgegenwärtig schrie ich „Achtung, ansteckende Krankheit!“, was ihn a) zu einer Vollbremsung und b) zur mehrmaligen Wiederholung des Gesagten veranlasste. Den „Trick“ kenne ich aus ähnlichen Situationen, wenn einem zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. In Basaren zum Beispiel. Jetzt hatte ich aber ungewollt die Aufmerksamkeit, die ich eigentlich vermeiden wollte. Aber wenigstens gab es keine Umarmungen.

Ich bekam langsam Durst. Sangria oder Tinto de verano, die ich aus Spanien kenne, sind auch hier sehr beliebt. Ich suchte mir ein Restaurant mit Hinterhofgarten aus, dort habe ich dann in netter Atmosphäre eine Stunde herumgelungert.

Dann wurde es Zeit, eine kleine Siesta einzulegen. Herrjeh, ob ich mir das je wieder abgewöhnen kann? Ich schmiss den Deckenventilator an, legte mich kurz hin und wurde nach wenigen Minuten Döserei wach, weil es so warm wurde. Wieso läuft denn der Ventilator nicht? Ihr ahnt es. Stromausfall. Ich setzte mich auf die Terrasse und süppelte meine Limonaden. Eine war nicht wirklich… äh… die andere schon.

Abends folgte ich mal wieder den Empfehlungen des weltweiten Netzes und erklomm die Dachterrasse des Bistro Trinidad. Dort war ich zuerst alleine, mit zwei Dieselgeneratoren, die einen Heidenlärm machten. Der Blick wieder super, das Essen okay. Croquetas de Pescada, Pollo con Coco y Piña und Tarta Francesa mit Rum. Das Huhn war nix, die Fischkroketten gut, der Kuchen super. Es gesellten sich zwei deutsche Pärchen dazu, denen beiden der laute Diesel und die Mücken arg zusetzten. Apropos: ich habe einige malträtierte Stellen, aber eher vom Kratzen, als von den Viechern selbst. Heute hatte ich vor Verlassen des Hauses in Autan gebadet und wurde verschont.

Auf dem Rückweg gönnte ich mich noch einen Mojito und war dann ausreichend schlapp für den Absacker daheim, mit dem ich das Tagebuch gewöhnlich abschließe.

Der Strom geht gerade mal wieder, Ventilation läuft und ich bedanke mich bei Euch für Euren Besuch. Ich hoffe, Ihr seid morgen ausgeruht genug für unseren Ausflug.

Liebe Grüße, Euer Gerry

Ich plane, in das Tourismusgeschäft einzusteigen. Würde erst mal mit nur einem Bett zur Vermietung anfangen.

Tag 6: Von Havanna nach Trinidad

Ihr Lieben,

5 Uhr 30, der Wecker klingelt. Genau meine Zeit! Ich machte Katzenwäsche, packte meine restlichen Habseligkeiten und begab mich auf den Weg. Gestern Abend hatte ich noch versucht, über Facebook ein Taxi zu organisieren, das hat natürlich nicht geklappt. Ich schleppte mich also zum Hotel Nacional, in der Hoffnung, dort einen Wagen zu bekommen. Ich bekam. Ein pinkes Klassik-Cabrio. Yeah.

Der Busbahnhof ist verwirrend. Da, wo die Dame gestern mich heute sehen wollte, da wollte man mich heute nicht sehen. Irgendwann fand ich die Gepäckaufgabe und setzte mich in die große Wartehalle. Falsch, völlig falsch! Ich müsse mich dahin setzen, wo ich ganz zu Anfang war. Ich sag ja, verwirrend…

Der Bus fuhr pünktlich los (und, ich nehme es vorweg, kam auch pünktlich an – Grüße an die DB sind raus!). Die Plätze wurden zugewiesen (die Tickets muss man vorab und rechtzeitig kaufen) und ich saß zuerst neben einer hektischen Dame. Jacke aus, wieder an, Tasche bitte anreichen, bitte wieder zurückstellen, Jacke aus. PUH! Ṇach der Abfahrt wechselte ich einfach in eine freie Sitzreihe. Scheinbar hatte jemand den Bus verpasst. Der Bus schlich erst ein wenig durch die Vororte La Habanas, nahm auf der Autobahn aber auch nicht wirklich Fahrt auf, hielt nach dreieinhalb Stunden in Cienfuegos das erste Mal und in Trinidad dann anderthalb Stunden später. Dort stiegen die meisten Passagiere aus. Eine Pinkelpause gab es unterwegs an einer kubanischen Autobahnraststätte. Dort wurde u. A. gegrillt. Die Autobahnen sind quasi leer. Ein paar Lieferwagen, ein paar Taxis, kaum Privatautos. Dafür aber viele Pferdekutschen und Reiter.

Ansonsten lief die Fahrt in ungefähr so ab:

  1. Stunde: Oh, was eine hübsche Landschaft!
  2. Stunde: Hach ja, die Landschaft, nett.
  3. Stunde: Puh, echt viel Grün hier.
  4. Stunde: LANDSCHAFT!!
  5. Stunde: AAAARGH!!!!!!

Der Bus wird ja mit „Premium Komfort“ beworben. Das mag für Kuba durchaus zutreffend sein, aber mir graut schon vor den anderen Fahrten, da ist ja mindestens eine dabei, die dreimal so lang geht. Es gibt zwar eine gemäßigte Klimaanlage, wenn man eine Sitzreihe für sich hat, ist auch ausreichend Platz, aber die Sitze sind ziemlich durchgesessen.

Am Busbahnhof in Trinidad angekommen, wurden wir sofort belagert. Taxi? (Häh? Verschwörung vorbei?), caramelos, pesos, cambio, casa? Meine casa ist allerdings nur ein paar Meter vom Bahnhof entfernt, daher musste ich alle enttäuschen, obwohl ich bepackt war wie ein Lastesel.

Meine casa fand ich dann sehr schnell. Man hatte auch schon mehrmals mit mir Kontakt aufgenommen, erst der Besitzer, dann dessen Nichte, dann deren Cousine und zuletzt die Mama. Oder so ähnlich, ich hatte irgendwann den Faden verloren. Die Mama ließ mich eins der beiden Zimmer auswählen, ich habe das ganze Haus für mich allein. Sie wechselte auch direkt zu einem guten Kurs, organisierte mir Frühstück und im Zimmerkühlschrank steht kaltes Bier. Wasser natürlich auch, aber wen interessiert das, nach einer so anstrengenden Busfahrt? Eine Dachterrasse gibt es auch, yeah! Das Haus ist nicht so schick und modern, wie das Appartement in Havanna, hat aber unglaublich viel Charme. Fast bin ich ein wenig traurig, dass im anderen Zimmer keine interessanten Menschen wohnen.

Es wurde Zeit, den Ort zu erkunden, an dem ich die kommenden vier Nächte bleibe. Das centro histórico von Trinidad ist Weltkulturerbe und ich wohne direkt am Eingang davon. Was soll ich sagen: Ich finde es wuuunderschön hier! Havanna ist ja interessant und faszinierend, hier ist es einfach nur schön. Keine Hochhäuser, verwinkelte Gassen, nicht alles im Topzustand, aber durchaus bewohnbar und bewohnt, bunt, Kopfsteinpflaster statt Asphalt… Allerdings kommen gefühlt 20 Restaurants und Bars auf einen Touristen. Hier ist fast nichts los. Schade für den Ort. Gut für uns wenige vor Ort.

Ich kletterte die 716 Stufen der Turms des Revolutionsmuseums hoch (ehemals eine Kirche) und hatte einen netten Ausblick über die Stadt. Können auch mehr oder weniger Stufen gewesen sein, hatte mich mehrmals verzählt. Kostete 50 Pesos. 15 Cent. Der Wechselkurs ist zur Zeit 1:340 auf der Straße, aber ich nahm auch die 320 der Vermieterin, das erschien mir bequemer und sicherer. Vom Museum selbst hat man, glaube ich, eher nur etwas, wenn man sehr an lokaler Geschichte interessiert ist.

Es folgen ein paar Impressionen der Innenstadt:

Mir war nach Rumlungern und ich setzte mich auf die Terrasse der Casa de la música. Mein erster Cuba Libre in Kuba! Keine drei Minuten später erschien auch die erste Liveband. Unter anderem wurden auch wieder die „zwei Gardenien“ gegeben. Ich wippte ein wenig mit und wurde sofort verdonnert, eine CD zu kaufen. Machte ich dann gerne.

Das tat so gut, im Halbschatten zu sitzen, zu glotzen, gute Musik zu hören. Und Tagebuch zu schreiben. Habe mir dann noch einen Canchánchara bestellt, Trinidads Cocktailspezialität und extrem lecker!, und beschloss, mich einfach treiben zu lassen.

Nachdem ich der Band noch eine Weile zugehört hatte, machte ich mich auf zu meinem Palacio, um mich stadtfein zu machen. Denn anschließend ging es zu Muñoz Tapas. Hochpreisig, aber Sonnenuntergangsglücksgefühle seien garantiert. Gute Bewertung im Internet.

Wie man sieht, wurde wegen des Blicks nicht zu viel versprochen. Was hingegen verschwiegen wurde: die Monstermücken. Ich war nach drei Minuten zerstochen. Mein Mückenspray natürlich im Koffer. Ich fragte, ob es im Restaurant vielleicht Spray gäbe. Ja klar, beschied man mir. Und kam mit einer Dose kubanischem Paral wieder, um den ganzen Balkon inklusive meiner einer einzusprayen. Ich sachma so: war nett, Euch gekannt zu haben. Wenigstens war mein Essen noch nicht auf dem Tisch. Und dann wurde es dunkel. Stromausfall. Aber nur kurz, scheinbar gibt es einen Generator.

Am Nachbartisch saßen eine russische Mutter, die seit Jahren in Berlin lebt, mit ihrem Sohn. Wir kamen im Halbdunklen ins Gespräch. Zuerst auf englisch, bis wir merkten, dass wir uns auch deutsch unterhalten können. Auch sie hatte sich – wie ich – auf viel Schlimmeres eingestellt und hatte einen halben Koffer haltbare Lebensmittel eingepackt.

Ich wollte mir was ganz tolles gönnen und bestellte die Tapas Muñoz. Das waren dann Käse, Schinken, Oliven und Toast. Naja, machte auch irgendwie satt! Halt etwas sehr überteuert. Ich war noch mittendrin, da erklärte das Restaurantpersonal meine Balkonecke für drei überdrehte Mittdreißiger (ausgerechnet Deutsche) zur Raucherzone. Sie wollten definitiv keine Rücksicht nehmen. Das fand ich weniger lustig, und ich machte mich vom Acker. Insgesamt kann die übertrieben guten Bewertungen jetzt nicht wirklich nachvollziehen. Bis auf den guten Ausblick natürlich.

Wenn Ihr mögt… morgen bin ich dann möglicherweise wieder mit dem nötigen Ernst bei der Sache! Treiben lassen… Geht’s noch? 😂

Hasta luego, compañer@s! (so geht spanisch gendern… 🤣)

Euer Gerry

Tag 5 – Havanna: Die Nekropole der Metropole

Ihr Lieben,

morgen früh fährt ein Bus nach Trinidad, der mich hoffentlich mitnimmt. Immerhin hatte ich schon daheim ein Ticket erworben. Mit Trinidad ist übrigens nicht das Land gemeint, dann müsste es ja ein Amphibienbus sein. Nein, in Kuba gibt es allerlei Ortsbezeichnungen, die einem von woandersher bekannt vorkommen. Florida und Santa Fé zum Beispiel (in der Nähe des Waldhäuschens meiner Oma in der Lüneburger Heide gab es ein Jerusalem!).

Um dann nicht in aller Herrgottsfrühe wie ein Depp dem abfahrenden Bus hinterherzuwinken, machte ich heute als erstes einen Abstecher zum zentralen Busbahnhof in der Nähe des Revolutionsplatzes, um zu erkunden, was ich denn zu tun habe. Leute, ohne Spanischkenntnisse ist man da aufgeschmissen. Ich wollte mich auf englisch durchfragen, weil ich diese Infos ja gerne in Gänze verstanden haben wollte. Keine Chance. Ich wurde dreimal durch das Gebäude geschickt, bis ich bei einer Dame landete, die mir erklärte, ich sei richtig, ich habe mich anderthalb Stunden vor Abfahrt mit meinem Gepäck genau bei ihr einzufinden. Das ist dann um 7 Uhr früh. Herrjeh! Wo bekomme ich denn um diese Uhrzeit ein Taxi her? Der Fußweg beträgt etwa 40 Minuten, das möchte ich ungern mit meinem ganzen Gepäck machen. Immerhin gab es auf dem Weg wieder einiges zu bestaunen: Schlangen von Menschen an den Banken. Heute ist nämlich der erste des Monats. Und nix mit Ostermontag frei. Monumentalskulpturen von mehr oder weniger verehrenswerten Menschen. Ein uneinsehbares Kastell. Ohne Bewertung. Hm, ist auch ein Gefängnis. Wahrscheinlich werden kritische Bewertungen bezüglich Komfort und Küche gelöscht. Der Rasen am Hügel wird übrigens mit Macheten gemäht. Die Pastel-Verkäufer mit ihren markanten Wagen.

Wo ich doch schon fast in der Nähe des Friedhofes Cristóbal Colón war, beschloss ich, diesen auch zu besuchen. Kleiner Irrtum, war dann doch noch ein ganz schönes Stück zu laufen. Ich habe ja ein Faible für Begräbnisstätten. Muss aber nicht behandelt werden, habe mich diesbezüglich schon informiert.

Der Friedhof gilt als einer der größten im lateinamerikanischen Raum, etwa eine Million Tote sollen hier ihre Ruhestätte gefunden haben. Als Tourist muss man ein Ticket erwerben. Also, mir scheint selbst der Melaten-Friedhof in Köln größer, aber das kann täuschen. Man darf nämlich auch mit Eintrittskarte (toller Filmtitel: Ticket zum Tod?!) nicht überall entlanglaufen und wird notfalls mit der Peitsche des kleinen Mannes, der Trillerpfeife, darauf hingewiesen. Steinmetze scheinen auf jeden Fall hier gute Geschäfte zu machen. Nix mit in der Erde buddeln. Alle schön in Mausoleen oder Sarkophagen, die meisten davon recht aufwändig. Ich hatte zwar eine Karte der wichtigsten Gräber am Eingang erhalten (mit der Bitte um Rückgabe, entsprechend zerfleddert war sie schon), aber die meisten Berühmtheiten sagten mir nichts und so ließ ich mich einfach durch die See von Marmor und Granit treiben. Immerhin fand ich durch Zufall das Grab der Familie Ferrer; Ibrahim Ferrer wurde an der Seite von Compay Segundo durch den Buena Vista Social Club weltberühmt. Mir gefällt dieser Friedhof. Bestimmt nicht der schlechteste Platz der Welt, um den Rest seines Todes zu verbringen.

Es geschah dann etwas sehr merkwürdiges: Bis gestern Nacht war das häufigste Wort, das ich auf Kuba hörte „Taxi?“. Ja, mit dem Fragezeichen. Selbst, wenn ich in meiner Wohnung abends vom Küchentresen zum Kühlschrank lief, rief jemand „Taxi?“. Jetzt, wo meine Füße brannten, gab es kein einziges. Ich lief die 286 Kilometer zu meinem Airbnb zu Fuß, ohne durch „Taxi?“ belästigt zu werden. Ich vermute eine Verschwörung.

Zuhause hielt ich dann erst einmal wieder Siesta. Ich muss in Köln mal unseren Betriebsrat informieren, dass Siesta nach internationalem Recht als Teil der Arbeitszeit anerkannt werden muss. Jaja, genau so habe ich das gelesen! Quelle: Internet.

In Vorbereitung der Reise wurde schnell klar, dass es auf Kuba an grundlegenden Dingen mangelt. Medikamente, Brillen, Hygieneartikel, Schulbedarf. Da ich auf meinem Flug ja recht viel Freigepäck hatte, beschloss ich, diverse Artikel mitzunehmen. Was halt noch in den Koffer passte. Unterstützt wurde ich dabei durch Ute vom Poller Bürgerverein (obendrein meine Vermieterin, Teil der Bürgerinitiative und inzwischen auch Freundin). Ich hatte daher mehrere Kilogramm rezeptfreie Medikamente, Lesebrillen, Stifte, Hygieneartikel, Zahnbürsten, Süßigkeiten (Medikamente für die Seele halt) und dergleichen im Gepäck. Ich wurde in den Facebook-Gruppen davor gewarnt, diese Spenden in staatlichen Einrichtungen oder bei einer beliebigen Kirche abzugeben. Man gerate da zwar nicht durchweg, aber eben möglicherweise doch an unehrenhafte Gesellen.

Ich bin das Klima nicht ganz gewohnt, wie man sieht. Mercedita hatte Verständnis.

Ich beschloss, meine Mitbringsel der Organisation „Corazón con Cuba“ zu überlassen und hatte heute Nachmittag eine Verabredung zur Übergabe. Leider wieder am anderen Ende von Vedado. Leute, ich bereue, meinen Schrittzähler nicht mitgenommen zu haben. Was könnte ich mit Kilometern angeben!! Das Treffen fand im „Lager“ der Organisation statt, wo Hilfsgüter von Schulbedarf über Medikamente bis hin zum Rollstuhl vorgehalten werden. Mercedita erläuterte mir, wie Corazón con Cuba arbeitet. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen geben an drei Tagen pro Woche vor Ort Hilfsmittel aus, an den anderen Tagen fahren sie zu Menschen, die nicht mehr selbständig kommen können. Ich konnte selbst erleben, dass Personen vorsprachen und entsprechende Hilfe erhielten. Ich denke, die Sachen sind in den richtigen Händen. Mercedita, tu y tu compañeros hacen una buena obra. El mundo necesita más gente que vosotros. ¡Muchas Gracias!

Auf dem Rückweg war es das gleiche Drama. Kein Taxi. Und es wird ja tagtäglich heißer hier. Daher jetzt bitte alle mal kollektiv „Ohhhh…“ sagen. Lauter, bitte! Geht doch. Dafür sah ich aber Teile von Vedado, die erahnen lassen, wie schön es hier einmal gewesen sein muss.

Ich enterte erschöpft das Hotel Nacional, das einen Garten mit Blick auf das Meer hat. Dort gibt es auch eine Bar. Ich gönnte mir einen Cóctel Nacional und schaute einem Paar und ihren Gästen bei der Hochzeit zu. Mitten in die Ansprachen krähte melodisch ein Pfau. Wusstet Ihr, dass die sooo kreischen? Markerschütternd! Dazu viel Musik. Zudem rennen hier hektisch mehrere Hühner rum. Möglicherweise kommt das Rührei des Frühstücksbüffets ja aus dem hauseigenen Garten.

Was erstaunlich ist: Gestern hatte ich ja einen 12US$-Cocktail und glaubte, in diesem doch eher noblen Schuppen herrschten vergleichbare Preise vor. Weit gefehlt. Umgerechnet 1 Euro 50 pro Glas. Aber als es dann ans Bezahlen ging, war mein Pesos-Portemonnaie verschwunden. Das ist die Crux mit dem Geld hier, man hat dutzende Geldbörsen. Also, tief durchatmen, in Dollar zahlen (was es natürlich wesentlich teurer machte) und hoffen, dass im vermissten Geldbeutel nur Pesos enthalten waren.

Wie es dann weiterging: doch leicht besorgt, war da nicht auch eine Kreditkarte drin? Oder die Zugangskarte zu meinem Büro? Würde ich nie wieder die Firma betreten dürfen, aber dennoch Gehalt beziehen? In der Calle Humboldt angekommen, lag das dumme Ding dann auf dem Küchentresen. Sofort habe ich eine Mail an verschiedene Seniorenzentren geschrieben, ich brauche einen Platz, es sei dringend. Warte jetzt auf Antwort. Bitte, bitte, bitte! Erzählt mir, dass Euch sowas auch passiert!

Eigentlich wollte ich abends in einem Palador essen. Wir würden vielleicht Pop-up-Restaurant sagen. Da kocht eine Familie, man kauft sich ein und sitzt mit lauter fremden Menschen an einem Tisch. Erwähnte ich aber schon, dass ich, je länger ich spanisch am Stück spreche, immer mehr Kauderwelsch dabei herauskommt? Ich war ausreichend erschöpft, was es nicht besser macht, kehrte der Einfachheit halber wieder in den vier Monden von vorgestern ein und wurde nicht enttäuscht. Fischkroketten und Langustenfleisch in Knoblauch.

Am Nachbartisch saß eine kubanisch-deutsche Kleinfamilie aus Aschaffenburg. Er Musiker, sie Tanzlehrerin. Wir haben uns nett unterhalten. Udo, wie wäre es mit einer Jam Session, ich habe die Kontaktdaten!? 🤗

Satt sitze ich jetzt zuhause, muss langsam mal den Koffer packen und mich von Havanna verabschieden. Ich hoffe, ich konnte rüberbringen, dass hier alles irgendwie Achterbahn ist. So einem Wirrwarr von Gefühlen bin ich selten ausgesetzt. Die positiven Eindrücke überwiegen, Gauner gibt es halt überall. Morgen steht mir eine lange Busfahrt bevor, bis ich gegen Mittag in Trinidad ankomme. Kontakt zu meinen Gastgebern dort hatte ich schon gestern. Ich bin muy emocionado! Ihr auch? Na, dann bis morgen!

Liebe Grüße, Euer Gerry

Ich plädiere dafür, dass Hotdog-Verkaufsstände in Deutschland in Heiße-Hunde-Buden umbenannt werden!

Tag 4 – Havanna: Einfach mal nix machen?

Ihr Lieben,

einmal nichts tun, dachte ich mir heute morgen. Vielleicht irgendwo frühstücken, dann rumtreiben und dann Mojito trinken. Muss ja auch mal sein. Es kam dann aber doch anders und ich erlatschte einen weiteren persönlichen Weltrekord.

Nachdem ich zuhause einen Kaffee zu mir genommen hatte, lief ich die Calle Infanta bis zur Salvador Allende hoch, um dann Richtung Paseo del Prado weiterzutraben. Auf dem Weg dahin hatte ich wieder viele untouristische Einblicke. Menschen, die in den Müllbergen auf den Straßen wühlten, die mit ihren Lebensmittelmarken an den Panaderías und Bodegas anstanden, die sowieso schon aussahen wie geplündert. Viele Bettler, viele Menschen, die am Straßenrand hockten und auf einem Stück Stoff ihre wenigen Waren auslegten, in der Hoffnung, etwas zu verkaufen. Besonders begehrt ein Mann, der lose Tabletten verkaufte. Ich hoffe, er wusste, welche Pastille wogegen helfen sollte. Viele streunende Hunde und Katzen.

Auf der Salvador Allende besuchte ich dann ein durch Security und Militär (?) bewachtes Centro Commercial. Preise in Dollar oder MLC, das ist so eine Art digitale Devisenwährung für Kubaner. Die Läden auch hier nicht gerade gefüllt, dafür aber ein betuchtes Publikum. Es herrschten aber auch eher Waren des nichtalltäglichen Bedarfs vor. Allein drei Läden für Sneakers. Auf der gesamten Strecke kleine Tiendas, marode Gebäude, alles eigentlich trist, aber überall auch mitreißende Musik.

Nach einiger Zeit sah ich in einer Stichstraße eine Menschenmenge, Schirme und Verkaufsstände. Ich hatte einen Markt gefunden. Hier auch eher Tinnef, fast vergleichbar mit den Wochenmärkten in Köln, die ja inzwischen auch mehr Ramsch verticken als Lebensmittel. Und brechend voll! Wie schade, dass ich einen so empfindlichen Magen habe, denn es gab auch einiges an Streetfood. Zum Beispiel mit gerupftem Fleisch gefüllte Brötchen, „Pan con lechón“. Handgerupft. Gerne von Männern ohne Handschuhe, die dabei eine Zigarre im Mundwinkel hatten. Deren Asche aufs Tablett bröselte. Wie gut, dass ich einen so empfindlichen Magen habe.

Ich schlug mich zum „angenehmen“ Teil Havannas durch, wollte die Stufen des Capitols erklimmen, wurde zurückgepfiffen (Terroralarm: Deutscher in kurzer Hose!) und fragte im Teatro Alicia Alonso nach Karten für Aufführungen. Leider gab es keine, nur Führungen durch das Theatergebäude. Alicia Alonso war übrigens eine berühmte kubanische Ballerina und Choreografin, die mitverantwortlich für den guten Ruf des kubanischen Balletts ist.

Im Hotel Inglaterra nahm ich dann ein kleines Desayuno, ein Frühstück, ein. Bocadito con Jamón y Queso, Mangosaft und Cappuccino. Diese Schinken-Käse-Sandwichs in spanischsprachigen Ländern sind dort für mich immer ein Highlight. Wenn ich die daheim zubereite, denke ich oft, wie langweilig! Ist halt wieder so ein Urlaubsphänomen. Kretischer Honig schmeckt halt nur auf Kreta. Ich musste mich wieder in Geduld üben. Erst kam das Sandwich, dann lange nichts, dann der Saft, dann lange nichts, dann der Cappuccino.

Ich schaute mir wieder die am Paseo ausgestellten Kunstwerke an, bog in die Trocadero und stieß durch Zufall auf das Museum für die schönen Künste. Der Eintritt war mit umgerechnet 40 Cent ein Schnäppchen, dazu 20 Cent für die Garderobenfrau und ebensoviel für die Dame, die auf die WCs achtete (Toilettenpapier ist knapp und muss käuflich erworben werden). Ein Besuch lohnt sich absolut! Oft dachte ich, oh, ein Picasso, ein Legér, ein Botero, ein Gauguin. Aber alles kubanische Künstler.

Übrigens, liebe Influencer: Die genannten waren noch, wie man sieht, wirkliche Influencer! Ich fürchte, dass der kubanischen Kunst insgesamt nicht der Stellenwert eingeräumt wird, der ihr gebührt. Es sind fantastische Werke dabei, auch die, die nicht durch andere inspiriert scheinen.

Ich suchte und fand die Bodeguita del Medio, die Wiege des Mojito. Hui, da war vielleicht was los. Touristen en masse, Strassenkünstler und – verkäufer, Musikanten und … äh… Damen. Ich musste natürlich einen überteuerten, aber leckeren Mojito kaufen. Highlight hier eine Truppe von Tänzern auf Stelzen, die zu kubanischen Klängen der Begleitmusiker die Holzbeine schwangen. Gegen einen kleinen Obulus durfte man Filmen und fotografieren.

Bailando en las calles de la Habana

Und weiter, die Blasen am Fuß konnten mich nicht stoppen! Ich dachte, ich hätte die Tage längst den Platz der Kathedrale gesehen, wurde aber eines besseren belehrt. War die falsche Kirche. Wieder durch Zufall stieß ich auf den wirklich extrem schönen Platz und danach auch noch auf den „Alter Markt“ von Havanna, der Plaza Vieja. Hier ließ ich mich von einem Schlepper auf einen Balkon lotsen, wo ich überteuertes Bier, aber immerhin mit einer schönen Aussicht, trank. Plus den Hausdaiquiri, der mit stolzen 12 US$ zu Buche schlug und winzig, aber sehr lecker war.

Ich besuchte noch einen Devisensupermarkt und machte mich in einem alten, grünen Chrysler auf den Weg Richtung Wohnung,wo ich eine sehr späte Siesta einlegte.

Am Abend begab ich mich wieder zu meiner heißgeliebten Calle 21. Dort gibt es erstaunlicherweise drei türkische Restaurants quasi nebeneinander. Wobei… am Eigelstein wundert mich das ja auch nicht wirklich.

Eins hatte aber definitiv auch kubanische Gerichte auf der Karte. So ließ ich mich dort nieder. Croquetas de casa? Leider kein Frittierfett. Was ist denn als Vorspeise da? Wie es mit einem Käsetoast wäre. Ach Du jeh. Ich nahm „alte Wäsche“, ropa vieja. Das kannte ich von den Kanaren. War hier aber ganz anders. Dennoch absolut essbar.

Was ich nicht vorhersehen konnte, die Hausband hatte Ihren Platz quasi an meinem Tisch. Es ist etwas problematisch, gesittet zu essen, wenn drei Musiker einem direkt ins Gesicht glotzen. Ich habe dann versucht, im Takt mitzuschmatzen. Die Band war aber super. Kubanische Klassiker, von denen ich sogar einige kannte. Für E. habe ich mir dann „Dos gardenias para tí“ gewünscht. Ich hoffe, sie hat es gehört. So gegen 2 Uhr nachts in Deutschland.

Die Kellnerin fragte ich dann noch nach Geldwechsel, aber sie erreichte keinen ihrer entsprechenden Kontakte.

Resümee. Also, man kann natürlich allem Unangenehmen in Havanna aus dem Wege gehen. Man darf sich dann halt nur in bestimmten Grenzen innerhalb der Stadt bewegen. Aber war man dann in Havanna? Oder nur in einem Teil der Stadt, der quasi einem Themenpark für empfindsame Touristen gleicht? Jeder Tourist, auch ich, hat hier natürlich gut reden. Nur, weil ich mir das Elend auch anschaue, macht mich das ja nicht zu einem besseren Menschen. Und wenn es zu traurig wird, trinkt man einen Mojito an der Plaza Vieja. Ich habe in den letzten drei Tagen viel an meine laut jammernden Mitmenschen in Deutschland denken müssen. Weiß gar nicht, warum…

Jetzt hänge ich am Küchentresen und plane den morgigen Tag. Ich dachte an die Hemingway-Finca außerhalb Havannas. Ich erfuhr aber, dass es drei Tage vor meiner Ankunft einen schweren Hagelsturm gegeben hatte, der das Anwesen so in Mitleidenschaft gezogen hat, dass es geschlossen ist. Das Unwetter hat wohl auch im Zentrum Havannas gewütet. Also, ich überrasche mich morgen dann mal selbst, Euch vielleicht ja dann auch.

Liebe Grüße, Euer Gerry

Tag 3 – Havanna: Carro Clásico Convertible Cubano

Ihr Lieben,

heute gab es um 8 Uhr erst einmal einen kubanischen Kaffee; ehrlich, so fängt der Tag doch deutlich besser an. Aus einer cafetera italiana, die es auch in jedem Spanienurlaub in der Küche gibt. Ich freue mich jedesmal wie Bolle, wenn ich eine vorfinde, aber die, die ich zuhause habe, fristet ein Schattendasein. Merkwürdig. Inzwischen schlafe ich auch gut, obwohl die Matratze Härtegrad 9 hat.

Schon zuhause beschloss ich, heute mal meine Gehwerkzeuge zu schonen und habe mir über einen Facebook-Kontakt (es gibt so einige Kuba-Gruppen dort) eine Fahrt mit einem Classic Car durch Havanna organisiert. Drei Stunden mit einem Chevrolet Impala 1958 Convertible in knallrot. Mein Fahrer heißt Aduan, er holte mich um Viertel vor 10 Uhr vor der Haustür ab. Erwartungen hatte ich kaum, nur dass ich hoffentlich eine Menge Spaß haben würde. Ich nehme es vorweg: Die Tour war super.

Aduan hatte die Ziele ausgesucht, ich saß nur hinten drin und ließ mich kutschieren. Wir fuhren den Malecón bis zu unserem ersten Stopp, einem Handwerkskunst- und Künstlermarkt, dem Mercado San José. Während im Erdgeschoss der wahrscheinlich übliche Touristenkitsch angeboten wurde (wobei sich einige nette Sachen darunter fanden), gab es im ersten Stock Gemälde und Plastiken. Und die haben mich wirklich beeindruckt! Da hätte ich mit einem Sprinter voller Kunst rausgehen können. Allein: Wie transportieren und wo zuhause noch Platz finden? Wirklich sehenswert!!!

Wir fuhren am beeindruckenden Capitolio vorbei, das nach amerikanischem Vorbild errichtet wurde, aber ein paar Meter höher ist. Hier tagt das Parlament. Von dort aus ging es am ersten Telegrafenamt, jetzt das erste LGBTQ-freundliche Hotel Kubas, vorbei nach Chinatown, wo es – naja, es ist wohl halt so – gar keine Chinesen gäbe, wie mir erklärt wurde. Aber es gibt dort eine Manufaktur von Romeo&Julieta, einer der bekannten Zigarrenmarken Kubas. Im Laden durfte leider nicht fotografiert werden. Man hätte auch sehr exklusiven Rum erwerben können, aber ich mochte jetzt nicht noch eine Flasche Rum in den ohnehin schon schweren Koffer packen und damit durch Kuba reisen. Vielleicht erstehe ich am letzten Tag eine Flasche, mal sehen.

Weiter ging es zum Platz der Revolution, wo ich ein paar Minuten Freizeit hatte. Man setzt dort seine Helden sehr pompös ins Bild. José Martí, Che Guevara, Camilo Cienfuegos… Auf dem Platz sammeln sich sehr viele Oldtimer, da die touristischen Clasicó-Touren sich wohl wenig unterscheiden. Ein Fest für Liebhaber. Selbst ich war ganz hingerissen, obwohl ich mich für Autos eigentlich nicht (und schon gar nicht rasend) interessiere.

Durch das Botschafts- und Reichenviertel Miramar, mit teilweise prachtvollen Villen, und an den Strandhotels Havannas vorbei ging es weiter nach Fusterlandia. Dort, im Stadtteil Jaimanitas, erschuf der kubanische Künstler José Fuster ab den 80er-Jahren eine farbenfrohe Mosaik-Insel. Sein Werk ist inspiriert von u.a. Picasso und Gaudí. Gaaanz wunderbar! Hier konnte ich leider nicht widerstehen und kaufte eine Skulptur. Mal sehen, wie ich die unbeschadet nach Hause bringe.

Zum Schluss fuhren wir noch in den Stadtwald von Havanna, dem Parque Almendares, wo Aluan mich zu einem Waldrestaurant kutschierte, wo es die angeblich beste Piña Colada der Stadt geben sollte. Ich bin kein ausgewiesener Experte, aber sie war wirklich lecker. Gefährlich für den Laden war nur, dass das nicht-alkoholische Basisgetränk in einer ausgehöhlten Ananas kam und die Flasche Rum zur Selbstbedienung daneben gestellt wurde. Gut, ich war bescheiden, aber wer weiß, ob die Flasche nicht schon mal leer zur Theke zurück ging… Man hatte frische Langusten, ob wir nicht vielleicht… Naja, wir wollten, zumal ich so auch zu einer typisch kubanischen Beilage kam, „Moros y Christianos“, Bohnen und Reis. Außerdem konnte ich mich so auch bei Aluan bedanken, der die vereinbarte Fahrzeit schon längst überzogen hatte.

Es war alles in allem kein Schnäppchen, aber die Tour ist – zumal bei Kaiserwetter wie heute – ein Traum. Zu mehreren fällt das dann ja auch am Ende weniger ins Gewicht, denn der Preis ist pro Auto, nicht pro Person. So sah ich unterwegs auch Clasicós mit gefühlt 10 Touristen an Bord. Das wäre mir bei der Hitze dann doch zu kuschelig geworden. Leider habe ich versäumt, ein paar Fotos mit mir hinterm Steuer oder zumindest vor dem Auto stehend machen zu lassen, aber davon geht meine Welt jetzt auch nicht unter. Auch ohne diese Aufnahmen werde ich diesen Ausflug nicht so schnell vergessen.

Dann war erstmal Verarbeitung der gesammelten Eindrücke angesagt. Das klappte hervorragend auf meinem schmalen, dafür aber kilometerlangen Balkon mit Blick auf den Golf von Mexiko. Ein Cristal durfte dabei natürlich nicht fehlen.

Nachdem ich mich gesammelt hatte, beschloss ich, masochistisch veranlagt wie ich bin, wieder per pedes ins Zentrum zu laufen. Diesmal aber durch die Gassen und Straßen der Stadt, nicht am Ufer entlang.

War ich gestern unglücklich über den Verfall, war ich jetzt entsetzt. Ab der zweiten Reihe wird es nämlich leider schlimmer. Dass hier noch niemand von einstürzenden Gebäuden… Obwohl, man weiß es ja nicht…

Wieder wurde ich ohne Ende angequasselt. Cambio, Habanos, Chicas? Ein junger Mann klopfte mir im Vorbeigehen auf meine Plauze und fragte mich, ob ich sein Papá sein wolle. Sachma! Ich war froh, als ich nach einer Dreiviertelstunde am Paseo del Prado war. Da war so einiges los, viele, auch wieder einige sehr begabte Künstler präsentieren sich dort. Und wieder, alle 50 Meter, „Geld tauschen?“. Wenigstens keine horizontalen Angebote mehr. Da ich Geld brauchte, sagte ich zweimal ja. Das erste Mal wollte man mir ungültige Scheine andrehen (die inzwischen aufgegebene Touristenwährung), beim zweiten Mal nur zum offiziellen Kurs. Beide Male wurde ich nach Ablehnung wüst beschimpft. Herrjeh.

Ich schlug mich zur Wiege des Daiquiri durch, so die Eigenwerbung der Bar Floridita, in der sich Ernest Hemingway so gerne aufgehalten hatte. Als touristisches Highlight war die natürlich brechend voll. Und Papa Hemingway wird dort auch verehrt bzw. ausgeschlachtet (kommt auf die Sichtweise an) wie nix. Getränkepreise sind in Dollar zu entrichten. Ich bestellte neben der bronzenen Statue des Autors einen Haus-Daiquiri namens Floridita und war nach wenigen Minuten genervt, weil jeder ein Selfie machen wollte und mal höflich fragte, ob ich kurz beiseite gehen könne, oder mich aber auch einfach wegschubste. Gottseidank konnte ich dann einen anderen Thekenplatz ergattern. Der Daiquiri war übrigens megaleecker!

Ich schlenderte die Calle Obispo runter bis zur Plaza de Armas, wo ich ein Taxi zum Hotel Nacional nahm. Dort suchte ich nach dem Geldwechsler von vorgestern. Ich fand stattdessen eine Geldwechslerin, die aber nur für 50 Dollar Pesos dabei hatte. Und das alles in kleinen Scheinen. Sie zählte etwa eine Stunde lang durch. Naja, fast. Aber ich war froh, wieder Pesos zu haben. Wenn auch in einem Stapel von etwa 10 cm Höhe.

Ich beschloss, sofort einige dieser Pesos auf den Kopf zu hauen, nämlich in einem der Restaurants auf der Calle 21, das ich jetzt auch mal namentlich erwähne: CuatroLunas heißt es. Ich war äußerst angetan. Auf der Straße angequasselt, das ist ja eigentlich nicht meins, aber die Karte sah gut aus und so folgte ich dem Mann in den zweiten Stock. Ich fand mich in einem eher schicken Restaurant wieder. Alle sehr freundlich, das Ambiente nett. Ich bestellte Schweineschnitzel mit frittierten Malanga. Ich hatte keine Ahnung, was letzteres sein sollte. Die Schnitzel waren dünn und etwas durchsehnt und lagen auf eher kaltem Püree, garniert das Ganze mit Karotten und Zwiebeln. Die Malanga sahen aus wie Kroketten und wurden mit purem Honig als Sauce serviert. Klingt grauslich? Ja, tut es, aber es war superlecker! Alles passte irgendwie zusammen. Das muss man so erst einmal hinbekommen.

Dann die nächste positive Überraschung. Ich dachte, ich müsste jetzt aus meinem Stapel Kleingeld viereinhalbtausend Pesos zusammensuchen. Aber die Rechnung war in mehreren Währungen ausgewiesen und das fast zum Eltoque-Kurs. Das ist die inoffizielle Tabelle für Geldwechsel in der Straße. Ich trank noch einen tausend Jahre alten Rum, ließ ein Megatrinkgeld da und war trotzdem inkl. zwei Bier pappsatt und glücklich für gerade mal 20 Dollar. Man drückte mir eine Visitenkarte in die Hand, ich solle beim nächsten Mal vorher anrufen, dann bekäme ich wohl den heute leider besetzten Logenplatz auf dem Balkon.

Was soll ich sagen? Das war ein durch und durch geiler (oops, Verzeihung), vielseitiger und spannender Tag. Wenn man mal eine nur kurze Zeit in Havanna sein sollte (wobei eine Stippvisite bei 11 Stunden Flug ja nur etwas für die ganz Harten ist), kann man so einen super Tag verbringen. Man muss allerdings, wenn man auf Aluan zurückgreifen will, entweder Spanisch oder Französisch beherrschen. Dabei ist sein Schwager Hamburger und lebt hier seit Ewigkeiten.

Für morgen habe ich noch nicht wirklich ein Programm, aber ich versuche, mich abends mal zur Wiege des Mojito durchzuschlagen. Den gibt es in Hemingways zweiter Lieblingsbar.

Süppelt Ihr einen mit? Dann bis morgen! Liebe Grüße, Euer Gerry

Gerry im Oldtimer
Gerry als Sancho Pansa